Sieger des Premieren-GP
Inzwischen ist es offiziell: Renault will das Rennteam aus Enstone zurück und damit wieder mit einer eigenen Werksmannschaft in der Formel-1 an den Start gehen. Anlass genug, auf die höchst interessante GP-Geschichte des französischen Automobilherstellers zurückzublicken. Und sie beginnt auch mit der Geburt des Grand-Prix-Sports 1906.
Damals war das Renault-Werk gerade mal sieben Jahre alt. Und irgendwie auch noch ein Familienunternehmen. Louis Renault höchstpersönlich legte jedenfalls den GP-Rennwagen auf Kiel. Auch Fiat (heute Ferrari-Besitzer) und Mercedes waren damals schon mit von der Partie. Darüber hinaus aber auch neun weitere Marken. In der Frühphase des Automobils waren sportliche Wettkämpfe extrem wichtig für die Hersteller.
Vielleicht wäre Renault sonst auch gar nicht beim allerersten Grand Prix 1906 im französischen Le Mans gestartet. Denn bis dato machte Renault eher Bekanntschaft mit der tragischen Seite des Rennsports: Marcel Renault, Louis‘ Bruder und einer der Mitbegründer von Renault, verstarb 1903 beim Rennen von Paris nach Madrid, das wegen zahlreichen tödlichen Unfällen in Bordeaux vorzeitig abgebrochen wurde. Damit waren die Zeiten der Stadt-zu-Stadt-Rennen vorbei.
Frankreich als dominierende Automobilnation
Und auch der Gordon-Bennett-Cup kriselte. Um eine gewisse Chancengleichheit zu gewähren, waren von jedem Land nur drei Autos zum Rennen zugelassen. Frankreich war damals allerdings mit Abstand die erfolgreichste Autonation Europas. Für den Gordon-Bennett-Cup 1904 kamen aus Frankreich für die drei Plätze 29 Meldungen, 1905 waren es immerhin noch 24 Meldungen! Das französische Vorentscheidungsrennen war fast spannender als die Hauptveranstaltung selbst. Und kannte eben auch prominente Verlierer. Auch Renault: 1905 wurde Ferenc Szisz im Renault nur Fünfter – damit konnte auch Renault nicht zum Gordon-Bennett-Cup reisen.
Der Veranstaltungsort wurde nach dem Verfahren bestimmt, das man heute vom Eurovision-Songcontest kennt: Die Siegernation trägt das nächstjährige Rennen aus. 1905 gewann einmal mehr ein französischer Hersteller. Der nationale Automobilverband ACF wollte aber nicht mehr länger mit zusehen, wie die meisten französischen Autos nicht an den Start rollen durften. Man schrieb also eine neue Veranstaltung aus, den ersten offiziellen Grand Prix, für den nicht das Land die Meldungen einreichte, sondern jeder Hersteller teilnehmen durfte, der auch wollte und die nötigen Kriterien erfüllte.
Die britischen Hersteller (1905 waren beim Gordon-Bennett-Cup die Marken Wolseley und Napier dabei), sowie die amerikanischen Hersteller (1905 mit Pope-Toledo und Locomobile vertreten) machten zwar einen Bogen ums Rennen, weil sie eine herbe Niederlage gegen die Vielzahl französischer Hersteller fürchteten, aber dafür gab es Konkurrenz aus Deutschland und Italien. Gab es beim Gordon-Bennett-Cup 1905 nur 18 Starter, so waren es 1906 beim ersten Grand Prix stolze 32 Fahrzeuge! Die meisten kamen aus Frankreich, von den Herstellern Renault, Clément-Bayard, Brasier, Panhard, Lorraine-Dietrich, Hotchkiss, Darracq, Gabron-Brillié und Grégoire. Nur Serpollet, Turcat-Méry, Automoto und CGV, die sich noch 1904 oder ’05 am französischen Ausscheidungsrennen teilgenommen haben, fehlten.
Michelin als Rennentscheider
Der Grand Prix fand damals übrigens unter der Woche statt – und an zwei Tagen! Zwölf Runden mussten die Fahrer auf der rund 103 Kilometer langen Piste zurücklegen, das ergab eine Renndistanz von 1238 Kilometer. Gestartet wurde um sechs Uhr morgens, damit auch die langsamen Teilnehmer noch eine Chance hatten, bei Tageslicht das Ziel zu erreichen. Gestartet wurde übrigens auch nacheinander im 90-Sekunden-Intervall, den Massenstart, der inzwischen in allen Rundstreckenrennen zu sehen ist, kam erst in den 20er Jahren in Mode.
Die Strecke wurde eigens für die Veranstaltung geteert. Damals bestanden die Straßen meist aus Schotterwegen, noch aus Zeiten der Pferdefuhrwerke. Auch die Teertechnologie steckte damals noch in den Kinderschuhen: In der sengenden Hitze schmolz der Asphalt und brach auf. Steinschläge waren die Folge, die Mensch und Material zusetzten. Es gab Verletzungen und Reifenschaden zuhauf.
Gerade wegen den diversen Reifenwechsel wurde das Rennen auch über den Reifenhersteller entschieden: Renault arbeitete damals mit Michelin zusammen – und die brachten abnehmbare Felgen mit zu den Rennen. Die Reifen konnten also als Ganzes gewechselt werden, was die Reifenwechsel erheblich beschleunigte. Weil diese damals nur vom Fahrer und dem Beifahrer getätigt werden durften, war dies ein immenser Vorteil.
13 Kilogramm Gold als Siegerpreis
Die Eckdaten des Renault-GP-Rennwagens, genannt Renault 3B 90 CV, waren für die damaligen Verhältnisse aber durchaus beachtlich: Der Reihen-4-Zylinder-Motor leistete bei 13 Liter Hubraum rund 90 PS. Die Kraft wurde mittels eines Dreiganggetriebes übertragen – manuell versteht sich. Damals mussten vor allem die Beifahrer Schwerstarbeit verrichten: Sie pumpten mit Hand und Fuß unter anderem Öl in den Motor.
Ferenc Szisz, der für Renault den Grand Prix vor Fiat-Fahrer Felice Nazzaro gewinnen konnte, begann seine Rennkarriere als solcher Beifahrer von Marcel Renault. Der Ungar war eigentlich Eisenbahn-Ingenieur, wurde dann aber von der aufkeimenden Automobiltechnik angesteckt und vom Rennbazillus infiziert. Sein Durchschnittsrenntempo betrug damals 101,195 km/h. Abgewunken wurde er übrigens mit der schwarzen Flagge, die heute als Zeichen der Disqualifikation verwendet wird. Das Preisgeld für den Sieg hatte den Wert von 13 Kilogramm Gold!
In den folgenden zwei Jahren konnte Renault den Erfolg nicht mehr wiederholen. 1907 wurde das Ergebnis umgedreht: Nazzaro gewann vor Szisz. 1908 war der Wagen veraltet. Beim Frankreich-GP, das noch immer der Jahreshöhepunkt war, wurde der Russe Sergey Dimitriewich im besten Renault noch Achter. Danach zog sich der französische Hersteller vom GP-Sport zurück – und kehrte erst rund 70 Jahre später wieder zurück.