So einen Teil gibts heute noch:
Nach den Ereignissen in Kanada ging es zurück nach Europa zum Holland GP. Renault hatte weiterhin das stärkste Paket, zumindest was die reine Geschwindigkeit anbelangt. Aber das Problem bei Renault war die Zuverlässigkeit, und die konnte man nur mit mangelhaft bezeichnen. Wenn nicht sogar mangelhaft mit einem Minus. Einem dicken Minus. Aber im Quali von Holland war erst einmal wieder heile Welt – logisch bei einer reinen Renault-Startreihe 1, die Prost anführte. Doch wie so oft in der Saison 1982 hieß es: Von der Doppelpole zum Doppelausfall. Aber der Reihe nach: Zunächst führten Prost und Arnoux das Rennen noch an, vor Pironi, der zuvor in Le Castellet einen schweren Testunfall hatte. Ebenfalls eine Neuigkeit: Tambay, sein neuer Teamkollege, kam in Holland erstmals zum Einsatz. Auf die ganzen negativen Erlebnisse der bisherigen Saison 1982 gab Pironi eine starke Antwort: Innerhalb von 5 Runden drängelte sich der Franzose an beide Renault-Fahrer vorbei. Er war damit 1. und blieb es auch bis zum Ende. Dahinter änderte sich nicht viel, nur eben, dass sowohl Prost (Motorschaden), als auch Arnoux (Unfall) das Rennen vorzeitig beenden mussten und somit Piquet und Rosberg auf das Podium schupsten. Mit dem Sieg von Pironi wurde es nun in der Gesamtwertung eng, weil er bis auf einen Zähler an Watson ran kam. Dahinter war Rosberg mit 21 Zählern, und damit 9 Punkte hinter Watson, auf dem 3. Platz.
Eine Sensation gab es dann im Qualifying zum GP von Großbritannien: Renault holte sich nicht die Pole Position! Dafür aber Rosberg vor Patrese. Es war die erste Pole Position in der F1-Karriere des Finnen. Doch es nutzte ihm nichts: Weil Rosberg Probleme mit seinem Williams Ford hatte, startete Patrese von ganz von, aber dann gab es ein Deja-vu: Patrese blieb am Start stehen und wie in Kanada auf Pironi fuhr wieder ein Fahrzeug auf – dieses mal waren es gleich 2. Nämlich Arnoux und Fabi. Glücklicherweise blieben alle Beteiligten unverletzt und der Unfall wurde auch nur 2 Runden später durch einen viel spektakuläreren übertroffen: Am Osella Ford von Jean Pierre Jarier löste sich plötzlich ein Hinterreifen. Chico Serra im Fittipaldi Ford kollidierte daraufhin mit Jarier, überschlug sich und sein Wagen fing Feuer. Auch hier gab es Entwarnung, nach dem sich die Rauchschwaden gelegt hatten: Keine Verletzten!
Piquet führte währenddessen das Rennen an. Aber nur ein paar Runden, dann musste er mit einem technischen Defekt das Rennen vorzeitig beenden. Lauda löste Piquet als Spitzenreiter ab und gewann das Rennen vor Pironi, der damit die WM-Führung übernahm, und Tambay. Der neue WM-Stand nach dem Traditions-GP: Pironi (35), Watson (30), Lauda (24). Bei den Herstellern: McLaren (54), Ferrari (45), Brabham (36). Beim Frankreich GP holte Renault die übliche Doppelpole. Weil Pironi von Startplatz 3 aus startete, galt er als Favorit. Zum Erstaunen der Konkurrenz hielten dieses Mal die Renault-Boliden – und auch noch beide! Und das auch noch zu Hause in Frankreich! Und so gab es einen Doppelsieg für Renault, mit Arnoux vor Prost und Pironi. Das Rennen war nicht sonderlich spannend, hätte aber ein neues schwarzes Kapitel der Saison 1982 werden können. Jochen Mass flog nämlich mit seinem March Ford nach einer Kollision mit Mauro Baldi (Arrows Ford) in einen Zuschauerbereich. Aber dieses Mal wachte der Motorsportschutzengel über das Rennen. Pironi führte nun die WM deutlich an und war Favorit auf den WM-Titel: Pironi (39), Watson (30), Prost (25).
Doch die Favoritenrolle wurde beim Deutschland GP zerstört, wie auch die gesamte Formel-1 Karriere von Didier Pironi. Es war ein grausames Jahr für Ferrari, mit einem Tiefpunkt nach dem anderen, was hässliche Unfälle betrifft. Noch einmal Watkins: „Es regnete aus Kannen an diesem Samstagmorgen. Nur wenige Wagen waren auf der Strecke, da man die Freitagzeiten bei diesem Wetter nicht verbessern konnte. Die Startaufstellung stand also fest. Pironi hatte den ersten Startplatz sicher und auch in der Weltmeisterschaftswertung lag er auf dem ersten Platz. Herbert Linge, ich und der ONS-Anästhesist saßen in unserem Wagen im Motodrom, als plötzlich die roten Fahnen geschwenkt werden. Der Unfall hatte sich auf der anderen Seite der Rennstrecke ereignet. Als wir ort eintrafen, kümmerte sich bereits die ONS-Staffel um den verletzten Piloten. Pironi war bei Bewusstsein, sein Helm war bereits abgenommen. Er wusste, dass seine Beine furchtbar verletzt waren und bat mich daher inständig, alles zu tun, um seine Beine zu retten. Ich gab ihm mein Wort. Er hatte große Schmerzen, und seine Beine waren durch den Aufprall grausam verformt worden. Der ONS-Anästhesist setzte eine intravenöse Infusion, die Pironi bald in Schlaf versetzte und ihm für einen Augenblick die Schmerzen nahm. Der Ferrari war ein übles Wrack, so dass wir einige zerschneiden mussten, bevor wir die Beine des Franzosen, der noch immer im Tiefschlaf war, schienen konnten. Der Regen hatte noch einmal zugelegt. Der Hubschrauber wurde angefordert, nachdem wir Pironi transportfähig gemacht hatten. Das nahm ungefähr eine halbe Stunde in Anspruch. Irgendein gutgemeinter Zeitgenosse war unterdessen an der Unfallstelle eingetroffen und hielt einen Regenschirm über den ohnmächtigen Pironi. Von diesem Schirm floss das Wasser genau in meine Hose, wo das herunterlaufende Wasser an meinem Körper ein ziemlich unangenehmes Gefühl erzeugte. Aber Pironi war zu jenem Zeitpunkt im Schockzustand, und da ist es in der Tat besser, wenn es kühl ist, weil sich der Blutkreislauf dann um die wichtigen Organe kümmert. Sein Overall war ziemlich wasserdicht und außerdem arbeiteten eine Menge Leute über ihm.
Als wir ihn schließlich auf der Trage hatten, um ihn zum Hubschrauber zu bringen, folgte uns der „Schirmherr“. Als sich der Rotor in Bewegung setzte, gab es ein lautes Bäng, weil die Spitze des Schirms in die Rotorblätter geraten war. Wir starteten. Pironis Blutdruck, Atmung und Pulsschlag waren stabil. Ich hatte wegen der zahlreichen Brüche noch nicht versucht, die Schuhe auszuziehen. In der Heidelberger Universitätsklinik wartete bereits das Operationsteam. Ich brachte ihn in die Notaufnahme, wo ich die Ärzte bat, die Schuhe erst nach der Narkose für die Operation auszuziehen. Während die Röntgenaufnahmen gemacht wurden, ging ich nach draußen, um mich bei der Hubschrauberbesatzung zu bedanken. Die Männer waren ziemlich sauer, weil der Regenschirm ein Rotorblatt so sehr beschädigt hatte, dass man nicht nach Hockenheim zurückfliegen konnte.
Als der Chirurg Professor Mischkowski eintraf war Pironi wieder bei Bewusstsein und machte sich große Sorgen um seine Beine. Zu meiner Überraschung meinte Professor Mischkowski ziemlich offen, dass eine Amputation im Bereich des Möglichen sei. Der arme Pironi brauchte viel Trost, was dazu führte, dass er, als er in den Operationssaal gebracht wurde, wieder obenauf war, was vielleicht auch an meinem Versprechen lag, einer solchen Aktion nicht zuzustimmen. Die Operation dauerte lang und war sehr kompliziert. Die Brüche im rechten Bein waren zum Teil offen und komplex. Sobald Didier in Narkose war, zogen wir die Schuhe aus, ohne weiteren Schaden anzurichten. Mischkowski arbeitete ausgezeichnet, brachte die Knochen wieder zusammen, wobei er sie auch äußerlich absicherte. Die schädigten Hautpartie zum rechten Fuß wurde von Mischkowski wieder instand gesetzt. Mit einer Röntgenaufnahme überzeugte er sich davon, dass der Blutkreislauf an dieser Stelle wieder funktionierte. Die Brüche im linken Fuß waren nicht so dramatisch.
Der Chefmediziner am Hockenheimring, Dr. Wolfgang Gruh, war nach dem Ende des Trainings von Hockenheim nach Heidelberg gekommen. Die Rekonstruktion des Unfalls ergab, dass Pironi im strömenden regen einen Wagen überholen wollte und dabei den von Alain Prost gesteuerten Boliden übersehen hatte. Er kollidierte mit Prost, wodurch sein Ferrari abhob, auf dem Heck landete, um sich dann noch einmal in die Lüfte zu erheben. Pironi erzählte mir später, dass er die Baumspitzen bei seinem Flug habe sehen können. Es war schon ziemlich erstaunlich, dass er diesen Unfall überlebt hatte.
Pironi war nun in der Intensivstation. Der Blutkreislauf in seinem rechten Fuß war in Ordnung, so dass Gruh und ich wieder zurückfuhren. Ich verbrachte eine unruhige Nacht in ständiger Angst um den Blutkreislauf in Pironis rechtem Bein, doch bei Mitternacht war alles in Ordnung. Am nächsten Tag machten Blutkreislauf, Nerven und die Bewegung seiner Zehen keine Probleme mehr. Bevor ich Heidelberg am Montag verließ, sah ich ihn noch einmal. Körperlich war er gesund, dafür verfiel er in eine Tirade darüber, dass es sich um pures Glück gehandelt hätte, dass ein kompetenter Chirurg anwesend gewesen war. Und dabei sind die Notfallmediziner in ständiger Alarmbereitschaft, bereitet sich die Heidelberger Uniklinik intensiv auf den Grand Prix vor.
Einige Tage später wurde Pironi zur großen Erleichterung von Mischkowski und mir nach Paris verlegt. Er erholte sich gut. An seine Verletzung erinnerte einige Monate später nur ein leichtes Hinken. Seine Karriere in der Formel-1 war allerdings beendet. Bernie erzählte mir aber, dass er bei einem der Treffen der Formel-1 Kommission aufgetaucht sei und berichtet habe, ich hätte gesagt, „Lasst uns seine Füße abnehmen, dann kriegen wir ihn leichter aus dem Wagen.“ Ich antwortete Bernie wütend, dass ich „nicht die Beine, sondern seinen Kopf“ hätte abschneiden sollen. Gegenüber der Presse erklärte ich, dass Pironi offensichtlich einen Alptraum während seiner Betäubung gehabt hatte.“
Quellen: grandprix.com, motorsportarchiv.de, „Triumph und Tragödien in der Formel-1“