So, machen wir mal mit Ferrari CanAm 1969 weiter - das rührigste Jahr von Maranello in Amerika:
Nach dem zu kurzen Einsatz des 612 CanAm während der Saison 1968 war Amon in heimischen Gefilde zurückgekehrt, wo er mit dem einsitzigen 2,4-l-Dino den tasmanischen Meistertitel davontrug. Der 612 blieb den Winter über in Maranello und zeigte sich erst wieder im März nach der Rückkehr seines Piloten. Dann wurden einige Testfahrten ohne den Luftleitflügel unternommen, und seine letzte Glanzleistung war ein absoluter Rundenrekord von 48,8 Sekunden auf dem Modaneser Autodrom.
Anfang Juli entdeckte man einen neuen, offenen Gruppe 7-Sportwagen auf der römischen Rennstrecke von Vallelunga. Chris Amon war wieder am Steuer, und Ingenieur Forghieri leitete die Abstimmungsarbeiten. Obwohl Radstand und Spurweite unverändert geblieben waren, hatte man die Karosserie beträchtlich verkürzt. Die schräg abfallende Front wies eine breite, von zwei rechteckigen Bremsbelüftungsöffnungen eingerahmte Kühleröffnung auf.
Auf der Fronthaube befand sich wieder eine Entlüftungsöffnung und für die Kühlung des links neben dem Motor angebrachten Ölkühlers sorgte ein kleiner, direkt davor liegender Einlaßschlitz. Bei dem Stummelheck, das in einen ziemlich großen Spoiler auslief, fehlte die Rückwand, was den Verfolgern einen ungehinderten Blick auf die riesigen Reifen, die Radaufhängungen und das Getriebe des seltsamen Fahrzeugs ermöglichte. Mit einem Chassis nach dem gleichen 'Aero-Prinzip', das 58 Zentimeter länger und 10 cm breiter geworden war, lag das Trockengewicht bei 680 kg, und bis zur Fertigstellung des angekündigten 6,9 -l-Motors hatte die neue Version des CanAm ein 40 PS stärkeres 6,2-l-Triebwerk erhalten.
Was den vierten Canadian American Challenge Cup betraf, der in diesem Jahr aus elf Läufen bestand, so waren die Austragungsdaten vorverlegt worden. Amon und der 612-69 konnten daher nicht rechtzeitig starten; sie versäumten die beiden ersten Rennen, waren aber am 13. Juli zum dritten Lauf einsatzbereit. Der Wagen hinterließ großen Eindruck, aber man wunderte sich über die geringe Zahl von Begleitpersonen. Die Formula 2 Entreprises Inc. bestand tatsächlich nur aus einem Ex-Journalisten und Rennleiter, zwei Technikern und einem Piloten, natürlich Chris Amon. Jedenfalls kam Amon, der nur an einer einzigen Trainingsperiode teilgenommen hatte, als 3. mit nur 23 Sekunden hinter dem siegreichen McLaren ins Ziel.
Ferrari ist wieder da! Amon im Zwiegespräch mit seinen beiden Mechanikern Roger Bailey und Doane (oder Duane?!) Spencer - mehr Mechaniker hatte er auch gar nicht...!
Im vierten Lauf am 27. Juli im kanadischen Edmonton wurden Amon und sein 612-69 Zweiter hinter dem McLaren mit Hulme - nicht mal 5 Sekunden hinter Sieger Hulme. Der erste Ferrari-Sieg schien nur eine Frage der Zeit zu sein.
In Lexington/Ohio erhielt der 612 einen von Paul Lamar 1967 für den Chaparral 2F entworfenen hohen Luftleitflügel, der weiter hinten angebracht war als der des Vorgängers von 1968. Amon unterbot den alten Rundenrekord, konnte aber wieder nur hinter zwei McLaren den 3. Platz belegen. Immerhin fuhr er die schnellste Rennrunde.
Vom 6. Rennen an ging es steil bergab (oder einfach ausgedrückt: das Material wurde langsam mürbe & Nachschub gab's leider keinen) - es gab keine Ergebnisse mehr: In Elkhart-Lake - immer noch mit dem Luftleitflügel und dem 6,2-l - war Amon auf den zweiten Platz vorgerückt, als ihn ein Benzinpumpendefekt um die Früchte seiner Bemühungen brachte.
Amon in Elkhart Lake - man beachte die kleinen Sticker des Sponsors CLASSIC CAR WAX - ein bisschen Nebeneinkünfte für die klamme, kleine CanAm-Truppe!
In Bridgehampton (7. Lauf) ließ ihn der Motor im Stich, während Pedro Rodriguez mit einem vom N.A.R.T. eingesetzten 312P den 5. Platz belegte.
Der N.A.R.T.-312P von Pedro Rodriguez in Bridgehampton - ganz seltener CanAm-Gast! Und merkwürdigerweise gab's auch geschlossene CanAm-Wagen - wie man sieht. Dieses Auto taucht - ziemlich entstellt - ein Jahr später wieder in Le Mans auf.
Jetzt wurde es richtig schlimm & peinlich: In Michigan, beim Training zum 8. Lauf, hielt Amon doch tatsächlich die Trainings-Bestzeit, aber noch vor Ende des Trainings brach ein Pleuel, das nicht repariert werden konnte, weil kein Ersatzteil aufzutreiben war!! Der Neuseeländer musste zusehen
In Laguna Seca passierte ihm genau dasselbe! Frustriert fand er immerhin einen Platz im Spare-Car des McLaren-Teams, musste aber von ganz hinten starten (fuhr trotzdem ein gutes Rennen)
In Riverside qualifizierte er sich für den 3. Startplatz, aber der 6,9-l-V12 wollte im Grid partout nicht anspringen. Das Anschieben durch sein Team brachte ihm prompt die schwarze Flagge!
Auch in Texas konnte aber wegen einer defekten Ölpumpe das Rennen nicht zu Ende fahren. Der 6,9-l-Motor gab noch während des Trainings seinen Geist auf, und der allein verfügbare 6,2-l-Ersatzmotor kam auch nicht über die 10. Runde hinaus.
Die letzte Fahrt des 612 in Texas (hier hinter dem spektakulären 7-Liter Open Sports Ford mit Altmeister Jack Brabham am Steuer) endete nach 10. Runden.
Man kann sich fragen, warum das CanAm-Abenteuer nicht besser von Maranello unterstützt wurde. Das aufwändige Formel 1- und Formel 2-Produktionsprogramm, die Marken-Weltmeisterschaft mit dem 312P, die Europa-Bergmeisterschaft mit dem 212E und schließlich die Vorbereitung des 512S auf die Weltmeisterschaft 1970 genügten, um Ferrari das ganze Jahr über voll auszulassen. Bedauerlich ist dabei nur, dass Amon und der 612/712 CanAm die Leidtragenden waren, denn ein Erfolg hätte durchaus im Bereich des Möglichen gelegen.
Diese Enttäuschung, zu der noch die mittelmäßigen Resultate in der Formel 2 kamen, veranlaßten Chris Amon, sich von der Scuderia Ferrari zu trennen, was am 26. November geschah. Allerdings fuhr er 1970 mit dem neuen Werkswagen 512S noch einige Rennen unter den Farben der Scuderia.
In Kürze geht's weiter mit den 70er Jahren...