Mal ein paar Worte zu Graham Hills glück- und erfolgslosen Team Embassy:
Nach 1972 war die GP-Karriere von Graham Hill - zu dieser Zeit bereits häufig als 'Auntie' Hill verspottet - faktisch vorrüber. Vielleicht hätte sich Hill nach seinem überraschenden Le Mans Sieg 1972 vom Rennsport zurückziehen sollen, aber seine Bemühungen den Posten eines Managers bei einem etablierten Team zu übernehmen scheitertern. Daher war der Schritt des Rennsportbesessenen (nämlich ein eigenes Team aufzubauen) naheliegend. Hill konnte mit Imperial Tobacco (die ja zeitgleich z.B. mit JPS auch Lotus finanzierten) auch gleich einen größeren Sponsor aufweisen, aber das Geld floss nicht so üppig wie man bei einer Komplett-Karosserie-Lackierung wohl angenommen hätte. Das Team nannte sich Embassy Racing with Graham Hill und residierte in einer Fabrik in Feltham.
Das Debüt des Teams Embassy Racing with Graham Hill fand 1973 in Montjuich statt
Auf der 'Hardware'-Seite begann eine Partnerschaft mit der aufstrebenden Marke Advanced Vehicle Systems (bekannter als Shadow) der ehemaligen U.S.-Offiziers Don Nichols. Von denen konnte man einiges erwarten - besonders nach ihren CanAm-Erfolgen und der geballten personellen Kompetenz in Form von Alan Rees, Tony Southgate & Jackie Oliver. Aber vergebens: weder das Werksteam mit Jackie Oliver & George Follmer, noch Hills Semi-Werksteam konnten mit den Autos viel erreichen. Denn leider hatte Southgate, der vorher nur GP-Autos mit V12-Motoren konstruiert hatte, die vernichtenden Vibrationen eines Cosworth-V8 außer Acht gelassen und das Team hatte massive Schwierigkeiten die Sache in den Griff zu bekommen. Hills Wagen war übrigens KEIN echter Shadow, sondern wurde in Northhampton/England bei einer Firma T.C. Prototypes zusammengeschraubt - von Hills eigenen Mechanikern; man könnte etwas frech sagen: Graham Hill erwarb von Shadow einen Bausatz!
Sein erstes Jahr war also - gelinde gesagt - eine Katastrophe: das 1-Mann (bzw. 1-Auto)-Team kämpfte das ganze Jahr mit einem konkurrenzunfähigen Auto und fuhr die Saison nicht mal komplett zu Ende.
Hill wandte sich daher bereits im Sommer an Lola, die seit über 10 Jahren allerdings keine F1-Autos mehr gebaut hatten. Der Lola T370, von dem vier Fahrzeuge entstehen sollten, wurde ein großes und schweres (sogar DAS schwerste) Auto der Saison 1974 - und auch ein außergewöhnlich hässliches (sollte eigentlich einen Platz in dem entsprechenden Thread finden). Im Großen und Ganzen folgte es der Linie der damals erfolgreichen F5000 Lola T330/332, von dem 56(!) Stück gebaut worden sein sollen. Erste geheime Tests fanden (mit Frank Gardner am Steuer) im Oktober 1973 in Snetterton statt. Den Prototyp verschrottete Graham Hill bei einem schweren Trainingsunfall in Silverstone Ende November 1973 - Unfallursache unbekannt!
Embassy verlängerte nach langem Zögern zu Saisonbeginn seinen Kontrakt mit Hill - und nun konnte man auch zu einem 2-Fahrer-Team aufstocken.
Der Hill-Lola von 1974: durch die riesige Airbox massiv entsellt!
Sein Debüt hatte der Lola in Argentinien mit Hill und dem Lola-Formel 5000-Werksfahrer Guy Edwards; in England wurde ein dritter Wagen nachgeschoben. Im Allgemeinen hatte Hill seinen Teamkollegen im Griff - was angesichts von Hills nachlassenden Fähigkeiten nicht unbedingt für Edwards sprach. Nach einem Unfall (als er bei einem F5000-Test mit Martin Birranes Brabham BT43 kollidierte!), bei dem er sich das Handgelenk bracht, wurde er für einmal von Peter Gethin ersetzt. Kurz darauf wurde er nach einer Nichtqualifikation in Deutschland gegen Stommelen ausgetauscht, der - besonders im Qualifying - ansprechende Zeiten aus dem Wagen kitzelte. Außerdem war das Auto recht zuverlässig und kam meist im Mittelfeld an. Punkte gab es aber (für einen 6. Platz in Anderstorp - herausgefahren von Chef Hill persönlich) nur ein Mal. Eigentwicklungen an dem Auto führten zu nichts - und etwas frustiert musste Hill gegen Saisonmitte in Zeltweg wieder zur Lola-Werkseinstellung zurückkehren (was nicht unbedingt ein gutes Licht auf Hills Techniker wirkft).
Da aber auch Hill langsam nach Höherem strebte, finanzierte er im Winter 1974/75 den Entwurf und die Konstruktion einer Weiterentwicklung des T370, den T371 (wie er in der Lola-Ahnengalerie heisst). Dieser Lola sollte schnell als Hill GH1 bekannt werden. Der Wagen war Lola-typisch, mit hinter den Vorderrädern angebrachten Wasserkühlern, à la Ferrari. Das Antriebsaggregat - wie sollte es anders sein - stammte weiterhin von Cosworth. Für den Entwurf dieser Autos war nun Andy Smallman allein verantwortlich.
Bevor es aber so weit war, hatte Hill noch einen neuen Pfeil im köcher: Hill bekam zu Testzwecken einen V12 aus Alfa Romeos Sportwagenprogramm geliefert und hoffe damit einen entscheidenen Vorteil gegenüber der meist Cosworth-befeuerten (britischen) Konkurrenz zu haben. Die Partnerschaft zerschlug sich noch in der Verhandlungsphase. So musste er mit dem Lola-Cosworth weitermachen:
Das Debut hatte der GH1/1 1975 in Kyalami, und Stommelen erreichte dort einen vielversprechenden siebten Rang. Da Hill seine Rennwagen nicht mehr ständig selbst fuhr, setzte er beim GP von Spanien Migault in den GH1/1, während Stommelen den nagelneuen GH1/2 (bei Lola intern T372 genannt) fuhr. Gegen alle Warnungen des Konstrukteurs installierte man auf der holprigen Strecke an Stommelens Wagen versuchsweise einen Heckflügelträger aus Karbonfiber, der seinen Anforderungen aber nicht gerecht werden sollte. Nachdem bereits in der Anfangsphase des Rennens das Starterfeld durch Unfälle dezimiert wurde, sah sich Stommelen plötzlich in Führung. In der ersten Kurve dieser GP-Strecke gab es noch immer den gefürchteten Buckel, der dem Flügel des legendären Lotus 49B bereits 1969 zum Verhängnis wurde. Exakt an der gleichen Stelle brach auch jetzt Stommelens Heckflügelträger. Sein Wagen wurde über die Leitplanken geschleudert und tötete fünf Zuschauer. Daraufhin wurde das Rennen sofort abgebrochen.
Die Überreste einer Katastrophe: Hill GH1/2 in Montjuich 1975
Stommelen, der erhebliche Verletzungen erlitt, musste mehrere Monate pausieren. Trotz dieses enormen Schocks machte das Team weiter. Hill musste wieder selbst ins Lenkrad greifen, aber nun war eindeutig nichts mehr mit ihm anzufangen - auf seiner 'Heimstrecke' Monaco konnte er sich nicht qualifizieren! Daher musste er nun endgültig den Helm an den berühmten Nagel hängen und jüngeren Fahrern wie Tony Brise, Alan Jones, François Migault, Vern Schuppan und später wieder Rolf Stommelen das Cockpit seiner Wagen überlassen. Ein Rennen von Hill muss hier noch Erwähnung finden - nämlich seine Abschiedsvorstellung in Silverstone 1975, als er noch einmal im Training im GH1 auftauchte. Ein ernsthafter Qualifikationsversuch war das indessen nicht - es war eher ein Abschied von seinen Fans. Heute wissen wir - er sollte auch als Teamchef nie mehr an einem britischen GP teilnehmen.
Der fehlende Helm zeigt es: Hills letzter Auftritt in Silverstone 1975 war kein ernste Qualifikations-Versuch mehr
Hills größter Erfolg war der fünfte Platz für Alan Jones am Nürburgring 1975
Hills größte Entdeckung war zweifelsohne der sehr begabte Tony Brise (der übrigens ein Studium der Wirtschaftswissenschaften hinter sich hatte), der 1975 neun Rennen fuhr und einmal, in Schweden, Sechster werden konnte. Die Kombination Hill/Brise erschien, vor allem für die Zukunft, sehr vielversprechend. Aber auch Jones kam mit dem Wagen sehr gut zurecht und erreichte in Deutschland sogar einen fünften Platz. Insgesamt sollte am Ende dieser Saison zwar nur Platz 11 in der Konstrukteursweltmeisterschaft herauskommen, für das nächste Jahr hatte sich das Team aber viel vorgenommen.
Da hoffte man noch auf die neue Saison: Tony Brise und der GH2 während der Testphase
Ein von Smallman entworfener neuer Wagen, der GH2 wurde im Winter 1975/76 fertig. Das wäre dann wirklich der erste ECHTE Hill in der F1 gewesen - aber so weit sollte es nicht mehr kommen. Da die ersten Tests in Ricard etliche Probleme aufwarfen, entschloß man sich, zurück nach England zu fliegen, um diese dort zu lösen. Als Hills Piper Aztec (die sich Hill einst von seinem Preisgeld des Indy-Siegs gekauft hatte), in dem außer dem Ex-Weltmeister noch Testfahrer Tony Brise, Designer Andy Smallman, Team-Manager Ray Brimble und die beiden Mechaniker Tony Richards und Tony Alcock saßen, das neblige London erreichte, stürzte die Maschine, nachdem sie einige Bäume gestreift hatte, ab und explodiert ausgerechnet auf dem Golfplatz von Arkley, auf dem sich Hill für gewöhnlich die arbeitsfreie Zeit vertrieb.
Eine spätere Untersuchung ergab: Beide Höhenmesser waren falsch justiert, der Nebel in der Nacht war also gar nicht die Absturzursache. Durch Hills grenzenlose Schlamperei existierte für die Piper nicht die gesetzlich vorgeschriebene Haftpflichtversicherung. Die Familienangehörigen der getöteten, noch sehr jungen Teammitglieder verklagten Hills Witwe Bette, Mutter dreier heranwachsender Kinder, persönlich auf Schadenersatz und bekamen Recht. Die Queen of Motor Racing verlor das gesamte Familienvermögen und musste wieder als Sekretärin arbeiten.
Coronado Racing? Nie davon gehört? Diese Wagen sah man nur einmal - im freien Training von Monza 1975. Stommelen soll den Wagen für die Produktion eines Films namens 'The dusty way to death' gefahren haben. Nie etwas davon gehört - wahrscheinlich wurde der Film nie fertiggestellt. Vielleicht kriegte Hill ein paar 'Kröten' für die Aufnahme...
Und das Team? Nach Hills Tod wurde die Arbeit unterbrochen, ein einziger Wagen wurde dennoch vollendet - nämlich den, der oben 2x eingestellt wurde. Er überlebt als Ausstellungsstück in einem Museum. Wie es mit Team Hill ohne den Unfall weitergegangen wäre? Sponsor Embassy hatte den Etat für 1976 empfindlich gekürzt und wollte nur noch ein Auto unterstützen. Eine deutliche Entwicklung zum besseren kann auch ich (als großer Hill Fan) nicht ausmachen - wahrscheinlich wäre das Team auch eine gigantische Sackgasse gewesen. Gedenken wir lieber zum Schluss noch mal einem großen Fahrer und seinem unglücklichen Versuch ein eigenes Team aufzubauen.
Ich wünsche Euch allen einen guten Rutsch - gehe jetzt auch noch mal schnell ein Bier trinken. War zwar nicht gerade ein besonders gutes Jahr für mich, aber ab einem gewissen Alter (und ich befürchte in das komme ich langsam - wenn ich nicht schon drinnen bin) sieht man das gelassener. Also denn - HAPPY NEW YEAR...