2015 wird es erstmals seit 1955 keinen Großen Preis von Deutschland geben. Für ein Land, das den Rekord-Weltmeister stellt, aus dem das aktuell dominierende Team kommt und das teilweise bis zu drei GP-Rennen in einem Jahr ausgetragen hat, ist das natürlich kein gutes Zeugnis. Vor allem hat der Deutschland-GP schon allerhand Geschichten geschrieben.
Vorweg: Der nachfolgende Rückblick auf die Geschichte des Großen Preis von Deutschland soll kein Nachruf sein. Das Rennen wird zurückkehren, schon 2016. Denn der Vertrag mit dem Hockenheimring für 2016 gilt und wird wohl auch eingehalten, denn Hockenheim wollte lediglich die Kosten für 2015 nicht tragen, weil man damit nicht kalkulieren konnte. Seit 2007 wird ja aufgrund der Kosten jährlich abwechselnd auf dem Hockenheimring und auf dem Nürburgring gefahren. In diesem Jahr wäre der Nürburgring an der Reihe gewesen.
Die Geschichte des Deutschland Grand Prix ist auch die Geschichte von herausragenden und besonderen Rennstrecken. Heute gleichen viele Strecken sich wie ein Ei einem anderen, doch in der Historie war das noch ganz anders: Der Hockenheimring war bis 2002 eine Hochgeschwindigkeitsstrecke von der Sorte, von der es heute nur noch den Kurs in Monza gibt: Lange Geraden durch die Wälder Baden-Württembergs unterbrochen von Schikanen und abgerundet mit dem Motodrom ermöglichten hohe Topspeed-Werte.
Immer wieder Sicherheitsbedenken
Der Nürburgring wurde bis 1976 auf der legendären Nordschleife ausgetragen. Sie führt durch die idyllische Eifel, bekam trotzdem mit „Grüner Hölle“ eine weniger idyllische Bezeichnung. Der Begriff wurde 1971 von Jackie Stewart geprägt – und das nach einer Modifikation samt Sicherheitsverbesserungen am Kurs! Aber die mehr als 20 Kilometer lange Strecke hatte es in sich: Sie führte über überhöhte Karussell-Kurven und großen Kuppen, die zu Sprüngen der F1-Fahrzeugen führte, die so jeglichen Bodenkontakt verloren. Das bot natürlich die Möglichkeit für spektakuläre Bilder, aber das war eben auch saugefährlich.
Die Geschichte des Deutschland-GP hat daher auch viele tragische Kapitel. Schon bei der ersten Veranstaltung 1926, die noch nach einer freien Formel und nicht speziell für GP-Fahrzeuge ausgeschrieben war, gab es vier Tote – und es blieben bei weitem nicht die letzten. Besonders berühmt geworden ist der Unfall von Niki Lauda, der heute als Vorstandsvorsitzender des Mercedes-Teams noch immer mit der Formel-1 verbunden ist. Der Österreicher verunglückte 1976 auf dem Nürburgring schwer, es war ein brutaler Feuerunfall, der Laudas Aussehen bis heute zeichnet, der ihn aber nicht am Gewinn zwei weiterer WM-Titel hinderte.
Ironischerweise wollte Lauda, der die Nordschleife 1975 in 6 Minuten 58,6 Sekunden umrundete und damit bis heute den F1-Rekord hält, das Rennen 1976 wegen den Sicherheitsbedenken sogar boykottieren. Doch ein entsprechender Vorstoß in Long Beach beim Lauf zuvor wurde von einigen anderen Fahrern abgelehnt. Es war nicht das erste Mal, dass sich Fahrer gegen die Durchführung des Rennens in Deutschland aussprachen. 1960 wollten sie auch aufgrund des erhöhten Risikos nicht auf dem Avusring in Berlin fahren – deswegen wurde das Rennen kurzer Hand für die Formel-2 ausgeschrieben. Es war bis 2015 das letzte Mal, dass es keinen Deutschland-GP im Rahmen der Weltmeisterschaft gab.
Fangio und Nuvolari brillieren
1959 wurde auch auf dem Avusring gefahren. Auch diese Strecke war ganz besonders: Sie war nichts weiteres als zwei lange Geraden, die auf der einen Seite mit einer Haarnadelkurve, auf der anderen Seite mit einer 43 Grad überhöhten Steilkurve verbunden wurden. Die Kurve wurde damals als Mauer des Todes bezeichnet und auch 1959 stürzte ein Fahrer von dieser Kurve in die Schlucht: Jean Behra erlag daraufhin seinen Verletzungen.
Auf dem Avusring wurde 1926 übrigens auch der erste Deutschland-GP ausgetragen. In den 30er Jahren dominierten die deutschen Teams Mercedes Benz und Auto Union bekanntlich den GP-Sport nach Belieben. Damals gab es sogar drei Läufe in einem Jahr in Deutschland. Zum einen den Deutschland-GP auf dem Nürburgring, zum anderen aber auch das Eifelrennen ebenfalls auf dem Nürburgring und dazu noch das Avusrennen auf der Avus.
Der Deutschland-GP war aber auch immer wieder der Ort, an dem fast schon heldenhafte Rennsport-Leistungen dargeboten wurden. Bekanntestes Beispiel ist der Lauf 1957, bei dem der große Juan-Manuel Fangio beim Boxenstopp durch eine verlorene Radmutter rund 48 Sekunden verlor und das Rennen trotzdem noch gewann: Er startete eine unfassbare Aufholjagd, in der er Runde für Runde den Rundenrekord nach unten korrigierte (unterm Strich sogar um sagenhafte 23 Sekunden!).
Fast noch unfassbarer war die Darbietung von Tazio Nuvolari 1935. Der Italiener fuhr damals für die Scuderia Ferrari, die damals aber noch anders als heute keine eigenen Wagen konstruierte, sondern die Werkseinsätze von Alfa Romeo leitete. Die Boliden waren untermotorisiert und hatten gegen die deutschen Silberpfeile von Mercedes Benz und Auto Union technisch keine Chance. Nuvolari war aber fahrerisch einer der besten Fahrer, die es jemals in der Geschichte gab und so gewann er trotz des unterlegenen Materials und vor allem trotz eines Rückstands von über sechs Minuten, den er sich bei einem verpatzten Boxenstopp einfing. Ganz ähnlich also zu den Ereignissen 1957.
Geplante Strecke in Dresden
Die Ausgabe 1957 hatte übrigens noch eine andere Besonderheit: Damals wurde zur gleichen Zeit nicht nur ein F1-Rennen, sondern auch ein F2-Rennen ausgetragen. Wegen der langen Streckenlänge entschieden sich die Veranstalter, die beiden Rennen gleichzeitig zu starten, damit die Fans mehr Autos zu Gesicht bekamen und nicht mehrere minutenlang zwischen zwei vorbeifahrenden Fahrzeugen warten mussten.
Beinahe wäre der Grand Prix von Deutschland noch auf einer weiteren, vierten Strecke ausgetragen worden. Die Pläne eines Deutschlandsrings in Dresden für den Lauf 1940 waren schon weit fortgeschritten, doch sie wurden von der Zuspitzung im Zweiten Weltkrieg und von der Einstellung aller Rennsportaktivitäten in Europa durchkreuzt. Der bisher letzte Deutschland-GP, der ausgefallen ist, war der von 1955 in Folge der bis heute größten Motorsportkatastrophe beim 24-Stundenrennen von Le Mans mit 84 Toten.
Ansonsten boten die Rennen in Deutschland zahlreiche Storylines. Die aber an dieser Stelle aufzuführen, würde den Rahmen sprengen. Eine kleine Auswahl dieser Geschichte seien aber trotzdem noch kurz erwähnt: 1977 startete Hans Heyer im ATS Ford beim Deutschland-GP, obwohl er für das Rennen gar nicht qualifiziert war. Der Schwindel flog erst auf, als er schon längst ausgefallen war. 1982 prügelten sich Nelson Piquet und Eliseo Salazar, nachdem es beim Überrundungsmanöver zu einer Kollision kam.
Besonders emotional war auch der Premierensieg von Rubens Barrichello 2000 im Ferrari. Der Brasilianer fuhr auf Trockenreifen bei einsetzendem Regen zu einem Sieg, nachdem das Rennen sogar wegen eines demonstrierenden und auf die Strecke laufenden Mercedes-Mitarbeiters neutralisiert werden musste.