Letzter Akt für heute: wie schon bereits vor längerer Zeit angekündigt hier mein kleiner Zwischenbericht zu den direkten Nachkriegsjahren 1945-1951 und dem Wiederaufbau der Avus. Na ja, hat doch etwas länger gedauert.
Kleine Vorgeschichte
Nach der Machtergreifung Adolf Hitlers 1933 zwang das Nationalsozialistische Kraftfahrer-Korps (NSKK), eine motorisierte Kampfgliederung im Herrschaftsapparat, den AvD (Automobilclub von Deutschland), den ADAC (Allgemeiner Deutscher Automobil Club) sowie alle anderen Automobilclubs in eine "Einheitsfront" der deutschen Kraftfahrt und fasste sie als Deutscher Automobil Club (DDAC) zusammen. Im Sinne des Regimes übernahm der gleichgeschaltete DDAC Funktionen der Clubs und bediente sich vorhandener Strukturen des ADAC. Der AvD, bis dahin der internationale Vertreter des deutschen Automobilsports, durfte als Deutscher Auslands-Club allgemeine Kontaktpflege betreiben. Mit Verlust seiner eigentlichen Aufgaben und Befugnisse rutschte er jedoch in die Bedeutunglosigkeit ab. Ebenso ging es dem Deutschen Motorradfahrer-Verband, der zusammen mit dem ADAC die Basis des deutschen Motorradsports bildete, an den Kragen: Er reagierte auf die staatliche Repression noch 1933 mit Selbstauflösung.
Die Zuständigkeit für den Automobil- und Motorradsport auf inländischer Ebene erhielt die Oberste Nationale Sportbehörde für die Deutsche Kraftfahrt (ONS) mit Sitz in Berlin. Auch diese Einrichtung stand unter Kontrolle des NSKK. Damit rissen NSKK-Chef Adolf Hülinlein und seine Gefolgsleute alle wichtigen Schaltstellen an sich und beherrschten die Organisation des Motorsports in Deutschland. Eine, wie sich zeigen sollte, für den Motorsport nach 1945 verhängnisvolle Entwicklung.
Mit dem Untergang des Dritten Reiches beseitigten die Siegermächte alle nationalsozialistischen Institutionen. Selbst der Deutsche Auslands Club (ehemals AvD) hörte vermögenslos auf zu existieren. Dadurch verlor der Motorsport im Nachkriegsdeutschland sein Gefüge, und es gab keine Körperschaft mehr, die ihm ein Fundament hätte bieten können. Deutschland war vom internationalen Motorsport isoliert und in den Weltverbänden AIACR (Association Internationale des Automobile-Clubs Reconnus) und FICM (Federation Internationale des Clubs Motocyclistes) nicht mehr vertreten. So bedauerlich dies auch erschien - aus politischer Sicht vermochte man es nachzuvollziehen. Aber ohnehin fehlten denen, die Motorsport betreiben wollten, die technischen und materiellen Voraussetzungen. An geeignetem Wagen- und Maschinenmaterial mangelte es, und Ersatzteile waren nur schwer aufzutreiben. Die Kraftfahrzeug-Industrie stand, sofern sie überhaupt noch existierte, angesichts ihrer Verstrickung in das Rüstungsprogramm des NS-Regimes unter Aufsicht der Siegermächte. Wegen Demontage und Produktionsverbot kamen daher Teilelieferungen auf unbestimmte Zeit nicht infrage. Wie sich jedoch schon bald zeigen sollte, hatte der Motorsport nichts von seiner Faszination eingebüßt. Mit der einsetzenden Normalisierung in den drei Westzonen begannen Motorsportanhänger, ehemalige Rennfahrer und frühere Funktionäre gemeinsam zu überlegen, wie man dem Motorsport in Deutschland wieder auf die Räder verhelfen könnte. Daraus entstanden die ersten Motorsport-Interessengemeinschaften, und ab 1946 fanden vereinzelt in beschränktem Rahmen wieder regionale Rennveranstaltungen statt. Den Initiatoren war jedoch klar, dass eine nachhaltige Wiederbelebung nur möglich sein würde, wenn der Motorsport eine anerkannte organisatorische Struktur mit einer entsprechenden Motorsportgesetzgebung und klaren Regelungen erhielte. Nur dann wäre von den Besatzungsmächten und den deutschen Behörden die Genehmigung für bedeutende Rennveranstaltungen zu erlangen. Diese Bestrebungen führten im Januar 1947 in Baiersbronn zur Gründung der Arbeitsgemeinschaft des Deutschen Motorsports (ADM), einem Bündnis von lizensierten Ortsclubs und Landesvereinen aus den westlichen Zonen. Die ADM verfolgte die Zielsetzung;
* eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Motorsports zu erreichen,
* dem Motorsport eine Organisationsstruktur zu verpassen,
* Bestimmungen für den Wagen- und Motorradsport auszuarbeiten,
* Durchführungsbestimmungen für Veranstaltungen zu formulieren,
* Fahrerausweise und Lizenzen auszustellen
* und eine Meisterschaft für Motorräder auszurichten.
Die Leitung übernahmen der bekannte Münchener Automobil- und Motorradrennfahrer Georg 'Schorsch' Meier und der Hamburger Curt Wedekind.
Die Oberste Motorsport-Kommission wird gebildet. Am 5. Dezember 1946 war mit dem Einverständnis der amerikanischen Besatzungsmacht der ADAC in deren Zone wiedergegründet worden. Der Schwerpunkt der Vereinstätigkeit lag jedoch zunächst auf dem Gebiet der Touristik. Durch den Zusammenschluss der amerikanisch und der britisch besetzten Zonen zur Bizone konnte der ADAC seine Arbeit entsprechend ausweiten.
Mit dem Zuwachs an wirtschaftlicher Stärke besann er sich seiner Motorsport-Tradition und forderte von der ADM eine Beteiligung an der Organisation des Motorsports. Sportpräsident des ADAC war Ewald Kroth, ein in Sachen Motorsport und Verbandsarbeit erfahrener Mann. Die Verhandlungen mit der ADM führten schließlich im November 1947 zur Bildung der Obersten Motorsport-Kommission (OMK), einem von ADAC und ADM paritätisch besetzten Organ zur Regelung aller sportlichen Fragen des Motorsports unter der Präsidentschaft von ADM-Vertreter Curt Wedekind. Damit schuf man für den Motorsport in den westlichen Zonen eine solide Grundlage, so dass für 1948 auch erstmalig wieder deutsche Wagen-Meisterschaften ausgeschrieben werden konnten. Die OMK legte die Eckpunkte eines Reglements fest, wobei das Fernziel verfolgt wurde, Deutschland wieder an den internationalen Motorsport heranzuführen. Doch zwangsläufig musste man sich an den im Nachkriegsdeutschland gegebenen Voraussetzungen orientieren. Und das bedeutete, auf die vorhandene Substanz, die im wesentlichen auf erhalten gebliebenen Vorkriegsbeständen basierte, Rücksicht zu nehmen. Selbst als die Produktionsbeschränkungen gelockert waren, vermochte die deutsche Industrie noch nicht, Motorsportler mit Neukonstruktionen zu beliefern. Die Situation erforderte daher Eigeninitiative und Pioniergeist.
So begann die Zeit der Bastler und Eigenbauer, von denen im Wagensport besonders Ernst Loof und 'Alex' von Falkenhausen mit ihren Veritas- bzw. AFM-Entwicklungen zu überzeugen wussten. Träger des Motorsports in diesen frühen Nachkriegsjahren war letztlich der Privatfahrer und im besonderen Maße der Motorradsportler, der durch Aufbietung großen persönlichen Engagements den Motorsport für sich erschloss und mit Gleichgesinnten auf technischer und wirtschaftlicher Ebene zusammenarbeitete. Was die Genehmigungsbereitschaft für Motorsportveranstaltungen anbelangte, verhielten sich Besatzer und Behörden von Region zu Region nach wie vor uneinheitlich. Während zu den Rennen auf dem Hockenheimring Hunderttausende pilgertern, waren Motorsportveranstaltungen andernorts aus verkehrstechnischen Gründen immer noch untersagt. Daher sah es die OMK als geboten an, hier um Vertrauen zu werben. Für das Sportjahr 1948 beschloss die OMK neben den schon bestehenden Sportwagen-Klassen bis 1,1, bis 1,5 und bis 2 Liter Hubraum die Einführung von Kategorien für Formel 2-Rennwagen entsprechend den internationalen Bestimmungen sowie für Kleinstrennwagen mit Motoren bis 750-ccm Hubraum.
Die von der FICM vorgegebenen Klasseneinteilungen übernahm man ebenfalls für den westdeutschen Motorradsport, wobei aber, was international nicht mehr vorgesehen war, auch Kompressor- und Ladepumpen-Maschinen zugelassen wurden - ein Tribut an das vorhandene Maschinenmaterial. Weiterer Regelungsbedarf bestand darüberhinaus im Motorradbahnsport, der mit zu den Wegbereitern des Nachkriegsmotorsports gehörte und der sich großen Zuspruchs erfreute.
Durch die gefestigten Strukturen entstanden im Westen Deutschlands Rahmenbedingungen, die dem Motorsport 1948/49 zu einem Aufschwung verhalfen. Motorsportveranstaltungen gehörten zur Normalität, und zahlreiche neue Rennstrecken erlebten ihre Premiere. Beim Rennen auf dem Hockenheimring am 8./9. Mai 1948 gab es mit 280.000 Zu'schauern einen Rekordbesuch. Zwar konnte nicht jeder Veranstalter eine so gute Bilanz vorweisen, aber insgesamt war man mit der bis dahin geleisteten Aufbauarbeit zufrieden. Nach der Saison 1948 nahmen so bekannte Fahrer wie Georg Meier, H.P. Müller oder Karl Kling den Titel eines Deutschen Meisters in Empfang.
Wie sah es aber in Berlin aus?
So sah es 1946 auf der Berliner Avus aus - an Rennsport war da natürlich noch nicht zu denken.
Von Kriegsschäden war auch die Avus nicht verschont geblieben. Zwar ragte im Norden die imposante Steilkurve mit ihrer Verklinkerung nach wie vor zwölf Meter in die Höhe, aber von den Tribünen und Gebäuden standen nur noch die Grundmauern. Auf der ebenfalls in Mitleidenschaft gezogenen Trasse pendelten jetzt Militärfahrzeuge und Pferdefuhrwerke hin und her. Schon lange vor Kriegsende hatten die Alliierten eine Teilung Deutschlands beschlossen. Jede der vier Siegermächte USA, Großbritannien, Frankreich und die UdSSR erhielt eine Besatzungszone, und die Regierungsgewalt wurde formal einem Alliierten Kontrollrat übertragen. Tatsächlich übte jedoch jeder Besatzer in seiner Zone die oberste Macht nach eigenem Ermessen aus. Groß-Berlin stand unter einem Sonderstatus. Die Alliierten zogen im Juli 1945 in ihre Sektoren ein. Auch hier sollte eine gemeinsame Verwaltung des gesamten Gebietes durch die Alliierte Kommandantur erfolgen. Letztlich aber nahm jede Siegermacht die alleinige Zuständigkeit in dem von ihr besetzten Sektor für sich in Anspruch.
Durch diese Entwicklung waren die zukünftigen Probleme zwischen West und Ost und damit die Spaltung Berlins sowie Deutschlands vorgezeichnet. Erschwerend kam hinzu, dass die Viersektoren-Stadt in der sowjetisch besetzten Ostzone lag und die Sowjetunion ständig bemüht war, ihren Einfluss auf Gesamtberlin auszudehnen. Schnell wurde deutlich dass zwischen den drei Westmächten einerseits und der sowjetischen Besatzungsmacht andererseits eine Einigung nicht möglich war. Für Berlin folgte daraus, dass sich die drei Westsektoren zunehmend nach Westdeutschland orientierten. Die damit einhergehenden Spannungen sollten 1948 in der Blockade West-Berlins gipfeln. Währenddessen verbesserten sich die Lebensumstände der Berliner nur spärlich. Demontage und Deportation von Fachkräften führten zu einem hohen Aderlass. Die am Boden liegende Wirtschaft erholte sich kaum. Schwarzmärkte sowie Tauschhandel hingegen florierten.
In dieser entbehrungsreichen Zeit entwickelte sich rasch wieder der Wunsch nach Kultur und Sport. Im Streben nach Normalisierung fanden schon bald wieder Fußball-, Box- oder Radrennveranstaltungen statt. Die Startbedingungen für den Motorsport gestalteten sich indessen schwieriger, zumal die Militärregierungen den Kraftverkehr beschränkten. Eine Erlaubnis zur Zulassung eines Kraftfahrzeuges erhielten nur Personen und Einrichtungen, die lebensnotwendige Aufgaben erfüllten, wie etwa Ärzte, Gewerbetreibende oder Behörden. Und auch nur die durften den rationierten Treibstoff beziehen, aber dies waren nicht die einzigen Hemmnisse, und so blieb den Berliner Motorsportlern, die das Inferno überlebt hatten, in den Nachkriegswirren nur, sich wieder gesellig zusammenzufinden.
In der Viersektoren-Stadt wurden inzwischen ebenfalls die ersten ernstzunehmenden Initiativen unternommen, den Motorsport wieder zu beleben. Da die sowjetische Besatzungsmacht alle motorsportlichen Aktivitäten in der Ostzone angesichts der dortigen katastrophalen wirtschaftlichen Lage verboten hatte, blieb - wenn überhaupt - nur die Möglichkeit, sich an den Strukturen in den Westzonen zu orientieren. Aber durch die räumliche Distanz und den Sonderstatus der Stadt vollzogen sich die Entwicklungen hier anfangs eigenständig. Eine unmittelbare Einflussnahme von ADM oder OMK auf das Sportgeschehen in Berlin bestand zunächst kaum.
Über die ersten Versuche von Motorsport mit Autos in Berlin kann man hier nachlesen:
www.f1welt.com/forum/viewtopic.php?t=7432&start=15
Der Motorradrennfahrer Bernhard Petruschke unterzieht dem FWB Type Nachwuchs einen Test auf der noch nicht wiederhergestellten Avus im Herbst 1948. Hinten am Eingangsbau kann man erkennen - allzu viel hat sich noch nicht getan.
Wiederaufnahme der Avus-Rennaktivitären
Mir geht es jedoch hier in erster Linie um die Avus. Im Spätherbst 1949 waren in der Abteilung Verkehr und Betriebe des West-Berliner Magistrats Pläne entstanden, im Bereich der Avus-Nordschleife einen Autohof für bis zu achtzig LKW zu errichten. Das Vier-Millionen-Projekt, an dessen Verwirklichung die Mineralölindustrie offenbar größtes Interesse hatte, und das angesichts der politischen Entwicklung durchaus sinnvoll erschien, sollte ein Hotel, ein Kino sowie einen Werkstatt- und Tankstellen-Komplex umfassen. Aber mit seiner Realisierung drohte ein Ende Beglichen Motorsports auf der Avus. Die MSC-Vorstandsmitglieder Dr. Kämpny und Dr. Lindner, die an den Beratungen im Verkehrsamt des Magistrats unter Leitung von Bürgermeister Dr. Friedensburg teilgenommen hatten, erkannten dies und schritten gegen die Pläne ein. Sie waren zu der Erkenntnis gelangt, dass der Avus für den Berliner Motorsport ein hoher Symbolwert zukam und dass es zu ihr auf West-Berliner Gebiet keine Alternative gab. Gescheiterte Bemühungen, Rennstrecken auf dem Flughafen Tegel oder am Grunewaldturm zu erschließen, untermauerten dies.
Am 30. Januar 1950 votierte der Magistrat für das Autohof-Projekt. Daraufhin verschärfte sich der Streit zwischen Befürwortern und Gegenspielern. Auf die Seite der Avus-Verfechter schlugen sich einflußreiche Persönlichkeiten wie etwa der frühere Mercedes-Benz-Rennleiter Alfred Neubauer, der inzwischen zurückgetretene ADAC-Sportpräsident Ewald Kroth oder der Motorsportjournalist Ernst Rosemann. Auch das Bezirksamt Charlottenburg mit Bezirksbürgermeister Horlitz an der Spitze lehnte die Autohof-Pläne ab. Und dem Großteil der Berliner Mitbürger lag ohnehin mehr an der Erhaltung der Avus-Rennstrecke als an einer Einrichtung für den Transportverkehr. Schließlich, am 22. Februar, zog der Magistrat die Vorlage wieder zurück. Die politischen Parteien entschieden sich gegen das Projekt, das sich als unwirtschaftlich herausgestellt hatte.
Das 1951 im Zuge der Avus renovierung abgerissene Eingangstor zur 'alten' Avus.
Aber das Gezerre war damit noch nicht vom Tisch, denn nun behaupteten Kritiker, die Rennstrecke sei unbrauchbar. Zu den Avus-Gegnern gehörte auch ein leitender Vertreter der Berliner AvD-Landesgruppe: Oberbaurat J.U. Augustin, der zuvor schon den ADAC-Präsidenten Meier-Seebohm bekehrt hatte. Von seiner abfälligen Beurteilung ließen sich auch Herren der Frankfurter AvD-Zenträle anstecken. Erwin von Salzgeber schrieb in der "Automobil Revue" des AvD, die zerholperte Avus eigne sich nur für Kinderwagenrennen nach Spreewälder Art. In Berlin vermutete man, dass westdeutsche Veranstalterkreise die Avus torpedierten, um sich unliebsame Konkurrenz vom Leibe zu halten und die für Wirtschaft und Fremdenverkehr wichtigen Rennen selbst übernehmen zu können. Dr. Lindner sah sich aus diesem Grund veranlasst, die Öffentlichkeit vom ordentlichen Zustand der Grunewaldbahn zu überzeugen.
In den Reihen des MSC befand sich ein Mann, der 1949 im von 34 Jahren zwar verhältnismäßig spät zum Motorsport gekommen war, der sich in Deutschland aber schon einen Namen als Rennfahrer gemacht hatte: Helmut NiedermaYr. Niedermayr, von Beruf Handelsverteter, stammte aus einer angesehenen Münchener Musikerfamilie und lebte schon von Kindheitstagen an in Berlin. Bei seinen Starts, etwa am Nürburgring oder auf der Solitude, fuhr er einen Zweiliter-Intertyp, der sich sowohl für die Formel 2 als auch für die Sportwagen-Klasse eignete. Dieses 130 PS-Fahrzeug hatte ein motorsportbegeisterter Berliner namens K. von Horn bei dem Chemnitzer Ingenieur Reif aus einem Vorkriegs-BMW 328 entwickeln lassen. Von Horn trat jedoch lediglich als Bewerber auf und überließ den Renneinsatz Niedermayr sowie dem vorübergehend in der Stadt wohnhaften Adolf Brudes. Am 28. Juni 1950 sperrten 300 Polizisten die Avus zwischen Funkturm und Motorradkehre ab, und Helmut Niedermayr begab sich vor Vertretern der Presse und des Magistrats mit dem Reif-BMW auf die Strecke. Nach einer Warmlaufrunde trat Niedermayr das Gaspedal durch und erreichte trotz regennasser Piste auf den Avus-Geraden eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 187,5 km/h. Bereits in der folgenden Runde mußte die Probefahrt früher als gedacht beendet werden. Der Wagen war erst am Wochenende zuvor bei einem Rennen auf der Halle-Saale-Schleife gelaufen und von Niedermayr zu einem grandiosen Sieg gesteuert worden. Wohl durch die Überbelastung gab nun die Zylinderkopfdichtung ihren Geist auf. Trotzdem stellte das Ergebnis mehr als zufrieden. Der Pilot äußerte sich ermutigend: "Der Zustand der Fahrbahn ist noch hervorragender, als ich angenommen habe. Sie läßt jede Geschwindigkeit zu, die die Wagen hergeben, Dabei habe ich nicht eine Spur von Unebenheit wahrgenommen. Mein Wagen lag jederzeit so sicher, dass ich hätte mit einer Hand fahren können. Ich wünschte, dass alle von mir in Deutschland befahrenen Rennbahnen so ausgezeichnet in Stand wäre wie die Avus". Helmut Niedermayrs Urteil beseitigte den letzten Zweifel an der Renntauglichkeit der Strecke.
Bilder zu diesen Test hatte wir schon mal - und zwar genau in diesem Thread weiter vorne:
www.f1welt.com/forum/viewtopic.php?t=7936&start=13
MSC-Sportleiter Dr. Lindner hoffte nun, ein für den 24. September 1950 vorgesehenes Avus-Rennen veranstalten zu können, aber daraus sollte (noch) nichts werden. Damit blieben die beiden Sandbahnrennen die einzigen West-Berliner Motorsport-Höhepunkte in der Saison 1950.
Das war Motorsport in Berlin 1950!! Eduard-Winter-Preis ausgetragen mit VK Käfern auf der Trabrennbahn Mariendorf. Ein Kleinod aus dem bereits früher von mir erähnten Archiv Niedermayr.
Und noch ein äußerst interessantes Bild: Berlin und die IAA gehörten einfach zusammen. Hier der Stand des Motor-Sport-Clubs Berlin unter dem Funkturm 1950. Auf dem Podest: der Cappenberg-Formelwagen mit der Romtesch-Karosserie, links im Bild der FWB Type Nachwuchs (hatten wir schon mal weiter vorne), der später von der Westberliner Renngemeinschaft als VW Spezial eingesetzt werden sollte. Mehr über die beiden Autos rechts zu erfahren würden mich selbst brennend interessieren.
Für den 22. April 1951 hatte der AVD den Internationalen Großen Preis von Berlin für Formel 2- und Formel 3-Wagen angemeldet. Eine Durchführung dieser Veranstaltung setzte jedoch eine instandgesetzte Avus-Rennstrecke voraus. Daraufhin berief der Magistrat von Berlin am 13. November 1950 einen vierköpfigen Ausschuss, der alle mit der Wiederherstellung der Avus im Zusammenhang stehenden Fragen prüfen sollte. Als Problem dabei erwies sich die Finanzierung. Etwa eine halbe Million DM wurde veranschlagt. Auf Initiative von Dr. Lindner erklärte sich die Industrie bereit, Mittel zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug sollte die Aufstellung von Werbetafeln rund um die Strecke genehmigt werden. Dies lehnte der Magistrat mit dem Hinweis auf ein Bundesgesetz ab, das die Aufstellung von Reklamewänden am öffentlichen Autobahnnetz untersagte.
Auf Druck der Öffentlichkeit trat der Avus-Ausschuss Ende Dezember endlich zusammen. Man musste eingestehen, dass der April-TerMin nicht mehr zu halten war. Bürgermeister Dr. Friedensburg teilte mit, dass die Finanzierung im Rahmen des Notstandsprogramms aus amerikanischen Mitteln möglich wäre, sofern sich die Industrie an den Gesamtkosten beteilige und der AVD garantiere, einmal im Jahr ein internationales Rennen unter eigener finanzieller Verantwortung stattfinden zu lassen. Nach vielem Hin und Her sowie einem Treffen mit den Rennfahrern Niedermayr und Brudes im März 1951 vor Ort einigte man sich schließlich auf den 1. Juli als neuen Veranstaltungstermin. Auch die Finanzierungsfrage konnte gelöst werden: Sponsoren übernahmen ein Drittel. Dafür gestattete der Senat, wie die Berliner Stadtvertretung nach der Bildung des Landes Berlin in Zukunft hiess, das Aufstellen von Werbetafeln im Bereich der Nordkurve. Anfang Mai rückte der erste Bauarbeitertrupp an. Die Rennstrecke erhielt eine Umzäunung und im Bereich der Motorradkurve eine neue Schleifenführung. Es blieb also wie schon 1938 bei einer verkürzten Rundenlänge von 8,3 Kilometern. Die alte Südkurve in Nikolassee war bereits im Zuge des Anschlusses der Avus an den Autobahnring bei Kriegsbeginn abgebrochen worden. Das beschädigte Eingangstor im Norden wurde beseitigt, Tribünen, Terrassenanlagen und Gebäude wieder hergerichtet, rund 200.000 Zuschauer sollten Platz finden. Eine Erneuerung der Fahrbahndecke verschob man um ein Jahr und beschränkte sich auf deren Ausbesserung. Unter Leitung des Charlottenburger Bezirksstadtrates Eichenbrenner bemühten sich mehr als 1.000 Notstandsarbeiter im Zweischichtbetrieb um rechtzeitige Fertigstellung. Berlins Motorsportfreunde konnten endlich aufatmen.
Wiederherstellungsarbeiten an der Avus im Mai 1951.
1951: Nicht mehr der alten Glanz der Vorkriegsjahre, aber immerhin - die Avus steht wieder.