Keiner hat zwar für 1961 bisher gestimmt - das hält mich aber trotzdem nicht davon ab diesen Aufatz über das Rennen, bzw Phil Hill zu posten - den habe ich 1992 mal gelesen:
Phil Hill ist ein liebenswürdiger, gebildeter Mann aus Santa Monica/Kalifornien, der eigentlich nicht wie ein harter Rennfahrer, sondern in eher in leisen Tönen spricht, er begann sein 'Rennleben' als Mechaniker. Nachdem er in einem MG Geschmack am Rennfahren gefunden hatte, machte er über die Zwischenstation Le Mans seinen Weg als Rennfahrer bis in die höchste Klasse, wo er 1958 sein Debüt in einem Ferrari gab. Bis ins Jahr 1963 fuhr er ausschliesslich für Ferrari, abgesehen von einem einzigen Rennen in Riverside/USA 1960, bei dem er einmal einen Cooper steuern musste, weil Ferrari nicht teilnahm. Enzo sagte damals, 'er würde schon in den USA an den Start gehen - wenn jemand anders die Rechnung bezahlte...' - keiner tat's - also musst sich Hill nach etwas anderem umsehen...
Hill hatte beileibe kein ungetrübtes Verhältnis zu Enzo Ferrari, was er selbst so formuliert: 'Ich hatte nie ein richtiges Verhältnis zu ihm. Er war immer sehr bemüht zu zeigen, dass er der Boss war. Es könnte natürlich auch etwas in meiner Persönlichkeit und meinem Charakter gegeben haben, mit dem er nicht warm wurde. Ob das so war, weiss ich nicht - alles Spekulation. Auf jeden Fall - wir hatten nie ein gutes Verhältnis. Ich glaube allerdings auch nicht, dass viele Leute das hatten. Mir fallen auf Anhieb nicht sonderlich viele Menschen ein, die gut mit ihm auskamen. Ich weiss, dass er Dan Gurney gut leiden konnte, weil Gurney stets mit einem fröhlichen Grinsen daherkam, mit dem er die Leute gewissermassen entwaffnete. Aber so etwas war nicht meine Art, besonders nicht, wenn ich erkannte, dass etwas schief lief.
Warum wir nicht so gut miteinander auskamen, weiss ich also im Grunde selbst nicht. Es gab nie ein richtig böses Wort oder offenen Streit zwischen uns. Ich erinnere mich, dass ich mich EIN MAL bei ihm beschwerte. Das war, glaube ich, in jener Woche in Monza. Ich beklagte mich wegen der Windschutzscheibe an unserem Auto, und Enzo machte daraufhin eine spitze Bemerkung, wonach ich lieber meinen Fuss auf dem Gas lassen sollte oder so ähnlich. Ich fauchte ziemlich zurück - und Enzo schaute mich ziemlich entgeistert an.'
Wie auch immer, der Ferrari war das Siegerauto der Saison 1961. Nachdem Moss in im Walker-Lotus das erste Rennen in Monaco gewonnen hatte, standen nur noch Ferrari-Fahrer ganz oben auf dem Treppchen: Trips in Holland; Hill in Belgien; danach kam Frankreich, wo Hill nach Unfall und Trips mit Motorschaden ausschieden - und der halb-offizielle Ferrari von Baghetti gewann; Trips gewann dann wieder vor Hill in England. Die Siegerehrungen waren bei jedem Rennen fast identisch. Vor Monza, dem vorletzten Rennen der Saison, hatte Trips 33 Punkte, Hill 29. Die besten fünf Punktresultate zählten, und beide waren bereits fünfmal in die Punkte gefahren, wobei Hill als schlechteste Plazierung einen dritten, Trips einen vierten Platz verzeichnete.
Hill weiter: 'Ich kam ganz gut aus mit Trips - aber wer kam das nicht. Er war ein Luftikus und nicht besonders ernsthaft. Nicht, dass er das Rennfahren nicht ernst genommen hätte, aber nach meinem Empfinden nahm er alles auf die leichte Schulter. Wir waren in der Beziehung sehr verschieden. Die Menschen sind unterschiedlich, wie jeder weiss, und sehr häufig kann man es selbst gar nicht so genau sagen, warum man sich mit dem einem Menschen völlig auf einer Wellenlänge fühlt, mit dem anderen nicht. Ich wurde nie so ganz warm mit Kollegen, die kein besonderes Interesse an der technischen Seite der Rennfahrerei hatten, und Trips war so einer. Er wusste, was Zündkerzen waren, und damit hatte es sich.
Ich hatte vor Monza ein optimistisches Gefühl, was mein Auto betraf. Es wurden in der Woche vor dem Rennen einige technische Änderungen vorgenommen. Das Auto wurde etwas höher gelegt, und der negative Sturz der Hinterräder wurde am ersten Trainingstag verringert, weil uns die Dunlop-Leute dazu rieten - wegen der Temperaturen an den inneren Rändern der Reifen. Das machte sich wirklich an den Rundenzeiten bemerkbar Ich glaubte ausserdem zu wissen, was an meinem Auto nicht stimmte. Die ganze Saison über war am Motor schon das Problem aufgetreten, dass die Ventilfedern unter grosser Belastung zum Brechen neigten. Ich war der Meinung, genau das musste an meinem Auto passiert sein, als wir Mitte der Woche Tests durchführten. Ich hatte meinen Motor dabei wohl bis in den Bereich hochgedreht, in dem die Federn brachen. Mein Auto war das einzige, das noch keinen der modifizierten Motoren drin hatte.
Aber das ganze erste Training in Monza war ein einziges Fiasko. Ich fuhr aus der Box, schaltete vom ersten Gang in den zweiten, legte den Schalthebel in die Position des dritten Gangs - aber ich war wieder im ersten! Ich brauchte eine halbe Stunde, bis ich unsere Leute davon überzeugt hatte, dass mit der Einstellung des Schaltgestänges etwas nicht stimmte - zuerst hielten sie mich für UNFÄHIG. Damit war dieses Training praktisch schon für mich gelaufen. Richtig aufgeregt habe ich mich aber erst, als es hiess, ich würde keinen neuen Motor bekommen. Es war eigentlich nicht meine Art, Theater zu machen, aber es war in diesem Fall eindeutig, dass etwas am Auto nicht stimmte. Ich war in Monza immer schnell gewesen, nur diesmal nicht.'
Es war - ungewöhnlich für Monza - regnerisch an diesem ersten Trainingstag. Trips erwischte glücklicherweise noch eine trockene Phase und fuhr mit 2:46,8 die schnellste Zeit.
Und merkwürdige Regeln gab's 1961. In jemen Jahr wurde von den Fahrem gefordert, eine Rundenzeit zu erzielen, die um nicht mehr als 15 Prozent über der Bestzeit lag. Ansonsten waren sie nicht qualifiziert. 25 Sekunden betrug die Spanne in diesem Fall. Aussergewöhnlich war auch, dass die Organisatoren eine Gebühr von 5.000 Lire von jedem Fahrer verlangten, der vorher noch nie auf dem Streckenteil mit den Steilwandkurven gefahren war In Grossbritannien war es bis dato noch unbekannt, dass Rennfahrer, die zu Einladungsrennen fuhren, Scheine in die Tasche stecken mussten, damit sie dort ihrem Vergnügen frönen durften.
Ferrari sorgte für eine rein rote erste Startreihe, wobei Trips , wie bereits erwähnt, überraschenderweise Schnellster war, der unglaublich starke Rookie Ricardo Rodriguez war aber nur ein Zehntel langsamer war; Baghetti, der Sechster war, entging in der Südschleife des Steilkurventeils knapp an einem bösen Unfall vorbei, als sein Ferrari plötzlich kreiseind nach unten abrutschte. Die Oberfläche war fürchterlich uneben. Man konnte die Autos hüpfen und springen sehen. Die Stossdämpfer hatten Schwerstarbeit zu leisten.
Man konnte auch sehen, dass Hill langsam war - ansonsten war der Ami beileibe kein Langsamer - er hatte vorher 5 Poles in Folge mit dem Ferrari erreicht.
'Ich hatte schon häufig dort den Rundenrekord gehalten, und jetzt stand ich plötzlich nur in der zweiten Startreihe. Woran das lag, wollten wir genauer wissen. Wir unterteilten die Runde in zwei Hälften, einmal die alte Strecke und einmal den Steilkurventeil, und das ergab zusammen die Gesamtzeit. Wir stellten fest, dass ich in den Steilkurven langsam war, während ich das auf dem Restkurs teilweise wieder aufholen konnte. So entschloss man sich endlich, mir doch einen neuen Motor zu geben. Schon am frühen Morgen war ich an der Strecke, um zu schauen, ob alles klar ging, ob der Gaszug richtig eingestellt war und so weiter Ich wollte mich vergewissern, dass mein Auto gut lief, und dem war auch so. Jetzt hatte ich ein gutes Gefühl für das Rennen. Die Mechaniker sagten mir, sie hätten festgestellt, dass wirklich einige Ventilfedern gebrochen waren. Das hob meine Stimmung natürlich noch mehr. Mein Theater war also berechtigt gewesen.'
Zum Rennen: Rodriguez bewegte sich schon vor dem Startzeichen nach vorne, wartete dann aber doch auf Hill, und zusammen schossen sie los. Vorübergehend schob sich Rodriguez nach vorne, aber dann zog Hill an ihm vorbei. Das Feld war mit 32 Autos so groß, dass die letzten erst über die Startlinie fuhren, als Hill und Rodriguez schon 13 Sekunden unterwegs waren.
Als die Autos zum ersten Mal aus den Steilkurven kamen und die erste Runde absolviert war, führte Hill vor Ginther, Rodriguez, Clark und Brabham.
Trips, der aus der Pole den Start völlig verpennt hatte, gab mächtig Gas und ging an Brabham und Clark vorbei, aber eingangs der Parabolica schien er die Gewalt über das Auto zu verlieren, und er touchierte den Lotus von Clark. Der Ferrari stieg in die Luft, überschlug sich und flog mit dem Heck voran in einen Maschendrahtzaun, an dem dichtgedrängt die Zuschauer standen. Trips wurde aus dem Cockpit geschleudert und war auf der Stelle tot. Aber es kam noch schlimmer - Das Auto hatte unter den am Zaun stehenden Zuschauem Fürchterliches angerichtet, bevor es wieder auf der Piste landete und dort völlig demoliert zum Stehen kam. Auch der Lotus von Clark überschlug sich, aber der Schotte kam unverletzt davon. Eine Weile herrschte völlige Verwirrung. Streckenposten versuchten hastig, das Wrack des Ferrari von der Strecke zu entfernen, während andere sich um die Toten und die Sterbenden kümmerten. Es war ein grauenhaftes Bild, wie der Ferrari seitlich nach oben geschleudert wurde, wobei die Steilkurve zur Startrampe wurde, dann sich dreimal in der Luft drehte, aufprallte, in Richtung der Fahrbahn zurückzog, sich dabei noch einmal drehte und schliesslich auf die Piste knallte.
Hatte Trips wirklich die Gewalt über das Fahrzeug verloren? Clark meinte dazu später: 'Ich weiss nichts mehr ab dem Moment, als Trips und ich uns mit den Rädern berührten. Als sein Auto von der Strecke gezogen wurde und ich seine Leiche sah, ging mir das durch Mark und Bein. Was ich fühlte, kann ich nicht beschreiben. Aufjeden Fall ging's mir hundeelend. Gerade eben hatte ich noch im Rennwagen gesessen, hatte es genossen, und jetzt stand ich da vor einem Schlachtfeld. Ich wollte in diesem Augenblick nie wieder einen Rennwagen sehen.'
Brabham beurteilte den Unfall so: Ich meine, es war einfach eine dieser dummen Geschichten, wie sie jederzeit passieren können, gerade auf einem Kurs, auf dem viel im Windschatten gefahren wird. Ich glaube nicht mal dass Jim und Trips in jenem Moment miteinander im Clinch waren, wie das damals vermutet wurde. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob sie die einzigen beiden waren, die in den Unfall verwickelt waren. Es könnte auch ein Dritter beteiligt gewesen sein, der einen von beiden anschubste, was dazu führte, dass der Lotus zu nahe an den Fenaü herankam. Bei dieser Geschwindigkeit, zu einem frühen Zeitpunkt im Rennen auf einer Windschattenstrecke ist so etwas eigentlich immer möglich. Jim war immer ein Fahrer, mit dem man sich ein hartes Duell tiefem und darauf vertrauen konnte, dass er nichts Unvernünftiges machen würde - Trips hatte vorher schon einige Crashs durch unüberlegtes Verhalten ausgelöst - und in diesem Jahr saß er in einem Siegerauto, was ihn vielleicht übermotivierte...'
Die genauen Umstände wird man wohl nicht mehr herausfinden. Das einzige, was sicher ist, war, dass vierzehn Zuschauer ums Leben kamen.
Phil Hill fuhr, als es in die dritte Runde ging, ein ganzes Stück vor Clark und Trips und bekam überhaupt nichts von dem Unfall mit. Als er wieder die Parabolica erreichte, sah er zwar den Ferrari, wusste aber nicht, welcher es war, und er sah auch den Lotus. Aber die Monza-Runde war damals lang und nichts blockierte mehr in jenem Moment den Weg. Hill weiter: 'Als ich in jener Runde - es könnte auch die Runde danach gewesen sein - auf die Boxentafeln schaute, auf denen die Reihenfolge stand, sah ich den Namen Trips nicht. Da wusste ich, dass er es war, der nicht mehr im Rennen war.' Hill ahnte freilich nicht im entferntesten, was für ein schlimmer Unfall es gewesen war.
Ein typisches Windschattenrennen entwickelte sich. Brabham klebte hinter den Ferraris von Hill, Ginther und Rodriguez. Ginther setzte sich in Runde 7 an die Spitze, war aber noch am Ende derselben Runde schon wieder auf Rang 3 zurückgefallen. Die Taktik des Windschattenfahrens sorgte für ständige Positionswechsel. In Runde 9 schied Brabham mit überdrehtem Motor aus dem Führungsquartett aus, und das Rennen wurde zu einer 'Ferrari-Prozession, allerdings einer rasanten Prozession'. Baghetti schloss auch noch zur Spitze auf, und damit waren gar vier rote Renner in Front. Ginther ging wieder in Führung und hielt diese Position drei Runden lang, aber die Ferraris lagen so dicht zusammen, dass es eigentlich kaum eine Rolle spielte, wer der Spitzenreiter war.
Plötzlich steuerten Rodriguez und Baghetti gemeinsam die Boxen an. Bei Rodriguez war die Windschutzscheibe über und über mit Öl verschmiert, Baghettis Motor hatte den Geist aufgegeben. Die Mechaniker machten sich fieberhaft an den beiden Ferrads zu schaffen, aber es war nichts zu machen. Aus für beide. Das war in Runde 13. Wie Autosport berichtete, war man bei Ferrari 'äusserst besorgt. Hektisch wurden den beiden Amerikanern Anweisungen von der Box gegeben. Die Folge war, dass sie ihr Tempo leicht drosselten und sowohl Moss als auch Gurney aufkamen. Die beiden lieferten sich einen prachtvollen Zweikampf, überholten sich gegenseitig ein ums andere Mal.'
Ab Runde 20 begann Ginther zurückzufallen. Sein Motor hatte mit einem Mal nicht mehr den 'kemigen Ton', und in Runde 24 stellte auch er seinen qualmenden Ferrari an der Box ab.
Nun war Hill allein an der Spitze. Er empfand Genugtuung darüber, dass es 'offensichtlich doch berechtigt gewesen war, mich zu beschweren, denn meiner war der einzige Ferrari, der ins Ziel kam. Alle anderen fielen aus.' Hill gewann das Rennen mühelos. 31,2 Sekunden Vorsprung hatte er am Ende vor Gumey, und er reckte triumphierend den rechten Arm in die Höhe, als er über die Ziellinie fuhr und ein rundlicher Funktionär ihn mit der karierten Flagge abwinkte.
Die italienische Polizei suchte derweil nach Jim Clark. Brabham hatte den Eindruck, dass 'die Polizei anrückte und unbedingt jemanden verhaften wollte. In diesem Fall traf es Clark. Er musste sich eine Weile in seinem Hotelzimmer verstecken und wurde dann in Windeseile und klammheimlich zum Flughafen gebracht, wo er sich aus dem Staub machte. Einer anderen Version zufolge wurde er rasch in dem kleinen Privatflugzeug von Colin Chapman aus dem Land geflogen. In jedem Fall türmte er ziemlich Hals über Kopf...
Hill fuhr an die Box. 'Die Menschenmenge versammelte sich weiter oben beim Tor, wo immer die Siegerehrung stattfand. Ich schaute unseren Chefingenieur Carlo Chiti an und mir fiel sofort auf, dass er gar nicht so glücklich aussah, wie ich erwartet hatte. Ich fragte: 'Was ist mit Trips?' Er zögerte und hatte einen bestimmten Ausdruck im Gesicht, sagte nur: 'Fahr mit dem Auto 'rüber in den Zielbereich. Sie warten dort auf dich.' Ich hatte verstanden. Es war etwas Schlimmes passiert. Ich war hin- und hergerissen, wie ich mich in dieser Situation fühlen sollte. Ich vermied die Pose des strahlenden Siegers, weil ich das Gefühl hatte, das wäre wohl unpassend. Ganz sicher war ich mir nicht, was mit Trips war, aber ich hatte schon so eine dumpfe Ahnung. Davon, dass auch Zuschauer umgekommen waren, hatte ich keine Ahnung. Das erfuhr ich erst, als die Siegerehrung vorbei war und ich mit verschiedenen Leuten reden konnte. Es war irgendwie genauso wie in Le Mans 1955, als ich auch schon dabei war. Damals hatte ich den schrecklichen Unfall ähnlich erlebt. Wir fielen mit unserem Auto aus und fuhren gleich danach in unser Hotel. Erst am nächsten Morgen lasen wir in der Zeitung, was da Fürchterliches passiert war.'