Kann es mir doch nicht verkneifen, einige Worte zu den von Colin angesprochenen “Underdogs” zu schreiben. Die „Kleinen“ von heute, also Teams wie Minardi, Arrrows und Prost, möchte ich ausklammern, denn bei denen geht es genauso ums Geld wie bei den Grossen auch. Wenn Tom Walkinshaw heute einen Sponsor mit $ 20 Mio an Land zieht, so wird er davon nicht mehr als max. $ 18 Mio in Arrows investieren, und sehen, dass er 2 Mio in die eigene Tasche steckt. Das ist legitim, denn die Teams von heutzutage sind ganz normale Unternehmen, deren Hauptzweck darin besteht, Erträge zu erwirtschaften. Auch die Zeit vor dem Auftauchen der „rollenden Litfaßsäulen“ möchte ich hier aussen vor lassen, damals zählten ganz andere Kriterien, die ich bereits an anderer Stelle versucht habe zu erläutern. Es geht eigentlich um die wilde Zeit der „Garagisten“, die vor allem die 70er Jahre nachhaltend beeinflusst haben.
Was führte zu dieser Situation? Nun, zum einen die Ende der 60er Jahre aufkommende Methode, Motorsport durch Werbe-Sponsoren finanzieren zu lassen, und zum anderen der Ford-Cosworth-DFV-Motor. Die F1-Renner dieser Zeit waren technisch recht einfach gestrickt, und bei weitem nicht vergleichbar mit den heutigen High-Tech-Autos. Die wesentlichen Bestandteile wie Motor, Getriebe, Räder, Lenkung, Stossdämpfer, Kühler, Tanks, usw. konnten von der Stange gekauft werden (was auch die grossen Teams machten), das Monocoque wurde aus Aluminiumblechen zusammengenietet, und das eigentliche Fahrwerk nach dem Standard-Lehrbuch für Automobilingenieure konstruiert. Die Karosserie bestand aus einfachem GFK-Fiberglas, und wurde mit Hilfe von primitiven Holzformen hergestellt. Wie einfach es damals war, einen F1 auf die Räder zu stellen, zeigt das Connew-Beispiel, keiner der Jungs war Ingenieur, und ausreichende Erfahrung hatte auch niemand. Die technischen Grundzüge eines F1 waren fest zementiert, weniger durch die Regeln, sondern durch die akzeptierten Realitäten. Spielraum blieb eigentlich nur bei der Karosserie, und die technischen Errungenschaften dieser Zeit kann man auch fast nur dort finden, es wurde alles ausprobiert, von den verrücktesten Spoilerkreationen über gewaltige Lufthutzen bis hin zu Wing Cars.
Das hatte zur Folge, dass ein F1-Rennwagen mit relativ geringem finanziellen Aufwand entstehen konnte. Hauptkostenfaktor war natürlich der Motor, aber mit $ 5000 - nach heutigem Geldwert ca. DM 80.000 - trotzdem ein Schnäppchen. Mit viel Eigenarbeit konnte man ein fertiges Auto für ca. $ 15.000 zusammenschrauben, also nach heutigem Geld ungefähr DM 240.000. Dafür bekommt man heutzutage so gerade mal einen Formel 3!
Und auch von der heutigen Glitzerwelt des F1-Circus war man meilenwelt entfernt. Die F1 war zwar auch in den 70ern etwas besonderes im Motorsport, aber auch nicht andeutungsweise vergleichbar mit heute. Selbst die Top-Teams beschränkten sich personell auf das notwendigste, Fahrer, Team-Manager, Sekretärin, ein Ingenieur pro Auto, und eben die unverzichtbare Crew der Schrauber. Pressesprecher und Koch waren da schon pure Extravaganz. Sicher, auch damals gab es unter den Spitzenfahrern schon Grossverdiener, die magische Zahl lag bei $ 3 Mio im Jahr, denn dafür gab es einen gebrauchten Lear Jet, aber dafür musste man schon Weltmeister sein.
Der harte Kern der Top-Teams Mitte der 70er Jahre war nicht allzu gross, Ferrari, Lotus, McLaren, Tyrrell, und Brabham - das war’s eigentlich schon. BRM träumte von vergangenen Zeiten, und der ganze Rest gehörte mehr oder weniger zu den „Emporkömmlingen“ der 70er. Manche Fahrer wie Brabham und McLaren hatten bereits in den 60er Jahren ihr eigenes Team gegründet, andere wie Surtees, Hill, Amon, Fittipaldi, Merzario, Kauhsen, und Rebaque folgten nun deren Beispiel. Matra, Lola, March und Williams waren zwar recht professionell, aber es fehlte das Geld für wirklich gute Autos oder Spitzenfahrer. Und dann die endlose Liste der Kleinen und Kleinsten - Bellasi, Connew, Eifelland, Tecno, Ensign, Shadow, Hesketh, Lyncar, Maki, Parnelli, Penske, Token, Trojan, Kojima, Ligier, LEC, Wolf, ATS, Martini, und Theodore. Überlebt haben nur wenige, Ferrari natürlich, McLaren und Williams, und - unter neuem Namen - Ligier (Prost).
Was führte zu dieser Flut von teilweise skurrilen Konstruktionen? Nun, wie schon gesagt, zum einen war es relativ einfach und preisgünstig einen eigenen Wagen auf die Räder zu stellen, und zum anderen waren es die Sponsormillionen, die scheinbar auf der Strasse lagen, und zu einer Art Goldgräberstimmung führten. Manche Konstrukteure und Fahrer wollten ganz einfach ein grösseres Stück vom Kuchen abhaben, und glaubten deshalb, mit eigenen Konstruktionen Sponsormillionen scheffeln zu können. Auf der anderen Seite gab es Firmen, die unbedingt ihr Geld loswerden wollten, wie Eifelland (Wohnwagen), LEC (Kühlschränke), und Kojima (Bananenimporteur), oder gelangweilte Millionäre mit Geltungsbedürfnis wie Walter Wolf, Teddy Yip, und Lord Hesketh.
Nicht vergessen wollen wir aber auch die endlose Zahl der Privatteams, die nicht mit eigenen Konstruktionen, sondern mit - meist älteren - Autos anderer Konstrukteure an den Start gingen. Alles in allem ein buntgemischtes Völkchen aus Profis und Amateuren, knallharten Geschäftsleuten und Idealisten, Millionären und Habenichtsen, begnadeten Konstrukteuren und smarten Werbemanagern - eben die Formel 1 der 70er Jahre.