Bevor wir zu Ferraris CanAm-Jahr 1971 kommen noch ein Wort zum 512S (bzw. 1971 in den meisten Fällen der 512M) im allgemeinen und zu einem im speziellen; nämlich dem besten, schönsten, schnellsten 512 der Geschichte: der von US-Ferrari-Händler Kirk F. White und Roger Penske vorbereitete und eingesetzte blaugelbe Berlinetta. Dieses Auto zeigte, dass doch mehr Potential im 512 stecke, als man gemeinhin annahm - und was mit etwas Entwicklungsarbeit vielleicht möglich gewesen wäre.
Der Penske/White 512M fuhr auch mal in der CanAm-Serie, hier ein Bild aus Watkins Glen, wo er allerdings - nach starker Fahrt - in Runde 57 mit Motorschaden ausscheiden musste.
Es handelte sich ursprünglich um einen Spider 512S des Rennstalls Earle Cord Racing (#1040 - siehe meine Notizen zum Jahr Ferrari/CanAm/1970), der in eine M-Version verwandelt und als 512 Sunoco-Penske-White mit äußerster Sorgfalt überarbeitet und abgestimmt worden war. Die vom kalifornischen Spezialisten Traco modifizierten Zylinderköpfe gaben einige PS mehr ab, die Aufhängungen waren überarbeitet worden; am bemerkenswertesten aber war die tadellose, bis ins letzte Detail gehende Feinarbeit, wie z.B. das schnelle und sichere Tank-Einfüllsystem vom Typ Indianapolis, das bald darauf im Renneinsatz vorgeschrieben wurde, sowie ein Unterdruckverfahren, mit dem die Bremsbeläge in einer Minute ausgewechselt werden konnten, und vielen weiteren Details. Trainingsschnellster und hervorragend vom britisch-amerikanischen Team David Hobbs/Mark Donohue gefahren, war dem 512M Sunoco der Sieg in Daytona nur infolge eines Versagens der Benzinpumpe entgangen.
Der Kirk F. White-Ferrari in Daytona 1971: Das Auto erlitt im Rennen einen heftigen Unfall und musste regelrecht zusammengeflickt werden (habe selten so ein entstelltes Rennauto gesehen) - selbst das hielt das Auto nicht von seinem bemerkenswerten Speed ab.
Auch in Le Mans kämpften die Piloten dieses Autos (Hobbs und Donohue) während der ersten vier Stunden an der Spitze des Feldes und fuhren dicht hinter dem Spitzenwagen, als der Traco-Motor streikte. Man erzählt, dass Maranello (wo man die starken Leistung der Kirk F. White-Truppe durchaus wahrnahm) vor dem Start Roger Penske einen speziell für Le Mans abgestimmten Motor angeboten hatte, dass Penske aber den von Traco gebauten Motor vorzog, weil er größere Erfahrung mit ihm hatte. Ob man bei dieser Weigerung den ganz speziellen Anforderungen Rechnung getragen hatte, welche die Rennstrecke von Le Mans mit ihrer langen Geraden an die Teilnehmer stellt? Anforderungen, die Ferrari sicher besser kannte als Traco! Hier wurde sicher eine große Chance vergeben!
Zurück zu CanAm-Ferrari - unserem eigentlichen Thema:
Im Frühjahr, genauergesagt am 2.5.1971, fuhr anlässlich eines Interserienrennens der Protoyp des neuen Ferrari 712 - soweit ich weiß noch eingebaut in einen normalen 512er (#1010) mit Merzario am Steuer. Merzario gewann. Ungewöhnlich war auch die Anwesenheit Enzo Ferraris an der Piste - der eigentlich anonsten nie Rennen beiwohnte und sich nur hin und wieder mal zu GP in Monza blicken ließ. Ein Zeichen für die Wichtigkeit des Projekts?! Und sogar eine Äußerung Enzo Ferraris zum 712 ist überliefert: 'Der erste Ferrari dessen Zylinderinhalt eher Weinflaschen als Weingläßern entspricht (Humor, Humor)!
Bilder von dem Event habe ich LEIDER keine - würde mich selbst auch brennend interssieren. Vielleicht findet ja jemand was dazu...
'Meanwhile back in the States': Der von Earle-Cord Racing im nächsten Jahr wieder für Jim Adams eingesetzte 5-l-612/712 wurde 8. in Mosport (1. Lauf), 10. in Road Atlanta und wieder 8. in Laguna Seca. Aber das beste, von einem Ferrari in der Can-Am-Serie 1971 erzielte Resultat war ein 4. Platz Mario Andrettis in Watkins Glen.
Zwei Bilder vom Earle Cord Ferrari 1972. Oben in Donnybrooke 1970 (4., seine erste Fahrt) unten in Riverside 1971 (Ausfall/Bremsen - seine letzte Fahr).
Bei dieser Gelegenheit fuhr er einen interessanten Gr. 7-Prototyp mit der Typenbezeichnung 712, der von dem 512 abgeleitet worden war. Der Hubraum betrug jetzt 7 Liter, da aber die genauen Daten nicht bekannt sind, kann es sich hier entweder um den 6,9-l-Motor von 1969 oder um einen aufgebohrten 512 handeln, beide Triebwerke wiesen die gleichen Konstruktionsmerkmale auf. Der Rahmen war ebenfalls vom 512 abgeleitet worden, und nur die Radaufhängungen hatten sich geändert. Die Karrosserie, deren gesamte Frontpartie nach dem Vorbild des Ende 1970 entwickelten 512M entstanden war, von dem im nächsten Kapitel die Rede sein wird, wies eine ungewöhnlich eckige Silhouette auf. Beide Modelle hatten die gleiche stark abgeschrägte, kantige Front ohne Scheinwerfer. Das Profil der hinteren Kotflügel bildete mit den oberen Türkanten eine absolut gerade Linie, die direkt hinter den Rädern in eine senkrechte Rückwand überging. Über dem engen, zweisitzigen, von einem niedrigen Windschutz umgebenen Cockpit war ein verstärkter, solider Überrollbügel angebracht. Auf den dahinter liegenden, über das Karrosserieprofil herausragenden Einlaßtrichtern befand sich das gleiche Belüftungsgehäuse, das auch den 512M auszeichnete. Bei den ersten Testfahrten auf dem Autodrom von Modena erhielt der neue Ferrari einen breiten, leicht gewölbten Luftleitflügel, der aber im Renneinsatz nicht verwendet wurde.
Der am 25. Juli zum vierten Lauf der CanAm-Serie in Watkins-Glen eingesetzte 712-71 debütierte also - wie bereits erwähnt - vielversprechend mit Mario Andretti. Zu diesem Anlaß hatte Maranello den Luftleitflügel hinter dem Fahrersitz durch einen flacheren, über dem Heckspoiler angebrachten und von zwei Heckflossen eingerahmten Flügel ersetzt. Andretti, der beim Training 5. geworden war, beendete das Rennen auf einem ermutigenden vierten Platz, aber auch diesmal ließ es Ferrari bei diesem Teilerfolg bewenden, und der 712 tauchte erste wieder im nächsten Jahr auf. Aber dazu kommen wir später...
Mario Andretti im 712er in Watkins Glen 1971.
Weitere Ferrari Einsätze gab es von Sam Posey und dem N.A.R.T. 512 in Watkins Glen. Und natürlich fuhr auch der unermüdliche Herbert Müller noch einige CanAm-Rennen mit seinem 512er (bestes Ergebnis; 4. in Lexington). Bilder von Müller habe ich leiuder keine...
Der N.A.R.T.-Ferrari (#1020) in Watkins Glen.