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Die GP-Epochen seit 1906

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Beitrag Samstag, 02. Juli 2011

Beiträge: 45834
Die Formel-1 verändert sich immer wieder. Ab 2014 könnte die Formel-1 ein ökologisches Gesicht haben, zumindest auf dem Papier.

Ich denke, jeder wird seine eigenen Epochen einteilen, aber wie würdet ihr das machen. Mein Beispiel:

1906-1910: Ob 1910 ungefähr stimmt, müsst ich jetzt nachrecherchieren, aber jedenfalls ist das die Anfangsepoche, mit dem ersten Grand Prix 1906 in Frankreich. Damals fuhren fast nur Automobilmarken mit, teilweise mit ihren Chefs, wie den Renault-Brüdern.

1911-1932: Für mich ist die Zeit schwer einzuschätzen. Ich denke Michael_Mueller könnte diese Epoche (oder Epochen?) sicher besser beschreiben. Jedenfalls wurde der Motorsport immer fortgeschrittener, professionelle Rennfahrer kamen auf, Regeln wie das Qualifying (davor ja Startaufstellung gelost, ich denke die Quali-Regel kommt mit dem Monaco GP 1933), es gibt richtige Rennteams und so weiter.

1933-1939: Die Epoche war geprägt durch Mercedes, Auto Union und Alfa Romeo, die Silberpfeil-Ära, mit Rennschlachten unterstützt von Politikern wie dem NZ-Regime. Aber auch mit damaligen Verhältnissen absolute Spitzentechniker, weil auch viel Geld investiert wurde.

1945-1949: Die Nachkriegszeit, allmählich kommt der Rennsport wieder in die Gänge

1950-1965: Die Formel-1 als Fahrermeisterschaft wird geboren. Die Rennfahrer sind vor allem Gentleman-Rennfahrer. Richtige Männer mit Charakter und unterschiedlichen Wesen. Direkte Rad-an-Rad-Duelle sind nur auf manchen Rennstrecken zu sehen, der Motorsport beeindruckt vor allem durch seinen Körpereinsatz, den die Fahrer bringen müssen.

1966-1977: Die Epoche der Wilden Hunde ist angebrochen, die Hunt- und Lauda-Zeit zum Beispiel. Auch abseits der Strecke wird Gas gegeben, 1976 beispielsweise mit ersten Siegen am politischen Grünen Tisch. Und natürlich suchen die Fahrer auch abseits der Strecke die Ideallinien und Kurven - die Zeit als Sex noch sicher und Rennfahren unsicher war, die Zeit als die Fahrer die S. rausließen und so lebten als gäbe es kein morgen - weil es für manche auch kein morgen gab-

1978-1986: Die Technik spielt immer mehr eine vordergründige Rolle. Ground-Effect, Turbomotoren, die Turboära allgemein.

1987-1995: Es war eine Zeit des Übergangs. Viele Teams kamen und gingen, eine im wahrsten Sinne bunte Zeit mit teilweise mehr als 40 Bewerbern pro Grand Prix. Aber langsam wird er Spaß immer teurer.

1996-2001: Kleine Teams haben es immer schwerer, weil große Teams immer größer werden. Die aerodynamische Phase der Formel-1 bricht an, mit einem Titelgewinn durch einen Williams Renault konstruiert vom Mister Aerodynamik, Adrian Newey.

2002-jetzt: Die moderne Formel-1, eine Geschäftsplattform, Business statt Sport, Show statt Sport. Hersteller wie Toyota kommen und geben mehrere hundert Millionen Euro pro Jahr aus. Erst zur Jahrtausendwende werden die Budgets wieder schrumpfen, weil sich Hersteller wegen Erfolglosigkeit und der Wirtschaftskrise immer mehr zurückziehen.

Wie sehr ihr das?
Wie teilt ihr euch die Epochen ein?

Beitrag Samstag, 02. Juli 2011
AWE AWE

Beiträge: 13287
MichaelZ hat geschrieben:
Die Formel-1 verändert sich immer wieder. Ab 2014 könnte die Formel-1 ein ökologisches Gesicht haben, zumindest auf dem Papier.

Ich denke, jeder wird seine eigenen Epochen einteilen, aber wie würdet ihr das machen. Mein Beispiel:

1906-1910: Ob 1910 ungefähr stimmt, müsst ich jetzt nachrecherchieren, aber jedenfalls ist das die Anfangsepoche, mit dem ersten Grand Prix 1906 in Frankreich. Damals fuhren fast nur Automobilmarken mit, teilweise mit ihren Chefs, wie den Renault-Brüdern.

1911-1932: Für mich ist die Zeit schwer einzuschätzen. Ich denke Michael_Mueller könnte diese Epoche (oder Epochen?) sicher besser beschreiben. Jedenfalls wurde der Motorsport immer fortgeschrittener, professionelle Rennfahrer kamen auf, Regeln wie das Qualifying (davor ja Startaufstellung gelost, ich denke die Quali-Regel kommt mit dem Monaco GP 1933), es gibt richtige Rennteams und so weiter.

1933-1939: Die Epoche war geprägt durch Mercedes, Auto Union und Alfa Romeo, die Silberpfeil-Ära, mit Rennschlachten unterstützt von Politikern wie dem NZ-Regime. Aber auch mit damaligen Verhältnissen absolute Spitzentechniker, weil auch viel Geld investiert wurde.

1945-1949: Die Nachkriegszeit, allmählich kommt der Rennsport wieder in die Gänge

1950-1965: Die Formel-1 als Fahrermeisterschaft wird geboren. Die Rennfahrer sind vor allem Gentleman-Rennfahrer. Richtige Männer mit Charakter und unterschiedlichen Wesen. Direkte Rad-an-Rad-Duelle sind nur auf manchen Rennstrecken zu sehen, der Motorsport beeindruckt vor allem durch seinen Körpereinsatz, den die Fahrer bringen müssen.

kleiner Einspruch euer Ehren :-)


1966-1977: Die Epoche der Wilden Hunde ist angebrochen, die Hunt- und Lauda-Zeit zum Beispiel. Auch abseits der Strecke wird Gas gegeben, 1976 beispielsweise mit ersten Siegen am politischen Grünen Tisch. Und natürlich suchen die Fahrer auch abseits der Strecke die Ideallinien und Kurven - die Zeit als Sex noch sicher und Rennfahren unsicher war, die Zeit als die Fahrer die S. rausließen und so lebten als gäbe es kein morgen - weil es für manche auch kein morgen gab-

Das könnte natürlich auch daran gelegen haben das die Fahrer damals noch ein eigenes Leben hatten und nicht wie die aktuelle Müslie-Generation am Tropf ihrer Sponsoren ,Mentoren ,Chefs und Manager
hingen .


1978-1986: Die Technik spielt immer mehr eine vordergründige Rolle. Ground-Effect, Turbomotoren, die Turboära allgemein.

Die Technik spielte meiner Meinung nach auch schon 50 Jahre vorher eine vordergründige Rolle . Mercedes und AU gewannen in den 30ern auch nicht ,weil die Autos am schönsten glänzten .
Beim Ground-Effekt hatte eine Saison Lotus den Fuss in der Tür und dann hatten es alle ,den Turbo wollte erst keiner ( siehe Tyrrell) und dann hatten ihn alle . Es ist also immer nur ein kurzer Effekt des Vorteils ,bis die anderen aufgeholt haben .
Motorsport ist immer eine techn. Sportart gewesen wo die Rolle der
Technik am Erfolg einen großen Anteil hat/hatte .


1987-1995: Es war eine Zeit des Übergangs. Viele Teams kamen und gingen, eine im wahrsten Sinne bunte Zeit mit teilweise mehr als 40 Bewerbern pro Grand Prix. Aber langsam wird er Spaß immer teurer.

Also rein von der Anzahl der Teams war die Zeit davor aber wesentlich turbulenter

1996-2001: Kleine Teams haben es immer schwerer, weil große Teams immer größer werden. Die aerodynamische Phase der Formel-1 bricht an, mit einem Titelgewinn durch einen Williams Renault konstruiert vom Mister Aerodynamik, Adrian Newey.

Newey ist einer der schlauesten Köpfe die wir aktuell in der Technikabteilung der F1 haben .,das ist sicherlich ausser jeder Frage .
Aber Mister Aerodynamik ,nun ja da gabs auch schon andere in der F1 die in sachen Aerodynamik die größeren Schritte gemacht haben .


2002-jetzt: Die moderne Formel-1, eine Geschäftsplattform, Business statt Sport, Show statt Sport. Hersteller wie Toyota kommen und geben mehrere hundert Millionen Euro pro Jahr aus. Erst zur Jahrtausendwende werden die Budgets wieder schrumpfen, weil sich Hersteller wegen Erfolglosigkeit und der Wirtschaftskrise immer mehr zurückziehen.

Du meinst bis 3000 geht das so weiter :D
Eine ziemlich optimistische Sicht der Dinge ,würde ich mal sagen !

Wie sehr ihr das?
Wie teilt ihr euch die Epochen ein?



Ich unterteile die "Grand Prix" Geschichte da einfacher

Am Anfang waren die Idealisten,Bastler und Techniker .
Dann kamen die Politiker , Staatsportler und Nationalfanatiker
Danach ging es für einige Zeit zurück zur Epoche 1 bevor das Geldverdienen ins Spiel kam . Hatte man zuvor Motorsport allgemein als teueres Hobby gesehen ,das Geld kostet ,wurde nun immer mehr Geld verdient mit dem Racing .
Diese Epoche entwickelte sich bis zu dem Punkt wo die Kuh der RACING -Fans gemolken war und keine extra milch mehr geben konnte . Neue Märkte mussten erschlossen werden und wir kamen zu Epoche der Racing Show ,einer Massenunterhaltung mit stark eingebremsten sportlichem Wert .
Diese Epoche wird sich m.M. nach in den nächsten Jahren noch zu bisher ungeahnten Peinlichleiten aufschwingen ,ehe es den großen Knall tut und wir wieder bei den Idealisten ,Bastlern und Technikern
landen .

Beitrag Samstag, 02. Juli 2011

Beiträge: 1679
1996-2001: Kleine Teams haben es immer schwerer, weil große Teams immer größer werden. Die aerodynamische Phase der Formel-1 bricht an


meiner meinung nach begann diese spätestens mit der einführung des ground effect.
auch mit dem ende der 80er und zu beginn der 90er gab es viele schwere unfälle, weil ein kleines flügelteil abflog und die autos damit unkontrollierbar wurden. auch schon 95 gab es die ersten "kuriosen" aerodynamischen auswüchse, nachdem die flügel kleiner wurden.

2002-jetzt: Die moderne Formel-1, eine Geschäftsplattform, Business statt Sport, Show statt Sport. Hersteller wie Toyota kommen und geben mehrere hundert Millionen Euro pro Jahr aus.


show, unterhaltung und business statt sport hatten wir genaugenommen schon in recht massiver form in den 90ern, sonst wären wohl die tankstops nicht wieder eingeführt worden.

was das thema hersteller angeht, so erinnere ich mich, dass sich schon ca. 97 ecclestone dahingehend äusserte, dass er die f1 gerne zu einer marken wm machen würde, in welcher z.b. mercedes gegen audi, honda etc. fährt. hier wären wir in erster linie übrigens wieder beim thema show. tendenziell ging es ja auch eine weile in diese richtung.

Beitrag Sonntag, 03. Juli 2011

Beiträge: 45834
Danke für eure Antworten. Ich finde schon, dass sich der Grand-Prix-Sport immer wieder verändert und so können wir ja echt mal einen Schnelldurchgang durch alle Jahrzehnte machen und die kurz vorstellen. Von mir wird zu dem Thema jedenfalls noch was kommen.

Beitrag Montag, 04. Juli 2011

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Angefangen hat es eigentlich schon vor 1906, eigentlich bereits kurz nachdem das Automobil erfunden wurde. Denn schnell erkannte man, dass es 2 Dinge gab auf die es ankam - Schnelligkeit und Zuverlässigkeit. Schon damals zählte "To finish first you first have to finish". Das Automobil wurde zum Spielzeug der avantgardistischen Oberschicht, vor allem in Frankreich. Obwohl in Deutschland erfunden erfolgte der Durchbruch des Automobils dort, ohne die französischen Lizenzen und Motorlieferungen hätten sowohl Daimler als auch Benz die ersten Jahre wirtschaflich wohl nicht überlebt. Und folgerichtig waren es auch die Franzosen, die das "automobile Weitpinkeln" als Erste eingeführt haben.

Die Langstreckenfahrt Paris-Bordeaux 1895 gilt als das erste Rennen überhaupt, denn erstmals kam es darauf an, als Erster das Ziel zu erreichen. Bei dem im Vorjahr abgehaltenen Wettbewerb Paris-Rouen waren das ausser der Geschwindigkeit noch verschiedene andere Kriterien wie Zweckmässigkeit, gutes Aussehen, Kraftstoffverbrauch usw.

Gefahren wurde mit normalen Automobilen, wobei "normal" relativ war, denn eine Serienproduktion als solche gab es noch nicht wirklich. Teilnehmer waren deren Besitzer, wobei es durchaus üblich war, den eigenen angestellten Chauffeur auf die Reise zu schicken. Auch die Hersteller beteiligten sich an diesen Wettbewerben, denn der Werbeeffekt war schon damals recht gross.

Die Rennen führten von Paris in andere Städte wie Marseille, Nizza, Dieppe und Biarritz, manchmal auch wieder retour. 1898 dann das erste internationale Rennen Paris-Amsterdam-Paris, und 1899 der erste Langstreckenwettbewerb "Tour de France". Auch in anderen Ländern wie Deutschland, Österreich und den USA gab es nun die ersten zaghaften Versuche im Wettbewerbsbereich. Während 1895 noch 4 PS das Maß der Dinge waren erhöhte sich die Leistung zur Jahrhundertwende auf ca. 20, die Hersteller rüsteten kontinuierlich auf. "Werksfahrer" waren meistens das eigene Management oder besonders geschätzte Kunden, von denen man wusste, dass sie auch mit den Maschinen umgehen konnten.

Beitrag Montag, 04. Juli 2011

Beiträge: 45834
Von dir würde mich vor allem mal interessieren, wie du die Jahre bis 1950 in Epochen einordnen würdest, also unterteilen würdest und die einzelnen Epochen wie beschreiben und charakterisieren würdest.

Beitrag Montag, 04. Juli 2011

Beiträge: 1477
1895 wurde der Automobile Club de France - ACF - gegründet, der nach und nach gewisse Regeln für den neuen Automobilsport festlegte. Es gab Klasseneinteilungen in Motorräder, Dreiräder und Autos, wobei die letzteren noch eine Gewichtsunterteilung hatten (je schwerer der Wagen desto grösser der Motor).
Auch in anderen Ländern wurden nach dem Vorbild des ACF nun Automobilclubs gegründet, und grösstenteils dessen Regeln übernommen.

Die Periode 1900 - 1905 war ein Meilenschritt in der Entwicklung der Rennwagen, aber auch des Automobils als solches. Die Motoren wurden immer grösser, 2-stellige Literhubräume und Leistungen über 100 PS. Nach 15 Jahren "Trial and Error" setzten sich Konstruktionsmerkmale durch, die noch Jahrzehnte Standard im Automobilbau setzen sollten. Motor vor dem Fahrer und davor der Kühler, Antrieb der Hinterachse, und Lenkung mit Achsschenkeln und Lenkrad. Es gab nun auch spezielle Rennwagen, die sich aber von den Strassenautos hauptsächlich durch grössere Motoren und fehlende Karosserien unterschieden. 2 Sitze, dahinter ein Tank und einige aufgeschnallte Reservereifen - fertig. Die obligatorischen mitfahrenden Mechniker waren unverzichtbar, denn Arbeit gab es unterwegs mehr als genug.

Kommerziell gesehen war die Rennerei damals ein Sport wie viele andere auch. Wer sich überhaupt ein Auto leisten konnte, der hatte auch keine Probleme die Kosten für einen Wettbewerbseinsatz aus der eigenen Tasche zu zahlen. Und für die teilnehmenden Fabriken lief das Ganze sowieso unter der Rubrik "Werbung". Gefördert wurden die Rennen primär von Zeitungen, auch in Form von Preisen, denn sie erhofften sich durch die Berichterstattungen höhere Auflagen.

Einen Höhepunkt fand das Mediensponsoring durch den amerikanischen Verleger Gordon Bennett, der in Paris die Europa-Ausgabe der Herald Tribune betrieb. Er rief den "Gordon Bennett Cup" ins Leben, eine Art Nationenpreis, der jährlich ausgetragen werden sollte, und für dessen Austragung der ACF zuständig sein sollte. Jeder nationale Automobilclub konnte bis zu 3 Fahrzeuge für die Rennen melden, unter der Voraussetzung, dass diese komplett in dem jeweiligen Land hergestellt waren. Dem siegreichen Club fiel dann die Aufgabe zu, das Rennen im folgenden Jahr zu veranstalten.

Die 1900er Ausgabe (von Paris nach Lyon) war eigentlich ein Misserfolg, neben 3 französischen Panhard & Levassor meldeten 2 amerikanische Winton, eon Snoek Bolide aus Begien sowie ein deutscher Benz. Da Charron auf seinem Panhard gewann durfte auch im Folgejahr der ACF das Rennen veranstalten. Mangels Teilnehmern wurde der Gordon-Bennett-Cup im Rahmen des Langstreckenrennens Paris-Bordeaux ausgetragen. Girardot auf Panhard kam als Einziger in Wertung ins Ziel. Auch 1902 verband der ACF den GB-Cup wieder mit einem anderen Rennen, diesesmal Paris-Wien, wobei für den GB-Teil in Salzburg wegen der im Reglement festgelegten maximalen Länge Schluss war. Selwyn F. Edge mit einem Napier wurde als Einziger gewertet, und somit durfte der RAC die 1903er Ausgabe veranstalten.

Weiterhin grosser Beliebtheit erfreuten sich aber die traditionellen Städterennen, Paris-Berlin 1901, Paris-Wien 1902, und in 1903 Paris-Madrid. Die Rennwagen hatten aber mittlerweile eine Leistung erreicht, mit der nicht nur viele Fahrer sondern auch die Strassen überfordert waren. Diese waren noch unbefestigt und für Pferde und Kutschen ausgelegt. Keiner der Teilnehmer sah jemals Madrid, in Bordeaux wurde das Rennen abgebrochen, da es unter Teilnehmern und Zuschauern viele Tote gegeben hatte. Die Ära der grossen "Städterennen" war hiermit unwiderruflich vorbei.

Beitrag Montag, 04. Juli 2011

Beiträge: 1477
MichaelZ hat geschrieben:
Von dir würde mich vor allem mal interessieren, wie du die Jahre bis 1950 in Epochen einordnen würdest, also unterteilen würdest und die einzelnen Epochen wie beschreiben und charakterisieren würdest.

Das ist nicht so einfach, weil die Übergänge fliessend waren.

Beitrag Montag, 04. Juli 2011

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Michael_Mueller hat geschrieben:
Einen Höhepunkt fand das Mediensponsoring durch den amerikanischen Verleger Gordon Bennett, der in Paris die Europa-Ausgabe der Herald Tribune betrieb. Er rief den "Gordon Bennett Cup" ins Leben, eine Art Nationenpreis, der jährlich ausgetragen werden sollte, und für dessen Austragung der ACF zuständig sein sollte. Jeder nationale Automobilclub konnte bis zu 3 Fahrzeuge für die Rennen melden, unter der Voraussetzung, dass diese komplett in dem jeweiligen Land hergestellt waren. Dem siegreichen Club fiel dann die Aufgabe zu, das Rennen im folgenden Jahr zu veranstalten.


Danke für deine wie immer interessanten Ausführungen. Über diesen Colin Bennett gab es übrigens in der Pitwalk-Ausgabe vom März (glaube ich zumindest) eine interessante und mehrere Seiten umfassende Reportage. War absolut lesenswert, interessanter Mann, ein James Hunt der damaligen Zeit. Ich will mal einen Absatz zitieren:

"Doch die Verlobungsfeier wird zu einer der größten Bauchlandungen, die die Welt der Reichen und Schönen je erlebt hat. Die Glückliche ist Caroline May, eine in feinen Kreisen hoch angesehene Dame von Welt. Ihr Verlobungskleid allein kostet schon 20.000 US-Dollar, mit Diamanten, Perlen und allem möglichen Luxus bestickt und nausstaffiert.

Die Granden und Größen von New York stehen auf der Gästeliste, alle Playboys finden sich ein. Alle sind soweit: die Verlobte, ganz New York, die Welt. Nur: Wo ist unser Held? Der ist als einziger nicht so weit.

Alös Gordon Bennett jr. den Saal betritt, brandet zunächst überbordender Beifall aus. Doch der verstummt schneller als der Schall. Bennett ist betrunken. Nicht ein bisschen angeheitert, sondern heldenhaft und spektakulär besoffen.

Er torkelt durch die Menge und erkennt nichts und niemanden: nicht die Braut; nicht den Brautvater, der die ganze Feier organisiert und finanziert hat; nicht mal den Sinn der Veranstaltung an sich. Nur eine Sache, die erkennt er ganz sicher: die Toilette. Kein Zweifel, da vorn ist sie.

Leider, aus seiner Sicht, war sie es nicht. Als Gordon Bennett jr. an seiner entsetzten Verlobten und deren Familie vorbeischwankt, schlägt der Applaus in Schokstarre um. Der Verlobte in spe macht den Gürtel auf, lässt die Hosen runter - und setzt einen massiven Strahl in den Kamin ab, vor aller Saalgäste Augen."

Beitrag Montag, 04. Juli 2011

Beiträge: 45834
Michael_Mueller hat geschrieben:
MichaelZ hat geschrieben:
Von dir würde mich vor allem mal interessieren, wie du die Jahre bis 1950 in Epochen einordnen würdest, also unterteilen würdest und die einzelnen Epochen wie beschreiben und charakterisieren würdest.

Das ist nicht so einfach, weil die Übergänge fliessend waren.


Ein Versuch ist es wert.

Beitrag Montag, 04. Juli 2011

Beiträge: 1477
Die Rennen wurden jetzt auf abgesperrten Rundstrecken abgehalten, wobei man allerdings noch weit entfernt von den späteren permanenten Strecken war. In der Regel handelte es sich hierbei um Landstrassenkurse von 30 bis 150 km Länge, die dann mehrmals gefahren wurden.

Auch das Gordon-Bennett-Rennen 1903 wurde auf einem solchen Kurs abgehalten, bei Athy in Nordirland, weil auf der britischen Insel immer noch der "Red-Flag-Act" gültig war (vor jedem Automobil musste ein Fussgänger die Umwelt mit einer roten Fahne warnen!). Camille Jenatzy auf Mercedes war der Sieger, und somit wurde das Rennen 1904 im Taunus ausgetragen. Leon Théry, der mit seinem Richard-Brasier gewann, brachte den Gordon-Bennett-Cup wieder zurück nach Frankreich, wo er auch das letzte der GB-Rennen gewann.

Trotz der teilweise sehr geringen Beteiligung muss der Gordon-Bennett-Cup als der Durchbruch des Motorsports angesehen werden. Allerdings begleitet von Diskrepanzen, die dann auch zu seiner Einstellung führten. Hauptproblem waren sicherlich die auf 3 limitierten Fahrzeuge pro Nation, während manche Clubs Mühe hatten überhaupt Autos zu stellen, hatte Frankreich alleine bereits 20 oder 30 potentielle Teilnehmer, die sich um die Plätze stritten. Auch in anderen Ländern gab es immer wieder Streit zwischen den Automobilfirmen, so dass sogar nationale Ausscheidungsrennen eingeführt wurden. Die verantwortlichen Clubs waren in der Regel dominiert vom Blut- und Geldadel, was dazu führte, dass erfahrene Werksfahrer oftmals als nicht standesgemäss abgelehnt wurden.

Beitrag Montag, 04. Juli 2011

Beiträge: 45834
Wie sahen diese Ausscheidungsrennen dann aus?

Beitrag Montag, 04. Juli 2011

Beiträge: 1477
Wie denn wohl? Die ersten 3 wurden für das GB-Rennen nominiert.

Beitrag Montag, 04. Juli 2011

Beiträge: 45834
Ja schon klar, nur: Welche Distanzen waren diese Ausscheidungsrennen, denn du hast ja geschrieben, dass es auch um Zuverlässigkeit ging bei solchen Rennen - und die zu ermitteln, müssen solche Ausscheidungsrennen ja ähnlich lang gewesen sein, wie die Stadt-zu-Stadt-Rennen dann an sich. Gibts dazu vielleicht Ergebnislisten?

Beitrag Montag, 04. Juli 2011

Beiträge: 1477
Ich versuche die Entwicklung über die Jahrzehnte aufzuzeigen und keine Enzyclopädie zu schreiben.

Beitrag Montag, 04. Juli 2011

Beiträge: 45834
Okay, dachte nachfragen sei erlaubt. Nichts für ungut :wink:

Beitrag Montag, 04. Juli 2011

Beiträge: 1477
Mit dem Grand Prix des ACF 1906 begann eine neue Ära. Nicht nur wurde hier zum erstenmal der Begriff „Grand Prix“ geprägt, sondern es entstand nun auch der Beruf des „Rennfahrers“. Die Macht der nationalen Clubs wurde eingeschränkt, die Fabriken konnten nun direkt nennen. Die Hersteller setzten oftmals ihre „Einfahrer“ oder „Wagenmeister“ ein, denn damals wurde kein Automobil ohne ausgiebige Testfahrt an die Kunden ausgeliefert, und diese Männer hatten nicht nur umfangreiche Erfahrung im Steuern eines Autos, sondern auch die notwendigen technischen Kenntnisse. 10 französische Hersteller, dazu Fiat und Itala aus Italien und Mercedes aus Deutschland schickten ihre Nennungen an den ACF. Der GP war über 1200 km lang und dauerte je nach Platzierung zwischen 12 und 16 Stunden, aufgeteilt auf 2 Tage.

Bereits 1904 wurde die AIACR gegründet, Vorläufer der späteren FIA. Sie sollte die Regeln für Rennen international abstimmen und festlegen. Über lange Jahre hinweg war die AIACR allerdings stark durch den ACF beeinflusst, was nicht wundert denn sie war in den Büros des ACF beheimatet. Die Franzosen hatten den Rennsport erfunden, und werden ihn auch noch für einige Jahrzehnte bestimmen und dominieren.

Andere Länder zogen in Sachen Rennen nach (teilweise bereits vor 1906), wen’s interessiert kann sich je jeweiligen Daten hier ansehen:
http://www.teamdan.com/archive/gen/oldgp.html
Und hier kann man die jeweiligen technischen Regeln nachlesen:
http://www.kolumbus.fi/leif.snellman/gpw5.htm
Die folgenden Jahre waren geprägt durch durch unzählige unterschiedliche „Formeln“, mit denen jeder Veranstalter versuchte, das für ihn – und sein Land - passende technische Reglement zu finden. Das ging über Gewichte, Motorabmessungen, und sogar Verbrauchslimits. Dieses Hick-hack endete eigentlich erst 1914 mit der Einführung der 4.5-Liter-Formel. Die technische Entwicklung dieser Jahre war extrem schnell, die 4.5-Liter-Motoren von 1914 leisteten genauso so viel wie die 15-Liter-Monster von 1906. Verbindlich war die neue Formel aber nur für Grand Prix‘ und damit im Prinzip nur für den GP de l’ACF. Der Rest der Welt machte weiterhin was er wollte.

Beitrag Montag, 04. Juli 2011

Beiträge: 45834
Sehr interessant. Ich werde versuchen, mal ein paar gute Rennfahrer dieser Zeit zu portraitieren. Aber das dauert noch zu recherchieren.

Dass mit den Verbänden war komplett neu für mich, danke!

Beitrag Montag, 04. Juli 2011
Lua Lua

Beiträge: 517
Ich würde die Einteilung in Epochen noch enger an die Kulturgeschichte allgemein knüpfen oder sie neben der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung zumindest stark mit einbeziehen. Bis in den Zweiten Weltkrieg hinein war Sport und vor allem Technik politisch geprägt und auch so genutzt. Fortschritt entsteht immer aus Wunschkonstellationen heraus, die beeinflusst werden von den Trends und Bedürfnissen der Zeit. Heute nennt man das "Mega-Trends" und ein Mega-Trend unserer Zeit ist Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit. Von daher bin ich auch sehr gespannt, wie das den Motorsport verändern wird.
In anderen Zeiten waren es andere Wunschkonstellationen, die zu Entwicklungen geführt haben. Mobilität etwa, oder der bloße Fortschrittswunsch an sich, Avantgarde-Bestrebungen wie eben ganz zu Beginn des Motorsports Ende des 19. Jahrhunderts.


Eine Epoche an sich umfasst auch immer mehr als ein paar Jahre, da müsste man schön größere Rahmen finden als fünf Jahre. Nach der kulturellen Einteilung ginge meine erste Epoche mit Zentrum Frankreich von 1894 (Paris-Rouen) bis 1914. Das umfasst das Automobil als Krone der Industrialisierung auf dem Höhepunkt der Belle Epoque, die Entwicklung der Geschwindigkeit als Merkmal der Fahrens (das war keine Selbstverständlichkeit! Die Zeiten in denen man dachte, man würde an der Zugluft beim schnellen Bahnfahren ersticken, waren noch nicht so lange vorbei...), Aufstieg und Fall der Fernfahrten, bis hin zum 1. Weltkrieg.

Das französische Magazin :arrow: L'Histoire par l'Image hat die Grundzüge der ganz frühen Entwicklung skizziert und ein paar sehr schöne Bilder zusammengetragen.
Seine Grundsätze sollte man sich für die großen Gelegenheiten sparen, für die kleinen genügt Erbarmen. (Albert Camus)

Beitrag Montag, 04. Juli 2011

Beiträge: 1477
Eine Epoche hat immer verschiedene Kriterien, und darum wird eine Einstufung immer verschieden aussehen. Kulturell gesehen kann man die erste Epoche sicherlich bis zum 1. WK spannen, technisch allerdings auf keinen Fall. Denn zwischen den pferdelosen Kutschen der Anfangszeit und den Grand-Prix-Rennwagen von 1914 liegen Welten.

Ein anderes Beispiel ist auch die 2. Hälfte der 60er Jahre, während die Technik und die Rennen als solche unverändert blieben (einen stetigen Entwicklungsprozess gab es natürlich immer) krempelte die nun erlaubte Fahrzeugwerbung den Rennsport wirtschaftlich in einem Maße um, den damals noch niemand für möglich gehalten hatte.

Wie gesagt, ich will keine Enzyclopädie schreiben, die alle Aspekte berücksicht, sondern eben nur aus meiner Sicht die wichtigsten Evolutionen versuchen darzustellen.

Der angeschnittenen politischen Prägung kann ich in dieser Form übrigens nicht zustimmen, dem Ende ja, aber den Anfang sehe ich eher Ende der 20er Jahre im italienischen Faschismus.

Beitrag Dienstag, 05. Juli 2011

Beiträge: 45834
fünf Fahrer der ersten GP-Epoche bis 1914:

Ferenc Szisz gewann 1906 zwar den ersten Grand Prix, doch die Stars der ersten Periode waren andere. Die Franzosen spielten damals eine große Rolle, der erste Grand Prix wurde nicht zufällig in Frankreich ausgetragen. Deshalb waren unter den ersten GP-Stars auch drei Franzosen dabei. Die Geschichte zweier sind eng miteinander verbunden: Georges Boillot und Jules Goux. Beide waren im Peugeot-Werksteam dabei und waren auch für die Konstruktion der Peugeot-GP-Rennwagen verantwortlich, gemeinsam mit dem Schweizer Konstrukteur Ernest Henry und dem dritten Fahrer, Paul Zuccarelli, der aber bei Tests zum Frankreich GP 1913 verstarb.

Georges Boillot, der 1884 geboren wurde, gewann 1912 den Frankreich GP mit dem Peugeot L76. Mit dem langen, stromlinienartigen Peugeot von 1913 wiederholte er den Sieg, als erster Fahrer konnte Boillot zweimal den Frankreich GP gewinnen. Sein Teamkollege Goux gewann in der gleichen Saison als erster Europäer das Indy 500. Durch den Erfolg schickte Peugeot 1914 eine ganze Reihe von Fahrern nach Indianapolis, darunter auch Boillot. Der Publikumsliebling, der damals als einer der besten Fahrer galt, war sofort bei der Musik und stellte mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 160,70 Stundenkilometern einen neuen Rundenrekord auf. Von der Pole Position aus lag er lange auf Siegkurs, ehe ihm ein Reifenschaden einen Strich durch die Rechnung machte. Landsmann René Thomas gewann, mit einem Delage. Die Technik ließ Boillot auch beim Frankreich GP desselben Jahres im Stich: Trotz großer Probleme hielt er seinen Wagen lange im Spitzenfeld, dann aber überhitzte der Peugeot und das Rennen war für ihn beendet.

Und nicht nur das Rennen, sondern auch seine Karriere. Denn der Krieg brach aus, Boillot wurde Kampfpilot. Sein Flugzeug wurde 1916 abgeschossen, Boillot verstarb. Sein Name blieb dem Motorsport noch erhalten, weil sein Bruder André ebenfalls Rennen fuhr, aber nicht so erfolgreich. Sein Sohn Jean arbeitete später ebenfalls bei Peugeot in der Führungsebene und war einer der Drahtzieher für den Einstieg in den Rallye-Sport zu Beginn der 80er Jahre. Die Familie Boillot war also eng mit Peugeot verknüpft, bereits Georges Vater arbeitete als Mechaniker bei Peugeot.

Jules Goux hatte zwar ebenfalls Mechaniker-Qualitäten, aber anders als Boillot wurde er nicht vom Mechaniker zum Rennfahrer. Er wurde durch Zeitungsberichte über den Gordon-Bennett-Cup auf den Motorsport aufmerksam. Der Vorreiter der GP-Rennen wurde von einem Zeitungsverleger aus dem Boden gestampft, die Präsenz in den Tageszeitungen war daher sehr gut. Goux war damit einer der ersten professionellen Rennfahrer, dennoch stand er zunächst im Schatten von Boillot, zumindest bei GP-Rennen. Sein Indy-500-Sieg 1913 war aber ein großer Höhepunkt seiner Karriere. Goux gewann mit mehreren Minuten Vorsprung – und vor allem einigen Gläsern Champagner oder Wein Vorsprung, denn während der Boxenstopps soll er das ein oder andere Gläschen genommen haben…

Goux kehrte aus dem Krieg zurück und feierte in den 20er Jahren noch Erfolge: 1921 wurde er Dritter beim Italien GP, den Italien GP gewann er. Längst fuhr er nicht mehr für Peugeot, sondern für Ballot. Später wechselte er zu Bugatti, der wohl erfolgreichsten Marke der 20er Jahre. Mit Bugatti siegte er 1926 bei den Grand Prix von Frankreich und Europa in Spanien. 1965 verstarb er an einer Allergie.

Der dritte Franzose, der in der Anfangszeit des GP-Sports eine große Rolle spielte, war Louis Wagner. Er bestritt alle wichtigen Rennen, die es auch heute noch gibt: GP-Rennen (also Formel-1), das Indy 500 und die 24-Stunden von Le Mans. 1903 fuhr er für Darraq sein erstes Rennen, 1904 war er auch beim Gordon-Bennett-Cup am Start, 1906 gewann er den Vanderbilt Cup. Im Grand-Prix-Sport ist Wagner, der sich auch für Flugzeuge sehr interessierte, vor allem durch die Siege bei zwei Premieren-GP bekannt: 1908 beim Amerika GP und 1926 mit einem Delage beim Großbritannien GP.

Die Rennfahrer damals waren mittleren Alters, Ausnahmen bestätigten die Regel. Dass aber noch Teenager in der spätpupertierenden Phase (überspitzt formuliert) wie heute bei GP-Rennen die Regel waren, kann man überhaupt nicht sagen. Dennoch wirbelte die GP-Szene in der GP-Steinzeit ein junger US-Amerikaner auf, der mit 18 Jahren bereits bei den berühmtesten Rennen fuhr: David Bruce-Brown. Er gewann 1910 und 1911 den Amerika GP, für die Ausgabe 1912 standen in Milwaukee Testfahrten auf dem Programm. Bruce-Brown verunglückte dabei tödlich, als ein Reifenplatzer seinen Fiat erst in einen Graben, dann in die Luft schleuderte. Letztlich landete Bruce-Brown wie auch sein mitfahrender Ingenieur, die damals noch dazugehörten (nur die beiden durften bei Boxenstopps etwa Reifenwechseln) Antonio Scudelari in einem Feld und wurden noch ins Krankenhaus gebracht. Dort verstarben sie.

Und dann gab es noch den Italiener Felice Nazzaro. Bereits zum Beginn des 20. Jahrhunderts fuhr er Rennen. Zunächst schien er lange wie der sichere Zweite, wurde 1905 beim Gordon-Bennett-Cup Zweiter und 1906 beim ersten Grand Prix in Frankreich. Doch der Fiat-Pilot schlug 1907 zurück und dominierte die Rennszene: Er gewann die drei wichtigsten Rennen des Jahres, den Frankreich GP, die Targa Florio und den Kaiserpreis in Deutschland.

Nazzaro war eigentlich auch Mechaniker und war an der Automobil-Technik im höchsten Maße interessiert. Deshalb stampfte er auch seine eigene Marke, benannt nach ihm selbst, aus den Boden. Die Nazzaro-Automobile nahmen auch bei Rennen teil, aber mit eher mäßigem Erfolg bei GP-Rennen, schon eher bei der Targa Florio. 1916 kehrte Nazzaro zu Fiat zurück und gewann 1922 noch einmal überraschend den Frankreich GP. Es war ein Rennen, bei dem nur drei Fahrer das Ziel sahen. Für Nazzaro waren die harten Bedingungen aber maßgeschneidert, denn Nazzaro war bekannt für seine zurückhaltende und schonende Fahrt. Er ließ andere Fahrer erst einmal in Führung gehen und lauerte immer auf Probleme bei der Konkurrenz. Sodann war er immer zur Stelle, fuhr dann auch richtig schnelle Rundenzeiten.

Ein Fahrer, der beim Frankreich GP 1922 ebenfalls nicht die Zielflagge sah, war Baggio Nazzaro, Neffe von Felice Nazzaro. Traurig aber wahr: Ausgerechnet bei Felice letzten GP-Sieg verstirbt Baggio Nazzaro bei einem Unfall, die Hinterachse brach, er hatte keine Chance mehr. Nazzaro trat 1929 vom Renngeschäft zurück, nachdem er auch die Fiat-Einsätze leitete – nach dem Werksrückzug. 1940 segnete er das Zeitliche.

Beitrag Dienstag, 05. Juli 2011

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Der Motorsport hatte in den Jahren vor dem 1. Weltkrieg ein recht professionelles Stadium erreicht. Die Rennwagen hatten nur noch wenig mit den Serienwagen gemein, sie waren auf der einen Seite Werbung für die jeweiligen Hersteller, auf der anderen aber auch Testträger für neue Technologien. Die Töfftöff-Zeiten waren endgültig vorbei, Grand-Prix-Rennwagen fuhren mittlerweile 180 km/h, und solche mit Monstermotoren wie der 21.5-Liter Benz sogar über 200. Die Strassen waren noch nicht viel besser als 20 Jahre vorher, und nur wenige Fahrer waren in der Lage solche Autos im Wettbewerb zu beherrschen. Die teilweise nur unzureichend abgesperrten und gesicherten Landstrassenrundkurse waren extrem gefährlich, so dass erste Überlegungen in Richtung permanente Rennstrecken gingen. Indianapolis (USA) in 1909 und Brooklands (GB) in 1907 setzten hier erste Maßstäbe. In zunehmendem Maße gab es nun auch Sprintrennen, meistens über 1 km oder 1 Meile, und Bergrennen. Hier konnte mit relativ geringem Aufwand nicht nur eine vernünftige Streckenvorbereitung und –sicherung erfolgen, sondern auch Absperrungen um nur zahlende Zuschauer zuzulassen. Neben den Automobilfirmen selber zeigten nun auch die Zulieferindustrien (Reifen, Öl, Kraftstoff, Elektrik, etc.) mehr und mehr werbewirksame Präsenz, allerdings beschränkt auf Bannerwerbung und rennbezogene Anzeigen in den Druckmedien.

Der 1. Weltkrieg setzte der Rennerei in Europa in jähes Ende, nur in Amerika machte man noch bis zum Kriegseintritt weiter. Nach dem Krieg ging es in Europa erst 1921 wieder weiter, und da man erkannt hatte, dass man den immer stärker werdenden Motoren die Zügel anlegen musste, wurde die GP-Formel auf 3 Liter reduziert. Bereits ab 1922 galt eine wiederum reduzierte 2-Liter-Formel, und ab 1926 wurde der Hubraum sogar auf 1.5 Liter festgelegt. Das war durchaus angemessen, denn der Motorenbau machte in den 20er Jahren nie zuvor geglaubte Fortschritte. Die Flugzeugmotoren des Krieges hatten hier wichtige Vorarbeit geleistet, denn niedriges Gewicht bei hoher Leistung waren lebensnotwendig. Eine technische Neuerung war der Kompressor, der den Motoren in grossen Flughöhen zusätzliche Verbrennungsluft zuführte, und alle diese Errungenschaften der Rüstungsindustrie kamen nun auch dem Rennwagenbau zu Gute. Das vorläufige Nonplusultra dieser Entwicklung war sicherlich der 1927er 1.5-Liter-GP-Motor von Delage, der 170 PS leistete, 20 Jahre vorher benötigte man hierfür mehr als das 10-fache an Hubraum. Aber auch die Entwicklung von Fahrwerk, Reifen und Bremsen blieb nicht stehen, und es gab auch erste Überlegungen in Sachen Aerodynamik.
Zuletzt geändert von Michael_Mueller am Dienstag, 05. Juli 2011, insgesamt 1-mal geändert.

Beitrag Dienstag, 05. Juli 2011

Beiträge: 1477
Der Grand Prix de l’ACF war in der ersten Hälfte der 20er Jahre immer noch das wichtigste Rennen des Jahres, zumindest was das Prestige anging. Auch andere Veranstalter benutzten nun mehr und mehr das Attribut „Grand Prix“, wobei aber grösstenteils nur die „Grandes Epreuves“, also die Länder-GP, nach der AIACR-Formel abgehalten wurden. Herauskristallisiert hatten sich neben der GP-Formel auch andere Klassen, wie die Voiturettes (1500 ccm) und die Cycle Cars (1100 ccm). Es gab nun auch Sport- und Tourenwagenrennen, wobei die Grenzen damals aber noch fliessend waren. Ein Bugatti T35 war ein Grand-Prix-Rennwagen, mit Kotflügeln und Lampen ein Sportwagen, und mit grosser Windschutzscheibe, kleinen Türen, und einer Kofferraumklappe im Heck sogar ein Tourenwagen. Bis auf die Grandes Epreuves waren die Veranstalter nicht gezwungen, sich an die GP-Formel zu halten.

Die Länge der Landstrassenrundkurse wurde immer kürzer, und neue (semi-)permanente Rennstrecken wie Sitges, Monza, Miramas, Montlhery und die AVUS wurden gebaut. Auch reine Stadtkurse gab es nun mehr und mehr, deren Strecken waren gepflastert oder asphaltiert, und die Zuschauer hatten keine langen Anreisewege. Bis auf die Grandes Epreuves waren nun auch Privatfahrer zugelassen. Die Rennen begannen sich nach und nach zu einem Geschäft zu entwickeln, bei dem die veranstaltenden Clubs Einnahmen aus Eintrittsgeldern, Programmverkäufen und Bandenwerbung Ausgaben wie Preisgeldern und Organisationskosten gegenüber stellten. Ein hochkarätiges Starterfeld bekam man nur über hohe Preisgelder, lockte damit aber auch mehr zahlende Zuschauer. Aber nicht immer funktionierte die Kalkulation, und viele Veranstaltungen verschwanden schnell wieder in der Versenkung der Geschichte.

Der erste Nachkriegs-ACF-GP, ausgetragen 1921 nach der 3-Liter-Formel, sah Werksteams von Ballot und Matthis (beide F), Sunbeam (GB), Fiat (I) und Duesenberg (USA). 1922, im ersten Jahr der 2-Liter-Formel, gab Bugatti (F) sein GP-Debut, sowie die eher unbekannte Marke Rolland Pilain (F), während Matthis sich zurück zog. Neben Sunbeam versuchte sich nun auch Aston-Martin (GB). Fiat war noch dabei, während die Amerikaner sich zurück zogen, da man dort noch nach der 3-Liter-Formel fuhr.
1923 nahmen Sunbeam, Fiat, Bugatti, Rolland-Pilain, Voisin (F) und Delage (F) teil. 1924 betrat Alfa Romeo die GP-Bühne, bei Touren- und Sportwagen war man in Italien bereits seit den Vorkriegsjahren erfolgreich. Und auch die Amerikaner waren wieder dabei, dieses Mal mit Miller, denn auch drüben wurde mittlerweile nach der 2-Liter-Formel (122 cubic inch) gefahren. Die deutschen und österreichischen Hersteller waren in Frankreich immer noch ausgeschlossen, die Italiener waren da weniger nachtragend. Mercedes war bereits ab 1921 wieder bei der Targa Florio vertreten, und Austro-Daimler ein Jahr später. Beim GP Italia 1924 gab es auch wieder einen reinrassigen Grand-Prix-Wagen aus Untertürkheim.

Für 1925 schrieb der AIACR erstmalig eine Weltmeisterschaft (für Marken) aus, nachzulesen in allen Details hier:
http://www.kolumbus.fi/leif.snellman/gp25.htm
Absolut lesenswert, denn Hans Etzrodt beschreibt hier sehr detailliert nicht nur die Teilnehmer und die Rennen, sondern auch das komplette Umfeld.
Die GP-Saison 1926 begann mit einem Debakel, beim ACF-GP in Miramas waren 3 Bugattis die einzigen Teilnehmer. Talbot und Delage hatten ihre neuen 1.5-Liter-Rennwagen noch nicht fertig, und alle anderen hatten sichmehr oder weniger zurück gezogen. Bugatti gewann zwar die aus 5 Rennen (einschl. Indy 500) bestehende WM, aber nur nach dem „Eichhörnchenprinzip“. 1927 war dann die Überlegenheit von Delage der Todesstoß nicht nur für die WM, sondern für die Grand-Prix-Formel generell. Informationen über diese beiden Jahre findet man hier:
http://en.wikipedia.org/wiki/1926_Grand_Prix_season
http://en.wikipedia.org/wiki/1927_Grand_Prix_season

Inwieweit Wikipedia als Informationsquelle nützlich ist kann ich nicht beurteilen, ich habe mich dort mit dem Thema noch nicht auseinandergesetzt. Wer daran interessiert ist, die Geschichte des Grand-Prix-Sports im Detail zu erkunden, der sollte die bereits früher verlinkten Seiten von Hans Etzrodt (Entwicklung der GP-Formel) und Darren Galpin (Rennergebnisse), sowie die Wikipedia-Seiten, parallel und chronologisch durcharbeiten. Wikipedia führt darüberhinaus mit unzähligen Links noch tiefer in die Materie ein.

Beitrag Dienstag, 05. Juli 2011

Beiträge: 45834
Echt supper interessant, um mal einen groben Überblick über die Steinzeit des Motorsports zu bekommen. Vielen Dank!

Beitrag Dienstag, 05. Juli 2011

Beiträge: 1679
wow.
vielen dank für diese umfangreichen infos.

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