MichaelZ hat geschrieben:
Das Comeback von Ferrari in der Formel-2 erfolgte erst wieder 1957 bei einem in Reims. Der Franzose Maurice Trintignant fuhr einen Ferrari Dino 156 und gewann dieses Rennen auch überraschend.
Hier noch ein paar Worte über dieses Rennen - aus dem Mund seines damaligen Piloten Maurice Trintignant (ganz amüsant zu lesen):
Ich war Anfang 1957 dem Ruf Ferraris gefolgt, um dessen Formel 1-Mannschaft zu verstärken, die kurz zuvor Castellotti durch einen Unfall verloren hatte. Vorgesehen war der Einsatz von mindestens vier offiziellen Fahrzeugen pro Grand Prix. Es war das Jahr der Ferrari 801 mit dem Lancia-V8-2,5 Liter-Motor. Aber nicht nur, denn zur gleichen Zeit sollte ein Formel 2-Wagen mit einem vollkommen neuen 1,5 Liter-Sechszylinder für die Meisterschaft von 1958 entwickelt werden. Wir wußten, dass der Commendatore kein Auge von der Entwicklung dieses kleinen Motors ließ, der den Kosenamen seines erst kürzlich verstorbenen Sohnes trug.
Die 37 Runden des ersten Internationalen Speedcups, der am 14. Juli 1957 in Reims stattfand, bedeuteten eine Distanz von 307,131 Kilometer. Dieses Rennen fiel - auf fast 14 Tage genau mit dem ersten Todestag von Dino Ferrari zusammen, und es war das erste Rennen außerhalb Italiens, an dem dieser Wagen teilnehmen sollte. Deswegen bat mich auch der für die Fahrzeugvorbereitung verantwortliche Ingenieur inständig, mein Bestes zu tun, um nur ja den Sieg zu erringen. Neben dem Dino waren noch zwölf Cooper, fünf Lotus, ein Porsche und ein Osca Sport am Start.
Der Prototyp des Dino 156 ähnelte einem Ferrari 801, den man um neun Zehntel gekürzt hatte. Man konnte es auch folgendermaßen ausdrücken: Er war zwar schön, aber seine Profilierung zählte nicht gerade zu den besten! Die Cooper, die bei nur 450 Kilogramm über etwas mehr als 140 PS verfügten, waren wesentlich besser gestylt mit ihrem hinter dem Fahrer angeordneten Motor. Die ersten Qualifikationsrunden bestärkten mich in meinem Urteil über die Probleme, die ich für einen Sieg zu überwinden hatte. Ich landete lediglich auf dem dritten Startplatz - mit zwei Sekunden hinter dem besten Cooper. Der Ingenieur hatte mir versichert, daß ich über 180 PS verfügen könne, aber ich mußte mich dennoch fragen, ob er nicht einige Pferdchen in der Werkstatt von Maranello in ihrem Stall vergessen habe, denn meiner Auffassung nach konnte in Anbetracht des immer noch nicht berauschenden Drehmoments das Mehr an etwa 60 Kilogramm gegenüber dem Cooper nicht die einzige Erklärung für die nicht vorhandene Spitzenleistung des Wagens sein.
In Wahrheit sollte der Dino auch nicht mehr als 160 PS bringen, und um die im vierten Gang machbaren 9000 Touren zu erreichen, mußte ich zwangsläufig im Windschatten eines meiner Gegner fahren, die auf dem Streckenabschnitt zwischen Muizon und Thillois immerhin etwa 20 krn/h schneller waren. Bei einem solchen Hochgeschwindigkeitkurs konnten 20 PS mehr oder weniger entscheidend sein. Das Rennen würde für mich also kein Zuckerschlecken werden.
Aber von alledem einmal abgesehen legte der 156 ein exzellentes Fahrverhalten an den Tag. Beim Bremsen hielt er treu die Spur, er war in jeder Beziehung konsequent und ausgewogen. Seine Lenkung war präzise, und sein Triebwerk war - wie ich es noch feststellen sollte - besonders langstreckenresistent. In meinen Erinnerungen zählt er zu den angenehmsten Fahrzeugen, die man mir in meiner ganzen Karriere in die Hand gab.
Nach meinem zweiten Qualifizierungslauf konnte ich mein Handikap um eine Sekunde verbessern, allerdings war ich auf volles Risiko und ganz allein auf der Piste gefahren.
Ab dem Start bildeten die Cooper gleich ein Feld für sich. Nach halber Distanz war ich dann auf gleicher Höhe mit Jack Brabham und Roy Salvadori - und zwar so, dass wir zu dritt die Kurve hinter den Boxen in einer Linie durchfuhren. In der 24. Runde lag Salvadori vorn, aber Brabham war ihm auf den Fersen. Meine Brille belegte sich mit einem schmierigen Film: das Fahrzeug des Australiers verlor Öl. Roy nutzte dies, um etwas Terrain auf der Geraden gutzumachen. Mir war klar: Wenn ich ihn ziehen ließ, würde ich den Anschluß verlieren, denn der Cooper von Brabham stünde mir nun nicht mehr lange als Bindeglied zur Verfügung.
Deshalb entschloß ich mich zum Angriff, um zu Roy aufzuschließen. Ich verließ mich voll auf die Straßenlage meines Wagens und ging die Annie-Bousquet-Kurve im vierten Gang an. Schleudernd rutschte der Dino über die Streckenbegrenzung hinaus; zwei Räder durchpfurchten die Grasnarbe. Der Dino schlingerte von Kurveneingang bis -ausgang zwischen den Bordsteinkanten hin und her. Dann schaltete ich in den dritten Gang und trat das Gaspedal durch.
Zu meiner großen Erleichterung gelang mir dieses Manöver, denn ich war hinter Salvadori. Nur kurz darauf mußte Brabham mit geplatztem Motor aufgeben und seinem Teamgefährten allein die Spitze überlassen. In den darauffolgenden fünf Runden probierte ich alles Mögliche aus, um nach vorn zu gelangen und als Erster die Ziellinie zu durchfahren. Aber als ich mit etwas Vorsprung auf der Höhe von Thillois war, gelang es Salvadori, mich doch wieder zu überholen. Schließlich fand ich des Rätsels Lösung: Anstatt ständig am Cooper zu kleben, würde ich ihn kurz vor Thillois etwas ziehen lassen. Vor der Kurve würde ich erst spät bremsen, sie voll durchfahren und mit sehr hoher Geschwindigkeit aus ihr herauskommen, um ihn dann aus seinem Windschatten heraus auf den letzten paar hundert Meter vor der Ziellinie anzugreifen. Ich war meiner Sache sicher, und so hielt ich mich wohlweislich hinter dem Cooper - nicht nur um auf die letzte Runde zu warten, sondern auch um nicht Salvadoris Mißtrauen zu erwecken...
Aber schließlich sollte ich enttäuscht werden. Zwar gewann ich das Rennen mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von annähernd 185 km/h, aber zuvor mußte ich mit ansehen, wie Salvadori stehenblieb, wo uns doch nur noch zwei Runden vom Ziel trennten. Dies machte mir meine Taktik zunichte, die ich doch so gut ausgeklügelt hatte und deren ich mir auch sicher war. Ferrari konnte mit dem Sieg zufrieden sein. Sein Motor hatte dort durchgehalten, wo die besten Climax versagten. Reims wurde in der Folge die Hausrennstrecke der Dino, die auch bei den französischen Grand Prix von 1958, 1959 und 1961 einen Sieg einfuhren.
Als ich 1965 zum letzten Mal mit einem Ford GT 40 an den 24 Stunden von Le Mans teilnahm, war ich sehr erstaunt, vor den Ferrari-Boxen einen unter dem Namen Dino konstruierten Prototypen zu sehen, dessen Motor mir äußerlich keine sonderlich großen Unterschiede zu jenem 1500er aufzuweisen schien, den ich acht Jahre zuvor kennengelernt hatte. Ich glaube mich zu erinnern, dass dieses Fahrzeug sich trotz seines geringen Hubraums ganz ordentlich für den Start qualifizierte, aber im Rennen selbst war ihm nur ein kurzer Auftritt vergönnt, da er wegen überdrehten Motors gleich nach dem Start aufgeben mußte.