1. Mario Andretti
Auch mit 75 Jahren hat Mario Andretti heute noch einen messerscharfen Sachverstand in Sachen Motorsport. Jahrelang kritisierte er die Spaltung der IndyCar, jahrelang erklärte er die Struktur des US-amerikanischen Rennsports. Auch die Formel-1 hat er nach wie vor auf dem Schirm. Zur Eröffnung des neuen F1-Kurses in Austin (Texas) klemmte sich auch Andretti noch einmal hinter das Steuer seiner früheren Rennwagen. 2010 war er sogar kurzfristig als Teamchef beim heutigen Caterham-Team im Gespräch, wollte sich in das Projekt von Tony Fernandes aber auf jeden Fall einbringen.
Der Hintergrund: Das Caterham-Team startete 2010 ja als Team Lotus und Andretti holte sich 1978 auch seinen WM-Titel in einem Lotus Ford. Damals aber noch für das richtige, unverwechselbare und einzigartige Lotus-Team von Colin Chapman. Wenn Andretti einen Grand Prix gewann, dann flog am Streckenrand noch der berühmte Hut von Chapman in die Luft. Und gewonnen hat er gerade 1978 oft: Chapman packte vor der Saison wieder einmal einen seiner zahlreichen technischen Geniestreiche aus, erfand das Ground-Effect-Auto, also jene Konstruktion, die dafür sorgt, dass sich so wenig Luft wie möglich am Unterboden der Rennwagen befindet und der Wagen noch mehr auf der Strecke klebt. Lotus war 1978 dominant, Andretti wurde überlegen Weltmeister.
Dabei hatte Andretti aber auch einen starken Teamkollegen: Ronnie Peterson. Andretti war bei Lotus die Nummer eins, Peterson aber gerade im Qualifying doch immer wieder etwas schneller. Bis heute heißt es immer wieder, Lotus hätte im Quali sogar extra mehr Benzin (also mehr Gewicht) in den Lotus von Peterson gepumpt, damit der sich ja hinter Andretti qualifiziere. Was aber nicht immer gelang.
F1-Weltmeister 1978
Aber Andretti war fahrerisch natürlich einer der Besten. Beweis gefällig? Als Andretti 1968 beim USA-GP sein Debüt (auch für Lotus) gab, qualifizierte er sich eiskalt für die Pole-Position! Bis zum ersten seiner zwölf F1-Siege im Rahmen der WM dauerte es aber dann doch noch ein bisschen: Beim Südafrika-GP 1971 gewann er in Ferrari-Diensten.
Andretti fuhr aber nicht nur in der Formel-1, sondern auch in der IndyCar, dem US-amerikanischen Pendant. In der Formel-1 war er zwischen 1968 und 1982 am Start (für Lotus, STP, Ferrari, Parnelli Jones, noch mal Lotus, Alfa Romeo, Williams und noch mal Ferrari), in der IndyCar aber noch viel länger: 30 Jahre lang startete er dort, von 1964 bis 1994! Aber nur für sechs Teams: Dean Van Lines, STP (Andy Granatelli), Parnelli Jones, Penske, Patrick und Newman Haas. Als er sich Ende 1994 zurückgezogen hat, fuhr er bereits gegen seinen Sohn Michael Andretti – und das auch noch in ein und demselben Team (Newman Haas)! Und Andretti war auch noch richtig gut, seinen letzten von 52 Siegen feierte er in Phoenix 1993. Nur AJ Foyt ist mit 67 Siegen erfolgreicher als Andretti.
Auch in der Formel-1 wäre er aber später noch einmal beinahe zu GP-Einsätzen gekommen: 1984 stand er beim USA-GP für Renault Gewehr bei Fuß, falls Patrick Tambay nicht wieder gesund geworden wäre. Und 1989 sollte Andretti beim Grand Prix von Monaco für Gerhard Berger einspringen. Der inzwischen 49-Jährige wollte zuvor aber eine Testmöglichkeit, bekam die nicht und lehnte die Rückkehr-Option daher ab.
Erfolgreich bis ins hohe Alter
Erfolgreich war er in jenen Jahren ja eben durchaus noch. Seinen letzten IndyCar-Titel holte er 1984 in einem Lola Ford von Newman Haas. Es war der vierte Titel, die ersten drei holte er sich jeweils mit drei verschiedenen Fahrzeugen! 1965 mit einem Blum Offenhauser, Brawner Hawk Ford und Kuzma Offenhauser, 1966 Brawner Hawk Ford, Vollstedt Ford und Kuzma Offenhauser und 1969 in einem Brawner Hawk Ford, Lotus Ford und Kuzma Offenhauser.
Beim IndyCar-Höhepunkt in Indianapolis gewann er aber nur einmal: 1969 auf einem Brawner Hawk Ford. 2003 sollte er im Team seines Sohnes Michael Andretti mit 63 Jahren noch einmal ein Comeback geben. Geplant waren erst einmal nur Testfahrten für den verletzten Tony Kanaan, doch bei denen war er so schnell, dass sogar über ein sensationelles Comeback spekuliert wurde! Doch die waren bald vorbei, als Andretti einen heftigen Crash hatte und er in die Fangzäune flog. Wieder einmal schlug das Andretti-Pech in Indianapolis zu – wie so oft, und wie auch bei der gesamten Andretti-Familie.
Und die ist groß: Auch Marios Zwillingsbruder fuhr Rennen, hatte dann aber einen schweren Unfall und hing den Helm an den Nagel. Nur 1969 stand er auf dem Fahrerfoto der Indy-500-Piloten – aber nur weil er seinen Zwillingsbruder Mario vertrat. Der spätere Gewinner hatte einen schweren Trainingsunfall und zog sich dabei Gesichtsverletzungen zu. Aldo und Mario Andretti sind übrigens erst in der Kindheit nach Amerika ausgewandert. Geboren sind sie in Italien, in Istrien, was heute zu Kroatien gehört. Auch Aldo hat zwei rennfahrende Söhne: Adam und John Andretti. Adam wurde 2000 immerhin amerikanischer F3-Meister, John fuhr von 2007 bis 2011 IndyCar-Rennen und wurde 2010 im Team von Michael Andretti beim Rennen in Kansas Neunter.
Die riesige Andretti-Dynastie
Mario Andretti hat ebenfalls zwei Söhne, die im Rennsport aktiv waren. Michael Andretti, der es 1993 sogar zu einer Saison in der Formel-1 brachte und heute noch den aktuellen IndyCar-Rennstall Andretti leitet, sowie Jeff Andretti, der 1991 beim Indy-500 erstmals unterwegs war, ein Jahr später aber einen schweren Crash in Indianapolis hatte und danach nur noch ganz wenige Rennen bestritt. Michael Andrettis Sohn Marco Andretti ist inzwischen auch in der IndyCar aktiv, fährt natürlich im Team des Vaters, absolvierte 2006 auch schon einen F1-Test für Honda und brachte sich zuletzt selbst für ein Cockpit beim neuen US-F1-Team Haas ins Gespräch.
Was Mario Andretti noch fehlt: Ein Sieg beim 24-Stundenrennen von Le Mans. 1995 wurde er auf einem Courage gemeinsam mit Bob Wollek und Éric Hélary immerhin Zweiter. Mit einem Sieg hätte Andretti die Triple-Crown geschafft: F1-Weltmeister, Sieg in Le Mans und Sieg beim Indy-500. Aber selbst seinen größten Triumph, den WM-Titel 1978, hätte es beinahe nicht gegeben: Vor der Saison wurde über einen Wechsel von Andretti zu Ferrari spekuliert. Aber er blieb bei Lotus – und wurde nur daher Weltmeister.