Elio de Angelis’ Formel-1-Karriere im Überblick:
1979: Im Training geringfügig schneller als sein gleichfalls debütierender Teamkollege Jan Lammers, mit dem Shadow aber letztlich chancenlos; Wechsel zu Lotus
1980: Im Training schneller als Ex-Weltmeister und Lotus-Urgestein Mario Andretti, auch punktemäßig klar besser, immerhin WM-Siebenter (in seinem gerade einmal zweiten F1-Jahr mit gerade einmal 22 Jahren)
1981: Im Training geringfügig schneller als sein neuer Teamkollege Nigel Mansell, punktemäßig klar besser, immerhin WM-Achter
1982: Im Training wiederum geringfügig schneller als Mansell, auch punktemäßig besser, trotz Sieg in Österreich aber mit zunehmend weniger konkurrenzfähigem Material, "nur" noch WM-Neunter.
1983: Im Training wiederum schneller als Nigel Mansell (wobei der Vergleich etwas hinkt, weil Mansell bis zur Saisonmitte mit dem Saugmotor Vorlieb nehmen musste, während de Angelis schon den Turbo hatte), in den Rennen nahezu ständig ausgefallen, daher punktemäßig deutlich schlechter als Mansell.
1984: Über das Jahr betrachtet drittschnellster Qualifier (hinter Prost [McLaren] und Piquet [Brabham], aber vor beiden Werks-Renault und seinem Teamkollegen Mansell) mit vier Starts aus der ersten Reihe, punktemäßig klar besser als Mansell (den in jenem Jahr das Schicksal der häufigen Ausfälle traf), starker WM-Dritter hinter den beiden unter Rennbedingungen überlegenen McLaren-TAG (obwohl er erstaunlicherweise kein einziges Rennen als bester Nicht-McLaren beendete); man betrachte nur einmal die beste Position, die er im Laufe der 16 Rennen jeweils inne hatte: 3. 2. 4. 3. 2. 6. 4. 2. 2. 3. 1. 4. 4. 1. 7. 5.
1985: Im Training deutlich von seinem neuen Teamkollegen Ayrton Senna distanziert, dennoch im Frühjahr WM-Führender, selbst nach neun Rennen noch WM-3. (während Senna mit nur einem zählbaren Ergebnis – dem mittlerweile zur Legende verklärten Premierensieg im Regenrennen in Estoril – WM-9. war), am Ende WM-Fünfter (einen Rang hinter Senna).
Der augenscheinliche Leistungsabfall hatte allerdings Gründe. Dazu gibt es ein aufschlussreiches Interview von Mathias Brunner (MB) mit Elio de Angelis (EA), das „Motorsport aktuell“ am 22. Januar 1986 veröffentlichte. Hier einige Auszüge:
MB: Du bist mit dem vergangenen Jahr sicher nicht zufrieden.
EA: Für mich gab es 1985 zwei verschiedene Weltmeisterschaften. Der erste Teil der Saison war sehr erfolgreich, zum ersten Mal in meiner Karriere führte ich die WM an. Der zweite Abschnitt konnte meine Erwartungen bei Weitem nicht erfüllen, weil es zwischen mir und Lotus zu Unstimmigkeiten kam.
MB: Hattest du schon in Rio den Eindruck, dass sich alles bei Lotus auf den neuen Star Ayrton Senna konzentriert?
EA: Schon beim ersten Test, als Senna zum ersten Mal im Lotus saß, hatte ich diesen Eindruck. Es wurde im Verlauf der Saison einfach immer schlimmer, wie man alle Aufmerksamkeit Senna zuwandte.
MB: Gegen Ende der Saison hatte man das Gefühl, dass du nicht die Nummer 2 bei Lotus bist, sondern eine 6 oder 7.
EA: Man vernachlässigte mich immer mehr, das ist wahr. Aber was konnte ich schon tun? Anscheinend fehlte es bei Lotus entweder am Geld, am technischen Wissen oder am politischen Feingefühl, zwei Autos gleich zuverlässig und gleich liebevoll vorzubereiten.
MB: Wie ließ man dich spüren, dass du eigentlich nur noch eine Art Mitläufer warst?
EA: Die Nestwärme fehlte komplett, was besonders schmerzte, weil ich sechs Jahre für Lotus gefahren bin und dem Team in dieser Zeit sicher sehr viel geben konnte. Ich hätte von Lotus mehr verdient, als sie mir gegeben haben.
MB: Wie findet man unter diesen jämmerlichen Umständen noch die Motivation, schnell Auto zu fahren?
EA: Oh, das ist verdammt schwierig. Nicht nur, dass die fehlende Nestwärme auf deine Leistungen schlägt, du fühlst dich natürlich auch nicht gut. Obwohl ich mir bewusst war, was im Team vorgeht und warum man sich so auf Senna konzentriert, war es ungeheuer schwierig, das Jahr halbwegs ehrenhaft zu beenden.
MB: Du hast vor ein paar Monaten meinem Kollegen Eric Bhat erzählt, dass bei Lotus arge politische Fehler begangen werden. Du hast weiter gesagt, man werde Ende Saison mehr darüber erfahren. Nun ist die Saison vorbei.
EA: In meiner Position ist es nicht gut, über die Vorgänge bei Lotus zu sprechen. Ich habe eine Saison hinter mir, die von der Hälfte weg ziemlich schlecht verlief. Ich werde ganz sicher über die Missstände bei Lotus auspacken, wenn ich eine bessere Saison durchlaufe. Man glaubt dir mehr, wenn du Erfolg hast. Wenn ich jetzt über Lotus lästere, dann sagt jeder: Bäh, das sagt er ja nur, weil er sauer ist, dass man ihm Senna vor die Nase gesetzt hat. Man könnte meine Aussagen auch so auslegen, das ich nach Ausflüchten suche, meine kümmerlichen Resultate im Gegensatz zu Ayrton zu entschuldigen. Ich habe wirklich viel zu sagen über Lotus, aber ich will noch damit abwarten, bis ich mit Brabham Erfolg habe. Eines kann ich dir aber versprechen: Ihr werdet erfahren, wie man mit mir bei Lotus umsprang.
Leider ist es dazu nicht mehr gekommen.
Magic Mansell hat geschrieben:
Ich habe mal gehört, dass er ursprünglich sagte, mit 30ig sei Schluss mit der Formel 1. Später soll er diesen Rücktrittszeitpunkt auf 32ig hinausgeschoben haben. Er wäre somit wohl bis 89/90 geblieben und hätte danach an seiner Pianistenkarriere gebastelt.
Ebenfalls im vorgenannten Interview von Ende 1985 oder Anfang 1986 wird de Angelis [damals knapp 28 Jahre alt] auf die Frage, wie lange er noch GP fahren wolle und ob aus ihm gar ein zweiter Jacques Laffite [damals 42 Jahre alt] werde, wie folgt zitiert:
Ich werde sicher noch sechs Jahre fahren. Aber so weit wie Laffite werde ich wohl nicht gehen. Ich habe noch immer das große Ziel vor mir, Weltmeister zu werden. Ich habe noch viel Zeit dafür und sehe mich mindestens die nächsten fünf Jahre konkurrenzfähig genug, an der Spitze mitzufahren.