Es hat zwar etwas (na ja, immerhin 5 Monate) gedauert, aber neulich konnte ich mal zusammentragen was ich über diese beiden Rennen auf der sogenannten "kleinen Avus" in meinem Archiv gefunden habe. Ist sicherlich ganz interessant für den einen oder anderen. Hier eine kurze Zusammenfassung meiner Unterlagen - und einige Bilder sind - wie üblich - natürlich auch wieder dabei:
1948
Bereits im April hatten die Sowjets begonnen, den Zugang zu den Berliner Westsektoren zu behindern. Nach den Querelen um die Einführung neuer Währungen in der Ostzone und Berlin durch die sowjetische Besatzungsmacht einerseits und in den Westsektoren Berlins durch die Westmächte andererseits unterbrach die sowjetische Militäradministration in der Nacht zum 24. Juni 1948 die Stromversorgung West-Berlins und riegelte den gesamten Zugang von den Westzonen nach West-Berlin ab. Damit begann die Blockade, und West-Berlin ging schweren Zeiten entgegen. Während die Währungsreform in den Westzonen am 20. Juni 1948 schlagartig zu einer Verbesserung der Versorgungslage führte, wurde West-Berlin in seiner Entwicklung zurückgeworfen und mußte durch die westlichen Alliierten aus der Luft versorgt werden.
Das Programmheft vom 11. Juli 1948
Kaum zu glauben, dass dennoch im Juli 1948 Motorsport im Westteil Berlins möglich war! Zwar hatten die Berliner Behörden ihre Zustimmung mit der Begründung verweigert, es handele sich um Wehrsport. Doch die US-Militärregierung setzte sich darüber hinweg und erteilte dem Motor-Sport-Club Berlin eine "special licence" zur Durchführung des Ersten interzonalen Straßen-Motorrad- und Autorennens Berlin. Die Ursprungsidee hierzu lieferte der Vertreter der Berliner Künstlerhilfe für entlassene Kriegsgefangene, Pitt Seeger. Wenn auch der MSC den sportlichen Teil übernahm, lag die Gesamtverantwortung für die Organisation in den Händen Seegers. Somit diente diese Veranstaltung wiederum karitativen Zwecken, wodurch es gelang, Merle Potter, den Gründer des Schornsteinfeger-Clubs, einer Heimkehrerhilfe des Verlages Der Tagesspiegel, als Schirmherrn zu gewinnen. Zusammen bemühte man sich um ein Terrain, auf dem an die alte Avus-Tradition angeknüpft werden konnte. Die Avus selbst stand wegen ihrer Kriegsschäden noch nicht zur Verfügung.
Am 11. Juli 1948 umsäumten ca. 150.000 Besucher den 6,3 Kilometer langen Rundkurs, bestehend aus zwei langen, gekrümmten Geraden und zwei Haarnadelkurven. Es handelte sich um die Potsdamer Chaussee zwischen Bahnüberführung Wannsee und Kurstraße im Bezirk Zehlendorf, eine Ausfallstraße nach Süden mit zwei Richtungsfahrbahnen und einem breiten Mittelstreifen.
So sah der Kurs aus - nicht besonders einfallsreich - aber immerhin ein Anfang. Zwar hatte es vorher schon einige Motorradrennen in Berlin gegeben, aber das müßte meiner Info nach das erste Rennen gewesen sein an dem auch Automobile teilnahmen.
Bilder vom Rennen gibts leider nicht allzuviele - und ich hatte Mühe welche zu finden. Das Bild zeit die Wannseekurve - ich vermag allerdings nicht zu sagen wer den 328er BMW bewegt.
Bis dicht an die Bordsteine der "Kleinen Avus", so der Volksmund, drängten sich die Menschenmassen. Den Veranstaltern lagen in den sieben ausgeschriebenen Klassen Nennungen von über 100 Motorradrennfahrern aus dem Raum Berlin und Ostdeutschland vor. Grundlage hierfür bildeten die Bestimmungen der FICM. Leider blieben Teilnehmer aus den Westzonen den Rennen angesichts der Blockade fern, darunter auch der frühere Avus-Sieger Heiner Fleischmann, dessen Auftritt man mit Spannung erwartet hatte. Dies tat dem sportlichen Erfolg jedoch keinen Abbruch, obwohl einige Fahrzeuge die Lachmuskeln des Publikums doch arg strapaziert haben sollen. Schnellster der Zweiradfahrer war schließlich der Dessauer Ausweisfahrer Alex Stamm, der mit seiner BMW einen Rundenschnitt von 123,6 km/h vorlegte. Eine überlegene Fahrt zeigte auch Sandbahn-Ass Artur Flemming (NSU) in der Viertelliter-Klasse, ehe ihn, weit in Führung liegend, kurz vor Rennende ein Reifenschaden aus dem Wettbewerb warf. Da ging sein Sandbahnkonkurrent Erich Bertram schon erfolgreicher zu Werke. Er gewann auf seiner 350er Velocette die Klasse und bewies damit ebenfalls, dass er auch auf Asphalt nicht zu unterschätzen war.
Der einarmige(!) Berliner Hans-Jürgen Bud-Monheim mit seinem BMW 328 auf der Potsdamer Chaussee 1948. Auffällig, wie schon beim anderen Bild, ist das Fehlen einer Startnummer.
Zum Abschluss des Renntages liess Rennleiter Dr. Lindner noch die elf Teilnehmer des Sportwagen-Laufs auf die Piste, darunter Ado Brudes (BMW) und der Motorradrennfahrer Bernhard Petruschke auf einer Entwicklung des Berliner Ingenieurs Klaus Wahlsdorf. Das auf VW-Basis entstandene Fahrzeug trug den Namen FWB Type Nachwuchs (Feinmechanische Werkstätten Berlin). Hier waren die Positionen schnell verteilt, und nach fünf Runden standen der Berliner Franz Bumke (MG Midget) sowie H. Klaus (BMW) als Klassensieger fest. Außer Konkurrenz mit dabei: Arthur Rosenhammer (Dessau) auf seinem neuen ARO-Kleinstrennwagen. Die Veranstaltung des MSC fand ringsum ein positives Echo und setzte ein Zeichen für den Motorsport in Berlin. Ebenso wie die eine Woche später auf der Trabrennbahn Mariendorf angesetzte Berliner Motorrad-Sandbahnmeisterschaft.
1949
Nach der erfolgreichen Veranstaltung auf der "Kleinen Avus" ein Jahr zuvor beabsichtigte man am 15. Mai 1949 eine Wiederholung dieses Rennens. Die Vorbereitungen des Organisationsausschusses, den der MSC gebildet hatte, liefen noch während der Blockade West-Berlins an. Auf Beschluss der Obersten Motorsport-Kommission wurde der Termin dann aber um zwei Wochen verschoben. Als erster Veranstalter Berlins überhaupt hatte der MSC für sein Zweites interzonales Straßen-Motorrad- und Wagenrennen in Berlin eine Genehmigung der für die Westzonen zuständigen Motorsportbehörde eingeholt. Ohne dass man es vorher wusste, rückte das Rennen damit auf einen Termin, zu dem die Blockade bereits der Vergangenheit angehörte. Nun war auch der Start westdeutscher Teilnehmer in West-Berlin kurzfristig möglich geworden, was die Organisatoren beflügelte, sofort entsprechende Kontakte zu knüpfen.
Das Programmheft vom 29. Mai 1949
Schließlich lagen mehr als 200 Nennungen aus ganz Deutschland vor, darunter die bekannter Motorradrennfahrer wie Siegfried Wünsche, Walfried Winkler, Karl Rührschneck oder Rudolf Knees. Auch für die drei vorgesehenen Sportwagen-Klassen hatten zahlreiche Piloten ihre Startzusage gegeben, so dass man volle Starterfelder melden konnte. Ein Erfolg schien programmiert. Doch die Rennveranstaltung sollte für den MSC eine schicksalshafte Wende einleiten, denn der Organisationsausschuss nahm auf die finanziellen Risiken, die eine Veranstaltung dieses Umfanges in sich barg, wenig Rücksicht. Leichtfertigkeit bestimmte das Handeln. Bereits freitags begannen die Teilnehmer, auf der Potsdamer Chaussee zu trainieren. Zwei Tage später, am Mittag des 29. Mai 1949, gab Rennleiter Dr. Lindner den ersten Lauf frei. Anschließend lief organisatorisch alles wie geplant - vorbildlich ab. Sowohl Ausweis- als auch Lizenzfahrer lieferten sich in den zehn angesetzten Rennen spannende Kämpfe. Saugmotor-Maschinen erhielten jeweils eine getrennte Wertung. Die beiden Geraden der "Kleinen Avus" stellten die Technik allerdings auf eine harte Probe. Die Anzahl der Ausfälle war beträchtlich, und selbst Spitzenfahrer wie Winkler und Wünsche (beide DKW) blieben nicht verschont. In der Seitenwagen-Klasse bis 600 ccm überstand gar nur ein Gespann, der Eigenbau von Ziemer/Wels (Neuwied), das Rennen. Die Materialversorgung war noch immer unzureichend. Einen sportlichen Schlagabtausch mit ihren Halbfiter-Maschinen lieferten sich Karl Rührschneck (Norton), Erich Wünsche (Norton), Kurt Ulrich (BMW) und der Berliner Werner Milczynski (MM Spezial). Der erste Preis ging nach acht Runden an den Hannoveraner Ulrich. Erst Hoske, Hameln, drehte in dieser Klasse die schnellste Runde des Tages mit 140,3 km/h, ehe auch seine BMW streikte. Eine bravouröse Leistung bot Rudolf Knees (DKW) als Sieger bei den 350er Maschinen. An seine fahrerischen Qualitäten reichte in diesem Lauf niemand heran.
Das Wagenrennen, als krönender Abschluss vorgesehen, konnte dagegen wiederum die Erwartungen nicht erfüllen. Einige der Eigenbauten und Vorkriegsmodelle hatten schon die Trainingsfahrten nicht ungeschoren überstanden. Andere wie der neue in Eisenach auf BMW-Basis entwickelte S1 waren erst gar nicht erschienen. Daher wurden die neun übrig gebliebenen Starter verschiedener Klassen in einem Rennlauf zusammengefasst. Nach dem Fallen der Startflagge setzte sich Emil Vorster mit seinem windschlüpfrigen 1,1 Liter AFM-Sportwagen in vorderste Position. Über die gesamte Distanz hinweg gelang es ihm, den Spitzmüller-BMW von Roland Mall in Schach zu halten und schließlich zu siegen. Eine eindrucksvolle Leistung des Mannes aus Rheydt, denn der Wagen Malls verfügte über eine Zweiliter-Maschine. Mit Respekt-Abstand folgte auf Platz 3 Huschke von Hanstein, der einen VW-Eigenbau des Deutschen Meisters Petermax Müller fuhr. Die Berliner Teilnehmer enttäuschten diesmal. Lokalmatador Franz Bumke, im Vorjahr noch erfolgreich, fiel mit seiner Eigenkonstruktion frühzeitig aus.
Emil Vorster (AFM-Eigenbau) beim zweiten interzonales Straßen-Motorrad- und Wagenrennen in Berlin 1949
Roland Mall mit einem Spitzmüller-BMW auf der Postdamer Chaussee 1949. Ich habe auch noch ein paar Bilder von den Motorradrennen 1948 und 1949 gefunden, aber die dürften für Euch ja nicht interessant sein, oder? Ansonsten kann ich sie ja bei Gelegenheit ja mal noch einstellen.
Zunächst war der MSC mit dem Verlauf der Veranstaltung vollauf zufrieden. Aber nachher gab es ein böses Erwachen, und schnell verflog jegliche Euphorie. Aufgrund eines Eisenbahner-Streiks hatten nur ca. 80.000 Zuschauer die Strecke erreicht, und das waren wesentlich weniger als erwartet. Als man Bilanz zog, stellte sich ein erhebliches Defizit heraus. Offenbar war es auch zu Unterschlagungen durch Mitarbeiter eines beauftragten Wach- und Schließunternehmens gekommen. Die Folge davon war: zahlreiche Lieferantenrechnungen konnten nun nicht mehr beglichen werden. Ein für den Juli geplantes weiteres Rennen (Üchtel hat es auch in seinem ersten Post erwähnt, siehe oben) für Nachwuchsfahrer auf der Potsdamer Chaussee mußte daraufhin sofort gestrichen werden.
Der Organisationsausschuss des MSC hatte sich blauäugig auf die mündliche Zusage des Autohändlers Friedrich Wilhelm Weber verlassen, für einen möglichen Verlust aufkommen zu wollen. Doch der war offenbar selbst in finanziellen Schwierigkeiten und konnte sein Versprechen nur noch teilweise einhalten. Die mit Weber getroffenen Vereinbarungen stellten sich als so widersprüchlich heraus, dass sie sich nachträglich auch vor Gericht nicht mehr aufhellen ließen. Es kam, was kommen mußte. Der MSC blieb auf Verbindlichkeiten von mehr als 40.000,- DM sitzen, eine unter den damaligen Verhältnissen enorme Summe. Das ehrenamtlich tätige Präsidium stand daher vor der Entscheidung, den Verein wegen Zahlungsunfähigkeit entweder aufzulösen oder nach Möglichkeiten zu suchen, die Gläubiger zum Stillhalten zu bewegen. Nach harten Verhandlungen erreichte man ein Moratorium. Der Schuldenberg sollte aus den Erträgen zukünftiger Veranstaltungen abgetragen werden.
So, ich hoffe das war einigermaßen unterhaltsam für Euch.