Ich hab hier mal noch was Ausführlicheres zu Berger geschrieben. Viel Spaß beim lesen:
Am 27. August 1959 beginnt die Geschichte von Gerhard Berger, mit der Geburt des Österreicher in Wörgl, Tirol. Sein Vater ist kein geringerer als Johann Berger, ein erfolgreicher Spediteur in Österreich. Das hatte 3 Folgen für die berufliche Zukunft von Berger: Zum einen übernahm er nach dem Tod Johanns (unmittelbar vor dem Deutschland GP 1997, den Berger gewinnen konnte!) dieses Unternehmen. Das war die Grundlage für den Deal mit Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz. Der Österreicher übernahm 50% des Unternehmens, stattdessen bekam Berger 50% des Red-Bull-Juniorenteams Scuderia Toro Rosso. Damit war Berger am Ziel seiner Träume: Schon lange davor hatte er Pläne, mit einem eigenen F1-Team in die Formel-1 zu kommen. Nach 3 Jahren könnte das Vergnügen aber schon beendet sein: Mateschitz will seine Hälfte des Teams verkaufen, was auch Berger dazu verleiten könnte, seine Teile zu verkaufen. Denn schon mehrmals stellte er klar: Ohne einen starken Partner wie Red Bull macht auch er nicht mehr weiter. Die anderen 2 Folgen für die Zukunft durch das Spediteurunternehmen: Durch dieses Geschäft war überhaupt erst genügend Geld in der Familie, um das teure Hobby Motorsport auch zu finanzieren. Und durch dieses Unternehmen wurde Berger überhaupt erst mit schnellen Autos in Verbindung gebracht.
Johann Berger war zunächst eher ein Stolperstein für Gerhard im Bezug zu einer Rennfahrerkarriere. Zunächst drängte Johann ihn zum Besuch einer Handelsschule. Die schmiss Berger. Johann wollte Gerhard nicht ohne einen soliden Untergrund eine Karriere als Rennfahrer starten lassen. Also machte Berger eine Lehre als Kraftfahrzeugmechaniker, im Unternehmen von Johann. Erst mit 19 Jahren debütierte Berger als Rennfahrer. Das ist ein spätes Einstiegsalter. Mit 19 Jahren sind andere Rennfahrer schon Formel-1 gefahren!
Zunächst fuhr Berger bei belanglosen Rennen wie Alfasud-Cup. Erst als er Josef Kaufmann kennen gelernt hat, schaffte Berger 1982 den Sprung in die deutsche Formel-3. Jose Kaufmann Racing, heute noch in der Formel-BMW engagiert, fuhr damals die erste Saison in der Formel-3, verfügte also wie Berger über keinerlei F3-Erfahrung. Kaufmann setzte sich auch selbst hinter das Lenkrad eines der Martini Alfa Romeo, wurde auch starker Gesamt-4. Berger sammelte 3 Podestplätze und wurde Gesamt-3. 1983 verpflichtete Dr. Helmut Marko Berger für die europäische Formel-3. Marko ist nicht nur ein ehemaliger F1-Pilot aus Österreich, sondern heute auch Red-Bull-Motorsportberater und Nachwuchsförderer und arbeitet damit auch mit Berger zusammen. Im Team von Marko ging für Berger der Knopf noch nicht auf, erst als er am Ende der Saison den berühmten Macau F3-GP für Trivellato bestritt und 3. wurde. Für das italienische Team bestritt er dann die komplette F3-Saison 1984. Mit 2 Siegen wurde er Gesamt-3. Die gute Vorstellung brachte ihn bereits 1984 in die Formel-1.
Europäische F3-Siege von Gerhard Berger
Zeltweg 1984: Gerhard Berger vor Claudio Langes (Eddie Jordan; Ralt Toyota)
Monza 1984: Gerhard Berger vor Claudio Langes (Eddie Jordan; Ralt Toyota)
Mitte der 80er Jahre fuhr Berger auch Sport- und Tourenwagen für BMW. Dieter Stappert, damals Rennleiter bei BMW, hatte einen besonderen Blick auf Berger und verschaffte ihn nicht nur F1-Cockpits, sondern auch bei Schnitzer Cockpits in geschlossenen Autos. So fuhr Berger in Zolder 1985 ein DTM-Rennen und gewann 1985 gemeinsam mit Roberto Ravaglia und Marc Surer das 24 Stundenrennen von Spa, als erster Österreich seit Dieter Quester 1973, ebenfalls in einem BMW.
Berger war 1984 in der Formel-1 auch bei Spirit Hart im Gespräch, als Ersatz für Mauro Baldi. Der heute F1-Chef Bernie Ecclestone wollte Berger unbedingt bei Spirit parken. Kein Wunder: Ecclestone war nicht unbedingt ein Berger-Fan. BMW wollte Berger aber unbedingt in der Formel-1 haben. BMW fragte also auch bei Ecclestone nach, der damals Brabham-Teamchef war. Ecclestone wollte Berger aber in keinen seiner Brabham BMW setzen.
BMW setzte ATS-F1-Teamchef Günther Schmid unter Druck. BMW wollte beim Österreich GP 1984 einen 2. ATS BMW sehen, mit Berger am Steuer. Tatsächlich kam es auch so weit. Damit gab es einen 2. F1-Berger. Bereits 1953 beim Belgien GP und 1954 beim Frankreich GP fuhr nämlich der Belgier Georges Berger mit einem privaten Simca Gordini in der F1-WM. Zischen Georges und Gerhard Berger besteht aber nicht im Entferntesten ein Verwandtschaftsverhältnis. Berger schied bei seinem Debütrennen mit einem Getriebeschaden aus. Das Getriebe war das größte Problem 1984 bei ATS. Manfred Winkelhock schied beim Italien GP sogar schon in der Einführungsrunde mit einem Schaden am Getriebe aus. In Italien war auch wieder Berger am Start. Prompt fuhr er als 6. in die Punkte, bekam aber den WM-Punkt nicht gut geschrieben. ATS meldete vor Saisonbeginn nämlich nur einen Rennwagen, somit war der 2. ATS D7, und das war jener von Berger, nicht punktberechtigt. Für die letzten 2 Rennen übernahm Berger das Cockpit von Winkelhock und war der einzige ATS-Pilot. Punkte gab es aber keine mehr.
F1-Qualiduelle von Gerhard Berger
Gerhard Berger – Manfred Winkelhock 1:1
Gerhard Berger – Teo Fabi 13:3
Gerhard Berger – Michele Alboreto 28:4
Gerhard Berger – Nigel Mansell 7:7
Gerhard Berger – Ayrton Senna 8:40
Gerhard Berger – Jean Alesi 35:42
Gerhard Berger – Nicola Larini 2:0
Gesamt: Gerhard Berger – Teamkollege 67:128
Die 4 WM-Rennen 1984 hätten schon das Ende von Bergers Rennfahrerkarriere bedeuten können. Denn im Winter war Berger in einen schweren Autounfall verwickelt und verletzte sich an den Halswirbeln. Erst eine Woche vor Saisonbeginn war er wieder genesen und wurde sensationell von Arrows verpflichtet. Hintergrund war, dass das britische Team nun mit BMW-Motoren an den Start ging. Favorit auf den Arrows-Drive war eigentlich Bergers Landsmann Jo Gartner. Für ihn war die F1-Karriere damit beendet. Die Saison verlief recht mau. Erst in den letzten beiden Rennen konnte Berger punkten, mit Platz 5 in Südafrika und Rang 6 in Australien.
1986 wechselte Berger erneut das Team und fuhr für Benetton. Dort platzte auch endlich der Knoten. Zwar war Benetton BMW B186 nicht das zuverlässigste Aggregat, aber Berger fuhr in Imola mit Platz 3 hinter Alain Prost (McLaren Porsche) und Nelson Piquet (Williams Honda) seinen ersten Podestplatz ein. Aber das war noch nicht alles: Beim Mexiko GP erlangte er sogar einen GP-Sieg – es war der erste in der Karriere von Benetton. Klammert man die Bilanz des Benetton-Vorgängerteam Toleman aus und auch die des Nachfolger-Teams Renault, so fuhr Berger für Benetton den ersten und in Deutschland 1997 den letzten Sieg in der Formel-1 ein. Auch sonst war die Vorstellung Bergers von 1986 überzeugend. Zwar fiel er oft aus, aber nur weil die Technik oft streikte. Seinen Teamkollegen Teo Fabi hatte Berger klar im Griff. Iornie des Motorsports: Mal abgesehen vom Qualifying beim Saisonauftakt in Brasilien, war Fabi nur in 2 Qualis schneller als Berger. Aber ausgerechnet bei diesen beiden Mal fuhr Fabi auf Pole Position! Eine Pole war dabei zu allen Ungunsten auch noch in Bergers Heimatland Österreich! Berger startete bei diesem Grand Prix als 2. ins Rennen, war also gar nicht mal so weit weg von der Pole Position, genauer gesagt fehlten ihm 0,194 Sekunden.
Alle 10 F1-Siege von Gerhard Berger
Mexiko GP 1986: Gerhard Berger vor Alain Prost (McLaren Porsche)
Japan GP 1987: Gerhard Berger vor Ayrton Senna (Lotus Honda)
Australien GP 1987: Gerhard Berger vor Michele Alboreto (Ferrari)
Italien GP 1988: Gerhard Berger vor Michele Alboreto (Ferrari)
Portugal GP 1989: Gerhard Berger vor Alain Prost (McLaren Honda)
Japan GP 1991: Gerhard Berger vor Ayrton Senna (McLaren Honda)
Kanada GP 1992: Gerhard Berger vor Michael Schumacher (Benetton Ford)
Australien GP 1992: Gerhard Berger vor Michael Schumacher (Benetton Ford)
Deutschland GP 1994: Gerhard Berger vor Olivier Panis (Ligier Renault)
Deutschland GP 1997: Gerhard Berger vor Michael Schumacher (Ferrari)
Die guten Leistungen Bergers machten aber Enzo Ferrari auf den Tiroler aufmerksam. Mit dem Gefühl, einen künftigen Weltmeister und damit Nachfolger von Niki Lauda gefunden zu haben, verpflichtete Ferrari Berger für die Saison 1987. Es dauerte eine Zeit lang bis sich Berger bei Ferrari zurecht fand. Dass Ferrari enorme Zuverlässigkeitsprobleme hatte, vor allem am Turbomotor, half das nicht übertrieben stark. Ab dem Ungarn GP fuhr Berger aber eine starke 2. Saisonhälfte: Kein Startplatz schlechter als Startrang 3, 3 Podestplätze (2 Ausfälle) und davon 2 Siege – und zwar die letzten beiden Saisonrennen. Am Schluss war er kaum mehr zu schlagen, wegen dem schwachen Saisonbeginn wurde es allerdings nichts Besseres als WM-Rang 5.
1988 fuhr Berger die Saison seiner Karriere. Konstant fuhr er auf den vorderen Plätzen mit, machte wenig Fehler. Der Ferrari F1-87/88C streikte immer wieder mal, aber das machte das Kraut nicht mehr fett. Denn Tatsache ist, dass die Saison 1988 von McLaren mehr als nur dominiert wurde. Keiner konnte gegen die Überlegenheit von Ayrton Senna und Alain Prost auch nur irgendwas ausrichten. Von 16 Saisonrennen gewann McLaren 15. Nur beim Italien GP siegte ein anderer Fahrer, und zwar kein geringerer als Gerhard Berger. Die Italiener sind sich sicher: Bei diesem Rennen musste Enzo Ferrari vom Himmel aus seine Finger im Spiel gehabt haben. Denn vor dem Rennen verstarb die Motorsportlegende, ausgerechnet vor dem Ferrari-Heimspiel in Italien. Ganz ohne Glück kam der GP-Sieg nicht zu Stande, denn Senna wurde beim Überrunden von Jean Louis Schlesser, der bei Williams Judd nur als Ersatzfahrer einsprang, aus dem Rennen geschossen.
Das Verwerflichste, was Berger 1988 unterlief, war ein Malheur beim Kanada GP, was wohl so nie wieder vorkommen wird. Als Berger in der Startaufstellung stand, bemerkte er plötzlich, dass er keine Ohrenstöpsel im Ohr hatte. Also riss er seine Arme in die Höhe und provozierte einen Startabbruch. Die Mechaniker werkelten am Ferrari und übergaben Berger in einem unbemerkten Zeitpunkt die Stöpsel. Am Ende wurde Berger WM-3., mit 41 Punkten. Es war die statistisch stärkste Saison von Berger, gleich mit 1994, als er ebenfalls mit 41 Punkten 3. in der F1-Weltmeisterschaft wurde.
Die Saison 1989 ist nicht die Rede wert. Viele Ausfälle, nur 3 Zielankünfte (zwei 2. Plätze, ein Sieg beim Portugal GP). Erwähnenswert ist das Jahr nur deshalb, weil Berger beim Imola GP den wohl schwersten Unfall seiner Karriere hatte. Was war geschehen? Keiner kann das so gut schildern, wie F1-Arzt Sid Watkins: „Nach 3 Runden wurde die rote Fahne gezeigt - Mario Casoni, der Fahrer meines Medical Cars, trat aufs Gas, und knapp 20 Sekunden später waren wir an der Unfallstelle. Die Feuerwehrleute hatten gerade den Brand gelöscht - von der Heftigkeit des Unfalls hatte ich also gar nichts mitbekommen. Berger saß jedoch noch im Wagen. Die Situation machte einen bedrohlichen Eindruck, weil das Gras um den Benzin spuckenden Ferrari mit Sprit getränkt war. Die Feuerwehrleute und ich hoben Berger aus dem Wagen und brachten ihn an einen sicheren Platz. Ich öffnete sein Visier und stellte die Atmung sicher. Sein Riemen war sehr stramm angezogen, so dass wir Probleme hatten, ihn durchzuschneiden. In diesem Moment kam er zu Bewusstsein und begann sich gegen unsere Hilfe zu wehren, ja er geriet regelrecht in Panik und schlug um sich!
Ich hatte in diesem Moment Angst, er würde sich losreißen und vor den Rettern flüchten. Ich setzte mich daher entschlossen auf seine Brust (wobei ich ihm dann wohl einen Brustwirbel gebrochen habe, bzw. der heftig strampelnde Berger sich diesen selbst gebrochen haben muss), 2 Feuerwehrleute hielten die Beine, was ihn kampfunfähig machte. Sein Bewusstsein kehrte langsam zurück, nach einiger Zeit erkannte er mich, war ansprechbar und gefasst. Seine Hände waren verbrannt, so dass wir die Handschuhe aufschnitten. Das Muster der Brandwunden entsprach den Nähten, an denen das Leder nicht von einer feuerabweisenden Schicht geschützt war. Sein Overall war mit Benzin getränkt, so dass wir ihn aufschnitten. In der Zwischenzeit war der Rettungswagen eingetroffen, der uns in das medizinische Zentrum brachte.
Dort wartete eine große Menschenmenge auf uns, doch die Ambulanz und mein Wagen gelangten ohne Probleme in die abgesperrte Sicherheitszone. Gerhard war nun in einer guten Verfassung, abgesehen von den rosafarbenen Flecken auf seinem ganzen Körper, die von den chemischen Löschmitteln stammten. Wir wuschen ihn daher mit einer sterilen Lösung, nachdem wir den Rest des Overalls entfernt hatten. Seine Verbrennungen an der Hand waren nicht so dramatisch, dass sie nach einer weiteren Behandlung verlangten. Bergers Teamkollege Nigel Mansell ließ sich im medizinischen Zentrum informieren. Ich sagte ihm, dass alles in Ordnung sei, worauf er am Neustart teilnahm, was ziemlich mutig (aber auch etwas leichtsinnig) von ihm war, denn die Unfallursache war keineswegs geklärt und hätte auch von einem mechanischen Defekt am Ferrari herrühren können. Berger wurde mit dem Hubschrauber ins Hospital Maggiore gebracht, wo man die gebrochene Rippe diagnostizierte - die einzige Verletzung die er bei dem Unfall erlitten hatte. Als ich ihn beim übernächsten Mal traf, entschuldigte ich mich, weil ich den Bruch mit meinem Sprung auf seinen Oberkörper verursacht hatte. In seinem Katastrophen-Englisch meinte er nur: „Schon in Ordnung, Doc“.“
1990 wechselte Berger, dessen Frau Ana eine Portugiesen ist und mit Berger 2 Kinder hat (ein weiteres stammt aus einer früheren Beziehung) zu McLaren. Damit wurde er Teamkollege von Senna. Der Brasilianer war der absolute Topfahrer der damaligen Zeit, keiner beherrschte einen F1-Boliden so präzise und gleichzeitig spektakulär wie Senna. Wegbegleiter schwärmen noch heute von den Fahrkünsten von Senna. Das machte es für Berger schwer, denn Senna war quasi fast unschlagbar. Nur wenige Teamkollege kamen Senna nahe, Berger war nicht darunter. An der Seite von Senna wurde deutlich, dass Berger zwar ein großartiger Rennfahrer war, aber das ihm auch das Gewisse Etwas zum WM-Titel fehlte. Denn er hinkte Senna klar hinterher. Berger war flott und besonders auf eine Runde schnell. Er fuhr oft die Schnellste Rennrunde und hat mehr Pole Position eingefahren als seine Landsmänner Niki Lauda und Jochen Rindt, die es in der Formel-1 zu WM-Titel gebracht haben. Der Speed brachte Berger auch tolle Startpositionen ein: Kein Österreicher hat eine bessere durchschnittliche Startposition, wie Berger, nämlich 6,329. Rindt kommt immerhin auf 6,433 – bei Lauda ist es 8,349. Oftmals fehlte es Berger aber an der Konstanz, und im Rennen auch das gewisse Etwas, was Weltmeister eben besitzen. Berger fuhr in den absoluten Topteams der Szene und war auch jahrelang bei den Topfahrern dabei, aber nie war er ein ernsthafter Titelanwärter. Das wäre anders gewesen, meinen viele, wenn er 1996 zu Williams statt zu Benetton gegangen wäre. Nur: Bei Williams wäre er neben Jacques Villeneuve gefahren, der bereits Damon Hill das Leben zur Hölle machte. Nicht dass Hill besser war als Berger, aber Hill kannte sich bei Williams aus, das war ein Vorteil und ist heutzutage ein noch größerer Vorteil. Ein WM-Titel von Berger im Williams wäre nicht ausgeschlossen gewesen, aber man darf nicht davon ausgehen.
Obwohl Berger Senna, der charakterlich schwierig war, deutlich hinterher hinkte, waren Berger und Senna sehr gut miteinander befreundet. Die Scherze und Streiche, die Berger für Senna übrig hatte, sind legendär und zeugen von der starken Persönlichkeit Bergers. Viele sprechen von Berger als den letzten Charakterkopf der Formel-1. Er setzte das Zimmer Sennas mit einem Feuerlöscher unter Wasser beziehungsweise Schaum, oder voller Frösche. Nachts, vor einem Renntag! Das kann sich heute keiner mehr vorstellen. GP-Beobachter sind trotzdem überzeugt: Auch heute haben die F1-Fahrer noch Charakter, allerdings nur so weit, wie das Mediengefasel das zulässt. Keiner wird doch glauben, dass der coole Eismann Kimi Räikkönen denselben Charakter hat, wie beispielsweise der Südländer Fernando Alonso, der eher als arrogant gilt. Oder: Keiner jubelt heute so emotionsgeladen und temperamentvoll wie Felipe Massa.
Das gute Verhältnis von Senna und Berger ging auch nach der gemeinsamen Zeit bei McLaren weiter. Deshalb war das Rennwochenende in Imola 1994 für Berger ganz schlimm. Es war Berger, der den berühmtesten Satz im Zusammenhang mit dem Unfalltod von Senna schrieb: „Es war, als ob die Sonne vom Himmel viel.“ Als Jahre nach dem Tod von Senna dessen Neffe Bruno eine Rennsportkarriere begann, fühlte sich Berger dazu verpflichtet, als Förderer von Bruno Senna einzuspringen. Noch heute wirft Berger ein Auge auf Senna, der aktuell in der GP2 für iSport International an den Start geht und als derzeit Gesamt-2. bald den Sprung in die Formel-1 schaffen könnte. Zählt man 1 und 1 zusammen dürfte es klar sein, dass Berger als Teilhaber der Scuderia Toro Rosso Senna bald einen Test anbieten könnte, vielleicht sogar ein Cockpit für 2009, wenn Sebastian Vettel zu Red Bull wechselt. Das Problem: Seit Red Bull angekündigt hat, seine Anteile am Toro-Rosso-Team zu verkaufen, weiß keiner im Team, wie es weiter geht. Und Berger weiß noch nicht, ob er an Bord bleibt.
Berger und Senna, das war ein besonderes Verhältnis. Noch viel länger als mit Senna fuhr Berger mit Jean Alesi zusammen. Die beiden waren von 1993 bis 1997 Teamkollegen, sowohl bei Ferrari, als auch bei Benetton. Beide bestritten nicht weniger als 79 GP-Rennen als Teamkollegen. Zuvor fuhren Nigel Mansell und Elio de Angelis bei Lotus zusammen bei 59 GP von 1980 bis 1984, Jackie Stewart und Francois Cevert fuhren von 1970 bis 1973 bei Tyrrell 45 GP-Rennen zusammen. Rudolf Caracciola und Manfred von Brauchitsch fuhren bei Mercedes Benz in den 30er Jahren 44 GP als Teamkollegen, Luigi Villoresi und Alberto Ascari auch GP-Rennen außerhalb der WM und vor 1950 mit eingerechnet für Maserati, Ferrari und Lancia mehr als 100 Rennen! Niki Lauda und Clay Regazzoni kamen bei BRM und Ferrari zusammen auf 58 WM-Rennen. Das ist nicht ohne und wurde später nur durch die Fahrerpaarung Mika Häkkinen – David Coulthard (1996-2001 bei McLaren Mercedes 98 GP) und Michael Schumacher – Rubens Barrichello (2000-2005 bei Ferrari 104 GP). Was im Teamduell Alesi gegen Berger aber besonders war: Beide fuhren auf gleichem Niveau. Alesi hatte seine Stärken eher im Qualifying (gewann das Duell mit 42:35. Dabei war das Duell 1993 und 1994 ausgeglichen, 1995 siegte Berger deutlich, 1996 Alesi. 1997 gab es mit 7:7 ein Unentschieden), Berger im Rennen. Auch so führten unterschiedliche Herangehensweisen zum selben Erfolg, auch wenn Berger etwas erfolgreicher war. Berger war der, der das Auto weiterentwickelte. Das war ein Vorteil für Berger, denn er konnte so sein Auto so abstimmen, wie er es wollte. Die Autos von Ferrari und Benetton damals waren quasi auf Berger zugeschnitten. Das lag auch daran, dass Alesi, vom Speed her der schnellere Fahrer, sich kaum mit der Weiterentwicklung des Rennwagens beschäftigte. Dafür holte der Franzose mit italienischen Wurzeln auch aus der langsamsten Gurke noch alles heraus. Für Alesi war es also nicht so schlimm, dass die Techniker mehr Bergers Wünsche erfüllten. Klar, wenn Alesi selbst kaum Anregungen mit einbringt, ist das anders auch nicht möglich. Ansonsten hatten die beiden aber auch Spaß miteinander. Einmal fuhren die beiden bei Testfahrten sogar im Auto von Ferrari-Rennleiter Jean Todt. Dabei überschlugen sie sich, wodurch Todt natürlich mächtig sauer wurde. Nicht nur wegen des Wagens, sondern weil Alesi ins Krankenhaus musste und sich wenige Wochen vor Saisonbeginn fast selbst lahm legte.
Zur Saison 1990 muss nicht viel gesagt werden: Berger spielte die 2. Geige hinter Senna, sammelte Podestplatz um Podestplatz und Punkte für Punkte. Nur keinen Sieg konnte Berger verbuchen. Danach sah es auch eine ganze Weile 1991 aus. Also ließ Senna beim Japan GP Berger den Vortritt. Er schenkte ihm so zu sagen den Sieg. Berger wusste das nicht zu schätzen: Denn damit war jedem klar, dass Berger nur der Wasserträger ist, er empfand das als Bloßstellung. Zu einem Streit der beiden kam es trotzdem nicht. 1992 gab es für Berger 2 Siege aus eigener Kraft. Größere Highlights blieben aus und Berger wandte McLaren, wo er Gerüchten zu Folge noch Chancen hatte, 1998 den Platz von David Coulthard zu übernehmen, den Rücken zu und wechselte zurück zu Ferrari.
Berger kam aber zu Ferrari, als es mit dem Traditionsrennstall gleich so richtig bergab ging. Viele Ausfälle und leistungsmäßig längst nicht mehr auf dem Stand von Williams oder später auch Benetton. Ein 3. Platz beim Ungarn GP blieb das beste Resultat für Berger. Dafür sorgte er immer wieder mit spektakulären Unfällen für Aufsehen, etwa beim Brasilien GP. Damals geriet er am Start mit Michael Andretti zusammen, der heute ebenfalls Teambesitzer ist, allerdings in der IndyCar, der amerikanischen Formel-1 wenn man so will (Andretti Green Racing). Der McLaren Ford von Andretti kletterte dabei über den Ferrari von Berger. Beide blieben unverletzt.
Unspektakulär war die Saison 1994. Mit konstant guten Ergebnissen und einem Sieg beim Deutschland GP wurde er hinter Michael Schumacher und Damon Hill Gesamt-3. Auch 1995 war das ähnlich. Für Aufsehen sorgte er allerdings beim Italien GP. Damals waren beide Ferrari-Fahrer in einem der peinlichsten Ausfälle der F1-Geschichte verwickelt. Am Ferrari 412T von Alesi löste sich nämlich die Helmkamera und traf den Ferrari von Berger. Beide waren aus dem Rennen! Den Saisonauftakt in Brasilien hätte Berger beinahe gewonnen. Er kam als 3. ins Ziel. Michael Schumacher (Benetton Renault) und David Coulthard (Williams Renault) vor ihm wurden aber wegen eines falschen Benzins nach dem Rennen disqualifiziert. Erst vor Gericht bekamen die beiden den Sieg bzw. den 2. Platz wieder zugesprochen. 1995 war jenes Jahr, in dem er die 80 GP-Rennen, die Michele Alboreto für Ferrari bestritt, übertraf. Damit war er jetzt der Fahrer, der die meisten F1-Rennen in der WM für Ferrari fuhr. Mittlerweile hält diesen Rekord mit Abstand Michael Schumacher.
Am Ende der Saison verhandelte er intensiv mit Williams. Williams wollte Berger für Hill haben, weil Hill Williams zu teuer war. Williams kam aber nicht aus dem Vertrag mit Hill, wollte aber unbedingt Jacques Villeneuve (angeblich auch auf Drängen von F1-Chef Bernie Ecclestone, der unbedingt den IndyCar- und Indy500-Sieger in der Formel-1 haben wollte) holen und Berger entschied sich wegen dem höheren Gehalt bei Benetton gegen einen Wechsel zu Williams. Eine Vertragsverlängerung mit Ferrari war auch nicht ausgeschlossen. Nach dem Monaco GP bot Ferrari Berger sogar einen Vertrag für 1996 an. Berger wollte aber noch abwarten, was sich als Fehler herausstellte. Hätte Berger übrigens bei Ferrari verlängert, wäre Michael Schumacher nicht zu Ferrari gegangen! Berger wollte nämlich nie mit Schumacher in einem Team fahren, „weil ich nicht die Nummer-2-Rolle spielen wollte.“ Außerdem gab es zwischen Schumacher und Berger Differenzen. Es kam sogar zu Beschimpfungen. Berger hatte für 1996 auch Gespräche mit McLaren Mercedes und dessen Teamchef Ron Dennis. Bei Benetton wurde Berger Fahrer wie Johnny Herbert, Rubens Barrichello und Heinz-Harald Frentzen vorgezogen, die alle mit Benetton verhandelten.
Er ging also zu Benetton und war dort erst einmal richtig geschockt vom Rennwagen. Der Benetton Renault war sehr nervös. Berger zeigte sich nach den ersten Testfahrten über das Auto und über die Fahrkünste von Michael Schumacher, der für Berger zu Ferrari kam, verwundert: „Wie Schumacher damit Weltmeister werden konnte, ist mit ein Rätsel.“ Weltmeister konnte Berger damit nicht werden. Der Benetton Renault B196 war aber auch nicht mehr so stark wie jener der Jahre davor. Schumacher nahm nämlich auch führende Techniker und Strategen wie Ross Brawn oder Rory Byrne von Benetton mit zu Ferrari. Das schwächte das Benetton-Team um Flavio Briatore enorm. Es waren noch regelmäßig Punkte und Podestplätze möglich, aber ein Weltmeisterteam hat andere Ansprüche.
1997 fuhr Berger noch mal eine großartige Saison, obwohl er gesundheitlich angeschlagen war. Wegen einer Kieferhöhlenentzündung musste Berger sogar für mehrere Rennen ersetzt werden. Benetton saß für Berger Landsmann Alexander Wurz ins Cockpit, der heute Testfahrer bei Honda ist. Wurz überzeugte Benetton und ergatterte sich einen Stammvertrag für 1998. Das war das Anfang vom Ende von Berger. Auch in anderen Teams fand er keinen Platz mehr. Berger gewann 1997 aber noch mal ein Rennen, nämlich den Deutschland GP, und das nur wenige Tage nach dem Tod seines Vaters. Das hat viele beeindruckt. Die Strecke in Hockenheim lag Berger aber auch wie dem Briten das Teetrinken. Böse Zungen behaupten, er kam in Hockenheim deshalb so gut zu Recht, weil es viel gerade aus geht in Hockenheim. Auch 1996 führte er das Rennen bis zum Motorschaden an.
F1-WM-Statistik: Gerhard Berger
3681 Führungskilometer (Rang 19 in der ewigen Bestenliste)
385 WM-Punkte (Rang 12)
210 Rennen (Rang 5)
48 Podestplätze (Rang 12)
32 Starts aus der ersten Startreihe (Rang 13)
33 angeführte Rennen
21 Schnellste Rennrunden (Rang 10)
12 Pole Positions (Rang 26)
10 Siege (Rang 24)
4-mal knapp außerhalb der Punkteränge (Rang 57)
2 Tripples (Rang 18)
Durchschnittliche Startposition: 6,329 (Rang 25)
Pole Position Quote: 5,714 (Rang 49)
Siegquote: 4,762% (Rang 56)
Durchschnittlicher Rückstand auf Pole Position: 2,162% (Rang 57)
Ausfallquote: 40,952% (Rang 142)
GP für Teams
1. Ferrari (1987-’89/’93-’95): 96 GP
2. McLaren (1990-’92): 48 GP
3. Benetton (1986/’96/’97): 46 GP
4. Arrows (1985): 16 GP
5. ATS (1984): 4 GP
Mit 48 Podestplätzen war Berger eine Zeit lang der Fahrer, mit den meisten Podestplätzen ohne WM-Titel. Mittlerweile wurde er von David Coulthard (62) und Rubens Barrichello (61) überholt. 210 F1-WM Rennen – so viele F1-Rennen fuhr kein Österreicher in der Formel-1. Hinter Rubens Barrichello, Riccardo Patrese, Michael Schumacher und David Coulthard liegt er damit sogar auf Platz 5 der ewigen Bestenliste. Als er Ende 1997 aufhörte war er sogar 2.
Österreicher mit den meisten F1-WM-Rennen
1. Gerhard Berger (210): Österreich 1984 – Europa 1997
2. Niki Lauda (170): Österreich 1971 – Australien 1985
3. Alexander Wurz (69): Kanada 1997 – China 2007
4. Jochen Rindt (60): Österreich 1964 – Österreich 1970
5. Christian Klien (47): Australien 2004 – Italien 2006
6. Karl Wendlinger (41): Japan 1991 – Australien 1995
7. Harald Ertl (18): Deutschland 1975 – Österreich 1978
8. Hans Binder (13): Österreich 1976 – Japan 1977
9. Patrick Friedacher (11): Australien 2005 – Großbritannien 2005
10. Helmut Marko (9): Österreich 1971 – Frankreich 1972
Berger fand schnell nach dem Ende seiner Rennfahrerkarriere wieder einen Job (obwohl er immer wieder Demorunden fuhr danach, etwa am Rande des Imola GP 2004 in einem Lotus, mit dem Ayrton Senna in den 80er Jahren F1 gefahren ist). Als Motorsportchef von BMW, dem ehemaligen Förderer. Zuvor wurde er auch mit Ferrari in Verbindung gebracht. Gemeinsam mit dem heutigen BMW-Motorsportchef Dr. Mario Theissen, leitete Berger für BMW zunächst das Programm für das 24 Stundenrennen von Le Mans. Prompt gewann BMW 1999 mit den ehemaligen F1-Fahrern Pierluigi Martini, Yannick Dalmas und Joachim Winkelhock das berühmteste Sportwagenrennen der Welt. Bereits damals arbeitet BMW mit dem F1-Team Williams zusammen. Williams bereitete den BMW V12 LMR, dessen Motor auf der Basis des Motors im McLaren-Sportwagen beim Le-Mans-Triumph 1995 beruhte, damals für das Le-Mans-Rennen vor. Die Zusammenarbeit fruchtete dann auch in der Formel-1. 2000 wurde BMW Motorenhersteller für Williams. Williams befand sich 1998 und 1999 in einem Formtief. Mit BMW ging es bergauf. Schon 2001 konnte man mit Ralf Schumacher und Juan Pablo Montoya am Steuer mehrere F1-Rennen gewinnen. 2003 wurde Montoya zum ernsthaften WM-Kandidaten. AB 2004 ging es dann bergab. Berger übergab seinen Posten an Theissen.
Nach der Arbeit bei BMW wollte Berger ein eigenes F1-Team gründen. Das konnte er aber nie eigenständig auf die Beine stellen. Erst 2006 stieg er als Teilhaber bei der Scuderia Toro Rosso ein. Das Team war das Nachfolgerteam von Minardi. Während Minardi das Schlusslicht des Fahrerfeldes war, konnte Toro Rosso immer mehr ins Mittelfeld vorrücken. Allerdings schrieb das Team auch Negativschlagzeilen. Erst durch die V10-Motoren, dann durch die Kundenautos. Der Hintergrund der V10-Motor-Geschichte: Für die Saison 2006 rüstete die Formel-1 auf V8-Motoren um, das war Minardi-Besitzer Paul Stoddart zu teuer. Durch Bitten und Betteln brachte er die Teams dazu, Minardi weiter die V10-Motoren verwenden zu lassen, die natürlich gedrosselt wurden. Weil Minardi das Team aber an Red Bull und Berger verkaufte, lehnten sich die Konkurrenzteams auf. Toro Rosso übernahm den Minardi-Vertrag, der den Gebrauch der V10-Aggregate gestattete. Die anderen Teams argumentierten, dass die Ausnahmeregelung nur für Minardi, nicht aber für Toro Rosso gelte. Letztlich wechselte Toro Rosso 2007 die Marke und fuhr mit Ferrari-Motoren. Damit war das Thema erledigt. Der Kontakt zu Ferrari kam durch Red Bull zu Stande (2006 mit Ferrari) und durch Berger, der jahrelang für Ferrari unterwegs war.
Der Kundenautostreit ist komplexer. Das Reglement besagt, dass F1-Teams ihre Rennautos nicht an andere Teams verkaufen dürfen. Das gilt nicht für Hersteller, die kein eigenes Team haben. Lola, Dallara, Panoz oder Reynard dürften jederzeit Chassis an F1-Teams liefern, auch an mehrere. Red Bull wollte ihre F1-Renner sowohl bei Red Bull Racing, als auch bei der Scuderia Toro Rosso einsetzen. Also gründete Red Bull eine neue Firma, die sich Red Bull Technology nannte. Diese Firma lieferte die Chassis an Red Bull und Toro Rosso. Dagegen lehnte sich Spyker beziehungsweise Force India auf. Das alles warf auf Toro Rosso ein schlechtes Licht. Sportlich ging es aufwärts. Immer wieder heimste man Punkte ein. Beim China GP 2007 schrammte Sebastian Vettel als 4. nur knapp am Podest vorbei. Ob Berger noch lange bei Toro Rosso bleibt, ist unklar. Red Bull will die Anteile verkaufen, findet sich kein starker Partner, wird auch Berger Servus sagen.