Frank Dernie (und Martin Donnelly)

Nach mehr als 30 Jahren hört Frank Dernie mit dem GP Sport auf; zuletzt arbeitete er bei Williams, aber bei welchen Teams war er davor schon tätig und gibt es ein paar nette Geschichten und Erfinungen von/Über ihn?

Frank Dernie
geb.3.4.1950

1976-1978 : Hesketh
1979-1988 : Williams
1989-1990 : Lotus
1991-1992 : Ligier
1993 : Benetton
1994-1995 : Ligier
1996 : Arrows
1997-2002 : Lola
2003- : Williams

Wundert mich dass es hier kaum Reaktionen gab. Dernie galt (nach seiner brillanten Zeit als Assistent von Head bei Williams) als ein kommender Mann. Er hat sich aber dann in seiner Zeit bei Lotus seinen Ruf nachhaltig kaputt gemacht (vielleicht ein Fall für unseren Spezialisten LotusFan)...

1989 geht noch einigermaßen. Doch das Jahr 1990 (mit den vielen Unfällen) nagt an seinem Ruf.

Mit Lotus geht's rasend bergab. Das Team hat sich bereits damit abgefunden, nur Mitläufer zu sein. Der Mythos Colin Chapmans reißt keinen mehr vom Hocker. Und für Lotus zu fahren, ist keine Ehre mehr, sondern ein Handikap. Die Saison verläuft katastrophal. Derek Warwick fährt mit Mühe 3 Punkte heraus. Schon zur Saisonmitte ist klar: Hauptsponsor Camel geht. Der Zigarettenhersteller plaziert seinen Schriftzug in Zukunft lieber bei Benetton (und Williams). Und Motorenlieferant Lamborghini gibt Lotus nach einem Jahr Vertragsdauer den Laufpaß.

Die beiden Lotus-Piloten werden unter Wert geschlagen, die Dernie-Konstruktions namens Lotus 102 höchstens ein Mittelklasseauto ist. Die Fahrer vermuten, dass sich das Monocoque oder die Aufhängungen verwinden. Frank Dernie will davon nichts wissen - und schiebt es aufs mangehafte Budget.

Zu Saisonbeginn werden Warwick und Donnelly durch Aufhängungsbrüche beunruhigt. Die Anlenkpunkte der Hinterachse am Getriebe erweisen sich als zu schwach. Später findet man heraus, daß sich Frank Dernies Team mit dem Kalkulationsprogramm für die Aufhängungsstatik vertan hat.

Der Lotus 102 ist wie sein Vorgänger ein Auto an den Grenzen des Reglements. Typisch Frank Dernie, der im letzten Jahr für Nelson Piquet einen Maßanzug schneiderte. Warwick und Donnelly sind jedoch größer als Piquet. Wenn man den beiden zuschaut, wie sie in dem engen Lotus-Cockpit Schwerstarbeit verrichten müssen, tun einem selbst alle Knochen weh.

Ab Spa erschüttert Lotus auch noch eine unheimliche Unfallserie. In Belgien verliert Donnelly das rechte Hinterrad. Warwick überschlägt sich in Monza in der Startrunde ausgangs der Parabolica mit 220 km/h mitten im Pulk. Doch Warwick steigt unerschrocken ins Ersatzauto. An den Unfall kann ich mich noch gut erinnern - einer der spektakulärsten Momente der '90er Saison.

Donnelly baut drei Wochen später in Jerez den schlimmsten Unfall, den je ein F1-Fahrer überlebte. Der Lotus bohrt sich in einer der schnellen Rechtskurven hinter dem Fahrerlager fast frontal in die Leitplanken. Die Zerstörungen an dem Lotus sind unvorstellbar. Zwei Drittel des Autos lösen sich in einer gelben Wolke aus kleinen Kohlefaserpartikeln auf. Übrig bleiben nur der Tank, der Motor, die Heckverkleidung und der Fußraum, an dem noch die rechte Vorderradaufhängung hängt. Das Heck des Lotus kommt weit vom Aufprallort entfernt zum Stehen. Ein Beweis dafür, dass der Großteil der Energie beim Einschlag vernichtet wurde. Donnelly liegt weitere 20 Meter entfernt unnatürlich verkrümmt auf der Straße. Er wurde, als der Rennwagentorso rückwärts raste, zusammen mit der Cockpit-Rückwand und dem Sitz aus dem Auto geschleudert (die Schilderung würde auch in den Unfall-Thread passen - ich glaube wir hatten's auch schon mal von dem Donnelly-Unfall - auch Sid Watkins schildert den Unfall in seinem Buch ausführlich).

Die Tatsache, daß sich der vordere Teil des Lotus in Staub verwandelt, rettet ihm das Leben.

Donnelly kommt mit schweren Verletzungen davon: Sein linkes Bein ist mehrfach gebrochen, auch der rechte Fuß ist entzwei. Dazu addieren sich angeknackste Rippen, ein gebrochenes Schulterblatt, ein Schlüsselbeinbruch, ein Jochbeinbruch, eine Lungenquetschung, eine schwere Gehirnerschütterung. Die ersten vier Wochen sind kritisch. Donnelly wird in einen künstlichen Tiefschlaf versetzt, er ist an ein Nieren-Dialysegerät und an eine Beatmungsmaschine angeschlossen.

Die mögliche Unfallursache ist schnell eingekreist. In dringendem Verdacht steht zunächst einmal die Zugstrebe für den linken vorderen Stoßdämpfer. Der fingerdünne Titanstab, der Zugkräfte bis zu 3200 Kilo aushalten muß, soll an seiner Höhenverstellung gebrochen sein.

Zwei Wochen später, als bei Lotus die Wrackteile in der Werkstatt ausgelegt werden, erhärtet sich noch ein anderer Verdacht. Das Monocoque weist im Bereich der Anlenkpunkte für die Vorderradaufhängung unnatürliche Bruchstellen auf, die eindeutig nicht vom Unfall stammen. Möglicherweise hat die Kohlefaserschale schon einen Riß, als sie in der entscheidenden Szene auf einer Bodenwelle endgültig zu Bruch geht. Derek Warwicks heroischer Einsatz, am Tag nach dem Unfall auf Startplatz zehn zu fahren, ist nicht nur unnütz - er ist ein Himmelfahrtskommando.

Nach dieser Aufzählung von Katastrophen ist es eigentlich nur logisch dass Dernie das Team verlässt, bzw. verlassen muss.

der lotus 102 sah schon rein optisch sehr filligran aus. und der fahrer saß mehr noch als bei den anderen autos dieser tage quasi im freien.

Ja, das stimmt, das ist mir damals auch aufgefallen. Ich nehme an die ungewöhnlich offene und tiefe 'Bauweise' wurde wegen der beiden stämmigen Piloten Warwick und Donnelly gewählt. Vergleicht man die Cockpits von 1989 (oben) und 1990 (unten) fällt das deutlich auf. Die 'kleinen' Piquet und Nakajima brauchten nur kleinere Öffnungen. Verglichen mit heute wirkt die '90er Cockpitöffnung von Lotus geradezu fahrlässig - dabei ist's noch gar nicht soooooo lange her...

schon absurd, dass der donally-unfall so wenig sicherheitstechnische auswirkungen gehabt hat. dabei war er in dieser hinsicht wesentlich schlimmer als der senna-unfall. und ob ein fahrer tatsächlich stirbt oder nur beinahe, ist meines erachtens in diesem zusammenhang eigentlich zweitrangig - auch wenn das jetzt etwas kühl klingt.

Benway hat geschrieben:

schon absurd, dass der donally-unfall so wenig sicherheitstechnische auswirkungen gehabt hat. dabei war er in dieser hinsicht wesentlich schlimmer als der senna-unfall. und ob ein fahrer tatsächlich stirbt oder nur beinahe, ist meines erachtens in diesem zusammenhang eigentlich zweitrangig - auch wenn das jetzt etwas kühl klingt.

Kann sein dass der Donnelly-Unfall damals den gegenteiligen Effekt hatte, als Sicherheitsdenken zu fördern. Schließlich zeugte es auf den ersten Blick für die Sicherheit der Fahrzeuge, dass er da lebend raus kam - so mögen manche Gedacht haben. Jedenfalls wurde damals recht schnell die Schuld an dem Unfall dem mangelhaften Lotus gegeben, der ein unsicheres und 'weiches' Auto gewesen sein soll.

Ich glaube Donnelly hat sich nie mehr ganz von dem Unfall erholt. Ich kann auch gerne mal den Watkins-Bericht zu dem Unfall einstellen.

der watkins-bericht wär sehr interessant!

hier noch ein bild vom 102b mit der eigenwilligen cockpit-gestaltung. fast so extrem wie der bt55.



quelle: www.club-lotus.fr

Wir kommen zwar langsam weit vom Thema ab, aber was soll's.

Donnelly war schon ein ganz schöner 'Brocken' und wirkte auf mich oft recht tapsig. Hier habe ich ein schönes Bild gefunden, auf dem man seine etwas unorthodoxe Ausstiegsweise aus dem Lotus sieht - da macht er allerdings einen gelenkigen Eindruck. Und wahrscheinlich konnten man auch nur bei einem so 'offenen' Cockpit wie das des Lotus 102 derart luftig entschweben...



Der Jerez Unfall von Donelly hatte übrigens für die Strecke doch einige Konsequenzen, denn bereits im Folgejahr (1991) flog der Kurs aus dem WM-Kalender - und seitdem gab's nur noch vereinzelt F1-Rennen dort. Außerdem wurde die Kurve (Curva Enzo Ferrari), in der Donnelly den Unfall hatten, entschärft durch das 'Vorschalten' eine Schikane.

heißt das, man wäre also ohne unfall 1991ff. weiter in jerez gefahren? kann ich mir kaum vorstellen.

Die Gründe für die Streichung von Jerez kenne ich nicht. Watkins schreibt jedenfalls dass er froh war, als die Strecke 1990 aus dem Kalender flog. Es gab offensichtlich schon Sicherheitsbedenken...

Mal wieder was zum eigentlichen Thema; Hier habe ich ein schönes Bild von Frank Dernie gefunden aus seiner Zeit bei Williams 1981. Rechts der Typ ist Charlie Chichton-Stuart.

Eine ganz lustige Anekdote zur Konstruktion des Lotus 102 fällt mir gerade noch ein. Dernie verrechnete sich bei der Größe des Öltanks für den (im Vergleich zum Vorjahres-Judd riesigen) Lamborghini-Motors. Konstrukteur Forghieri hatte ihn zwar darauf hingewiesen, aber Dernie ignorierte seine Ratschläge. Hastig musste das Teil vor den ersten Rennen umkonstruiert werden - und das Team reiste völlig unvorbereitet zu den beiden ersten Übersee-Rennen. Entsprechend miserabel waren die Resultate - und der Haussegen zwischen Lamborghini und Lotus hing gleich mal schief.

Merkürdigerweise trafen sich Forghieri und Dernie wieder im nächsten Jahr, denn Dernie konstruierte den Ligier JS 35 - wieder mit Lamborghini-Motor. Der wurde diesmal - im Gegensatz zum Lotus - aber ein riesiger Brocken. Und war noch weniger konkurrenzfähig als dieser...

Hier habe ich übrigens noch ein Bild von Dernie aus seiner Zeit bei Benetton (Monaco 1993). Bei Benetton war er nicht mal ein Jahr als Aerodynamiker tätig. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern warum er dann zu Ligier ging, die ja zu dem Zeitpunkt bereits zu Benetton gehörten. Dort hatte er 1994 und 1995 ja so gut wie nix zu tun. Der '94er Ligier war (aus Kostengründen) eine geringfügig überarbeitete Vorjahresversion - und von 1995 Ligier hatten wir's ja schon öfter - der war eine 1:1 Kopie des Benetton...

also bitte: die airbox ist doch völlig anders.

Benway hat geschrieben:

also bitte: die airbox ist doch völlig anders.

...die war Dernies Meisterstück!

Irgendwann zur Mitte der Saison hielt es Ligier sogar für nötig, derartige Aufkleber (Made in France) auf dem Auto anzubringen. Man nahm die Vorwürfe gegen das Team also mit Humor...

Martin Donnelly ist wirklich ein sehr interessantes Thema. Er blieb ja dem Motorsport trotz des schweren Unfalls treu und leitet glaube ich sogar ein Team, ich glaube sogar in irgend einer Formel-3 Rennserie (britische Formel-3?). Also zu Donnelly könnten wir echt mal einen Thread auf machen, oder?

Alfalfa hat geschrieben:

Benway hat geschrieben:

also bitte: die airbox ist doch völlig anders.

...die war Dernies Meisterstück!

Irgendwann zur Mitte der Saison hielt es Ligier sogar für nötig, derartige Aufkleber (Made in France) auf dem Auto anzubringen. Man nahm die Vorwürfe gegen das Team also mit Humor...

nun, das aktuelle renault-team könnte sich so einen aufkleber nicht erlauben

Ich habe einige Jahre nach dem Unfall einen Bericht über ihn gesehen, da war er noch sehr gezeichnet & behindert von dem Unfall. Später habe ich mich dann nicht mehr weiter damit beschäftigt. Weisst Du was er heute macht & ob er sich vollständig erholt hat...?

Also wie gesagt, bin mir ziemlich sicher, dass er ein eigenes Team leitet, ich weiß nur nicht mehr genau wo, ich werde mich mal schlau machen, meinetwegen können wir einen eigenen Thread aufmachen zu Donnelly, nur interessanterweise wird über Personen in anderen Threads mehr und interessanter geschrieben als in den eigenen...

Achso, vollständig erholt hat er sich, soweit ich weiß nicht. Er ist Querschnittsgelähmt und sitzt auf jeden Fall im Rollstuhl, aber genau weiß ich das nicht mehr, ich recherchiere mal ein wenig...

MichaelZ hat geschrieben:

Also wie gesagt, bin mir ziemlich sicher, dass er ein eigenes Team leitet, ich weiß nur nicht mehr genau wo, ich werde mich mal schlau machen, meinetwegen können wir einen eigenen Thread aufmachen zu Donnelly, nur interessanterweise wird über Personen in anderen Threads mehr und interessanter geschrieben als in den eigenen...

Ich habe mal gelesen, dass Donnelly ein Formel Vauxhall Team
betreibt mit dazu gehörigem Garagenbetrieb.

MichaelZ hat geschrieben:

...meinetwegen können wir einen eigenen Thread aufmachen zu Donnelly, nur interessanterweise wird über Personen in anderen Threads mehr und interessanter geschrieben als in den eigenen...

Na, das mit Donnelly war jetzt Zufall, weil ihm der Unfall eben in einer Frank Dernie Konstruktion ereilte - die auch noch den Ruf hatte ein Sargnagel gewesen zu sein. Und der Unfall ist im Dernie Thread so verkehrt nicht aufgehoben. Wenn wir allerdings näher auf Donnelly eingehen wollen, können wir das gerne in einem eigenen Thema machen...

Soll ja auch absolut keine Kritik sein, du weißt ich mag Abschweifungen, nur das ist nur so eine allgemeine Beobachtung

Also ich bin gerade dabei etwas zu recherchieren und ja, Donnelly fährt mit seinem Team seit 1997 auch in der Formel-3.

@Alfalfa: Der Watkins Bericht zu Donnellys Crash würde mich auch interessieren, vielleicht steht da auch was zu seinen Verletzungen drin, die er erlitt...

Ja, ich stelle es später mal ein. Ist recht interessant und umfangreich...