Noch ein paar Worte von mir zu Jo Bonnier:
Weltmann von Format: Feuerfeste Overalles und Vollvisierhelme kamen für Bonnier nicht in Frage - er war (obwohl Präsident der GPDA) einer der letzten Piloten die sich in Sachen Sicherheit umstellten.
Jo Bonnier (eigentlich Jockum und nicht Joakim wie oft geschrieben wird) war ein Rennfahrer, wie es ihn heute nicht mehr gibt; der Typ 'Herrenfahrer' wie ich ihn mir vorstelle - für 'Kinder' und 'Spätpubertierende' wie einen Raikkönen oder einen Alonso hätte der 'Mann mit dem Rembrandt-Kopf' (wie er gern genannt wurde) nur Hohn und beißenden Spott übrig gehabt. Rennfahren um Geld zu verdienen oder gar berühmt zu werden?! Nicht mit Bonnier! Für ihn war das Rennfahren Zeitvertreib. Er sammelte Kunst und schnelle Rennwagen wie andere Puppen oder Briefmarken. Wieviele Rennwagen er im Laufe seiner Karriere besessen hat, wusste er irgendwann wohl selbst nicht mehr so genau...
Die jüdische Familie Bonnier ist eine der reichsten, 2 der 4 großen Tageszeitungen in Schweden gehören ihnen und sie besitzen auch den größten Buchverlag Schwedens.
Bonnier stammt aus dem 'ärmeren' Zweig der Familie. Er war kein Multi-Millionär, wie oft geschrieben wird, sondern nur mehrfacher Millionär. Sein Vater war Professor an der Uni Stockholm. In seinem Heimatland war er nie populär - vor allem im Vergleich mit den späteren Rennfahrerlegenden wie Peterson, Nilsson oder diverse Rallyefahrer. Das lag eventuell an seiner jüdischen Herkunft, bestimmt aber an seiner recht arroganten Art - Bonnier war sehr klug und sehr gebildet (sprach u.a. sieben Sprachen - mehrere davon fließend, studierte in Oxford und Paris) - und das ließ er sich bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit mächtig raushängen.
Zum Rennsport kam er eher zufällig, da er nach dem Ende seines Studiums angefangen hatte mit Alfa Romeos zu handeln und dachte ein Rennstall wäre eine gute Eigenwerbung.
Bonnier war sicher kein schlechter Rennfahrer - aber ihm fehlte der brennende Ehrgeiz, obwohl er jahrelang bei allen möglichen Rennveranstaltungen rund um den Globus und fast das ganze Jahr anzutreffen war.
Kurz zu seiner Karriere (soweit nicht bekannt): mit 18 Jahren fuhr er seine ersten Rennen auf Alfa Romeo und Maserati, und daran sollten sich im Verlauf einer von Höhen und Tiefen gezeichneten Karriere noch einige hundert mehr anreihen. Viele große Siege waren darunter, so gewann Bonnier u.a. Grand-Prix-Läufe, Sebring sah ihn 1962 auf einem Testa-Rossa als Sieger, im darauffolgenden Jahr gewann er für Porsche die Targa Florio, für Ferrari war er 1964 beim 1000-km-Rennen von Paris erfolgreich, 1966 raste er nach 1000 km rund um die Nürburg mit seinem Chaparral als Erster über die Ziellinie und errang in einem Loia 2 Liter GT 1970 die Europameisterschaft, obwohl er bereits 1968 nach dem Grand Prix von Mexiko seinen Rücktritt angekündigt hatte. Er ging für BRM und den Walker-Rennstall an den Start. Und nicht zu vergessen: jahrelang war Bonnier DER Porsche-Fahrer - einen besseren Repräsentaten als ihn hat Porsche wohl auch nie gehabt.
Schon früh in seiner Karriere zog er in die Schweiz - wahrscheinlich war er einer der ersten steuerflüchtigen F1-Piloten dort - in gewisser Weise der Urahn von Michael Schumacher.
Ab 1966, speziell aber in seiner McLaren-Zeit ab 1968, ging es fahrerisch rapide bergab mit Bonnier - aufhören konnte und wollte er jedoch nie - in gewisser Weise ist er die Steigerung von Graham Hill! Die Redwendung "Bonnier hat die roten Laterne" kam in Gebrauch - und tatsächlich kam um diese Zeit auch das rote Rücklicht bei den Autos auf - kann sogar sein das es der Schwede selbst war, der die Idee zu dieser Sicherheitsmaßnahme hatte. Denn Bonnier war seit 1962 Vorsitzender der GPDA, der Fahrergewerkschaft der F1 (manchmal liest man auch Präsident - aber ich glaube nicht dass die paar Leutchen einen Präsidenten brauchen). 1961 wurde sie während des GP von Monaco im Hotel Metropole von 18 Fahrern - erste Vorsitzender war Stirling Moss, nach seinem Unfall übernahm Bonnier den Posten. Später engagierte sich Jackie Stewart - wie wir wissen - stark im Bereich der Sicherheit. Neben Bonnier, dem Weltmann von Format, wirkte der kleinwüchsige, näselnde Schotte wie eine Witzfigur. Bonnier, mit seinem starken Auftritt, verschaffte Stewart die nötige Autorität, die er brauchte um sich durchzusetzen.
Bonnier - so wird oft geschildert - machte sich zwar um die Sicherheit sehr verdient, zeitlebens unterstellte man ihm aber ein eher 'legeres' Verhältnis zu Unfällen. In seinen Interviews mit Peter Manso und Peter Fuller (die ich hier schon bei Ascari und Clark zitiert habe) wird das ziemlich deutlich. Dennoch galt er als einer der sichersten Piloten seiner Zeit.
Aber dann geschah am 11. Juni 1972 in Le Mans das Unfaßbare; Bonnier, der stets besonnen und mit kühlem Verstand fuhr, hatte in den frühen Morgenstunden erst vor wenigen Minuten das Steuer seines Lola übernommen, steuerte eine harmlose Rechtskurve an und kollidierte mit einem neben ihm fahrenden Ferrari. Der Lola schoß Über die Leitplanken hinaus, zerbarst an einem Baum, und für Bonnier kam jede Hilfe zu spät.
Nach seinem Tod stellte sich heraus dass er nicht richtig versichert gewesen war - und seine Frau Marianne musste ihr Domizil in der Schweiz aufgeben und zog mit ihrem Sohn Patrick wieder nach Schweden. Patrick hatte vor einigen Jahren einen schwere Verkehrsunfall und ist seitdem teilweise gelähmt. Wenn ich mich recht erinnere hat er an den Paralympics teilgenommen - vielleicht findet jemand mehr dazu heraus. Bonnier hatte noch einen weiteren Sohn, über den weiss ich aber nichts...