Okay, ich will mal wieder auf Frank Dernie zurück kommen, bevor wir hier total abirren.
Dernie verbrachte eine recht lange Zeit bei Williams (fast die gesamten 80er Jahre), wird aber lediglich als Co-Konstrukteur der Modelle FW11 und FW12 erwähnt. Größere Spuren bei Williams hat er in der Zeit offensichtlich nicht hinterlassen. Wenn ich mich aber recht erinnere war er intenstiv in die Entwicklung von Williams 6-Rad-Projekt FW08 eingebunden, der dann letztlich nur als ultrakurzer 4-Radler fuhr (und sogar 1982 die WM gewann).
Wir alle kennen natürlich das Tyrrell 6-Rad-Projekt P34 - aber Williams und March gingen einen anderen Weg (obwohl der Grundgedanke - Verminderung des Lufwiderstands - der selbe war). Schon 1977 hatte Robin Herd von March kurz und mit geringem finanziellen Aufwand die aerodynamischen Vorteile des geringen Luftwiderstandes eines 6-Rad-Wagens für die Formel 1 erprobt. Seine Konstruktion besaß 2 Räder vorn und 4 hinten, wobei er rundum die kleinen Vorderrad-Felgen und Reifen benutzte. Dabei fügte er hinten einfach eine weitere angetriebene Achse hinzu. Leider verfügte das klamme March-Team zu der Zeit nicht über ein ausreichendes Budget, um diese interessante Idee weiter zu verfolgen.
Dann begannen die Turbomotoren von Renault und Ferrarl um 1980/81 Leistungsmaßstäbe zu setzen, mit denen die Cosworth-Motoren der übrigen Teams einfach nicht mehr mithalten konnten. Damals war es für ein Team auch (noch) nicht möglich, als Kunde Turbomotoren zu erhalten. Patrick Head von Williams fragte bei Ferrari an, doch zur Zeit der FOCA/FISA-Kriege lautete die vorhersehbare Antwort natürlich NEIN! Und auch Cosworth hatte zu dieser Zeit wenig Interesse an dem Versuch, seinen Motoren mehr als die üblichen 500 PS zu entlocken. Williams begann deshalb in Zusammenarbeit mit John Judd ein eigenes Entwicklungsprogramm. Mit Hilfe des Nockenwellen- und Ventil-Spezialisten Chris Walters brachten er ihre DFV-Motoren auf Leistungen zwischen 542 und 547 PS - was aber natürlich auch zu wenig war um den Leistungszuwachs der Turbos zu kompensieren.
Der Hauptvorteil der Turbos war ihre hohe Geschwindigkeit auf den Geraden, außerdem waren sie in der Beschleunigung überlegen, auch wenn dieser Vorteil anfangs durch das höhere Gewicht wieder aufgehoben wurde (wir erinnerungs uns an die Tricks der FOCA-Teams ihre Autos -legal und illegal - leichter zu machen).
Die damals gebräuchlichen Hinterreifen hatten einen Außendurchmesser von 29 Zoll und saßen auf ultrabreiten Felgen, womit sie allein für etwa 40 Prozent des Luftwiderstandes des Autos verantwortlich waren. Dieser Luftwiderstand ließ sich natürlich durch die Verwendung der kleineren Vorderräder an insgesamt drei Achsen, davon zwei angetriebenen hinten, erheblich vermindern. Zugleich konnte auf diese Weise die Aufstandsfläche des Gummis auf der Fahrbahn erhalten, eventuell sogar verbessert werden, so dass die Traktion an den Antriebsachsen erhalten blieb.
Es sollten aber noch weitere Vorteile hinzukommen.
Die aerodynamisch wirksamen Schürzen waren vom Reglement auf den Bereich zwischen den Achsen beschränkt. Mit einer zusätzlichen Achse konnten die von den Schürzen abgeschotteten Flügelprofile an der Unterseite länger werden, wodurch viel mehr Abtrieb produziert werden würde. Williams baute ein Modell mit sechs Rädern und testete es erfolgreich in seinem Windkanal in Didcot. Das war die Hauptarbeit von Frank Dernie.
Das neue 4x4-Heck saß in etwa dort, wo beim konventionellen Vierradler die Hinterachse war, die zweite Achse nur etwa 10 Zentimeter vor der bisherigen Hinterachslinie mit nach vorn gewinkelten Antiiebswellen. Direkt dahinter saß die neue dritte Achse, versorgt durch einen angeflanschten zusätzlichen Achsantrieb. Die Firma Hewland half beim Bau des Antriebs. Der March-Sechsradler war von Roy Lane seinerzeit bei Bergrennen eingesetzt worden, wobei das normale Sicherheitsventil des FT-Getriebes gegen durchdrehende Räder oft abgerissen wurde, so daß die Traktion des Vierrad-Antriebs beim Start den ersten Gang ruinierte. Patrick Head erhielt deshalb den Rat, den robusteren Zahnradsatz des DG-Getriebes in Verbindung mit kleineren Achsantrieben zu benutzen.
Das Monocoque des FWO7D wurde für die Aufnahme dieses Hecks vorbereitet und Jones fuhr es zum ersten Mal eine Woche nach dem Rennen in Las Vegas 1981. Jones war jedoch nicht mehr von seinem Rücktritt abzubringen, obwohl er zwei stehende Starts mit dem Auto hingelegt hatte, bei denen der Wagen abschoß wie eine Pistolenkugel, ohne dass die Räder durchdrehten. Jonathan Palmer testete den Wagen in Silverstone im Regen und war dabei sehr schnell. Das Team nahm sogar an, man könne profillose Reifen auf der dritten Achse fahren, weil die Regenreifen auf den beiden vorderen Achsen das Wasser so gut verdrängten. Ob allerdings derartige Tests gemacht wurde, weiss ich nicht.
Man machte sich auch Sorgen, wie der Wagen in sehr engen Kurven gehen würde. Deshalb wurde auf der Strecke von Croix-en-Ternois in Nordfrankreich getestet, wo Palmer identische Zeiten wie mit dem Vierrad-FW08 erreichte. Tatsächlich war das kurze Monocoque des FW08 im Hinblick auf die riesigen Flügelprofile des 4x4-Hecks maßgeschneidert worden.
Der Sechsradler war leider 54 Kilo schwerer, wobei der Abtrieb und der Luftwiderstand dieses Prototyps keine wesentlichen Vorteile boten. Wegen ihrer großen Länge und beträchtlichen Breite kamen die Flügelprofile mit einem recht bescheidenen Anstiegswinkel aus, obwohl sie unter den Antriebswellen hindurchführten, endeten sie dennoch oberhalb der unteren Dreieckslenker, so daß sie den Luftstrom in diesem kritischen Bereich unterbrachen.
Folgerichtig wurde eine zweite Version des Sechsradlers entwickelt, bei der Antriebswellen mit fixierter Länge dafür sorgten, dass die Luftschächte des Flügelprofils unbeeinträchtigt blieben. In dieser Ausführung wurde der auf einer Stütze montierte hohe Heckflügel durch einen einfachen flachen Flügel auf dem hinteren Karosserieteil, ähnlich wie beim erfolglosen Lotus 80, ersetzt.
In der Zwischenzeit erschien der Wassertank-Gewichtstrick aussichtsreicher als die aufwändige Entwicklung des 6-Radlers und Rosberg gewann schließlich die Weltmeisterschaft mit dem Vierrad-FWO8. Der Termindruck der Renneinsätze beim Kampf um die WM verlangsamte jedoch nur den Entwicklungsprozeß des 6-Radlers, bei dem die Windkanal-Versuche 30 Prozent mehr Abtrieb versprachen.
Das 6-Rad-Chassis FW08 lief die meiste Zeit der Saison 1982 ganz konventionell als 4-Radler - hier Rosberg in Monza. Das Auto wirkt extrem kurz und kompakt - der Radstand musste im Hinblick auf das 6-Rad-Projekt eben etwas kürzer sein. Der Wagen erwieß sich aber auch in der 4-Rad Version als recht erfolgreich. Der Wagen wurde in modifizierter Version auch in der '83er Saison gefahren...
Wie gut dieses Auto gegangen wäre lässt sich nur schwer abschätzen. Aber 6-Rad-Wagen (und 4-Rad-Antrieb) wurden mit der Saison 1983 verboten und das war vielleicht gut so, denn ganze Starterfelder solcher Exoten wären vermutlich zu weit von dem entfernt gewesen, was die Öffentlichkeit und die Sponsoren verstanden hätten, um Glaubwürdigkeit und Interesse der Formel 1 aufrecht zu erhalten.
Der 6-Radler bei Tests im Herbst 1982. Der Eindruck täuscht übrigens nicht - die Hinterräder (13'') waren kleiner als die Vorderräder (15'')!
Ich werde auch versuchen noch etwas über andere Autos von Frank Dernie zu schreiben - den 'unerfreulichen Lotus 102 hatten wir schon ausführlich...