Der Große Preis von Deutschland feiert in diesem Jahr den 90. Geburtstag. Aber eigentlich reicht die Geschichte noch länger zurück. 1904 nämlich wurde im Taunus das erste internationale Autorennen in Deutschland ausgetragen. Und das alles nur wegen dem roten Teufel. Camille Jenatzy mit seiner roten Haarpracht und seinem Spitzbart gewann 1903 den Gordon-Bennett-Cup für Mercedes – und weil der siegreiche Konstrukteur das nächstjährige Rennen ausrichten musste, kam die Spitze des Automobilsports ins Kaiserreich von Wilhelm II.
Von solchen Zuschauerzahlen kann Hockenheim heute nur träumen: Mehr als eine Million Zuschauer begeisterten sich in der Steinzeit des Automobils schon für den Rennsport und strömten in den Taunus. Rennsport war aber schon damals ein Draufzahlgeschäft: 140.000 Mark Einnahmen standen Ausgaben in Höhe von 280.000 Mark gegenüber – alleine die Kaisertribüne kostete 95.000 Mark! Der Kaiser bestimmte auch den Austragungsort: Statt in Berlin auf der Insel Usedom wollte er das Rennen in seiner Sommerresistenz in Bad Homburg.
Über asphaltierte Auslaufzonen konnten die Rennstars wie Camille Jenatzy damals nur lachen: Sie hatten es mit einer Piste zu tun, die nicht nur 128 Kilometer lang war, sondern auch 445 Höhenmeter Differenz, bis zu 17 Prozent Gefälle und bis zu 15 Prozent Steigungen aufwies. Und vor allem: Die Strecken waren staubig wie in der Wüste, schließlich waren Straßen damals eigentlich für Pferdefuhrwerke ausgelegt. Über die gesamte Piste wurde zur Bindung des Staubs eine amoniakhaltige Asphalt-Öl-Schicht aufgetragen.
Fürs Nachtanken wurde bezahlt
Die Organisation des Rennens war anspruchsvoll: Mehr als 1000 Helfer sorgten für Recht und Ordnung, 100 Uhren und Chronometer zur Zeitabnahme mussten angebracht und 27 Benzin- und Ölstationen aufgebaut werden. Fürs Nachtanken mussten die Fahrer noch bezahlen: 1,36 Mark pro Liter Benzin – das sind umgerechnet auf heute 6,50 Euro...
Mit 18 Startern war das Feld so groß wie noch nie. Der Gordon-Bennett-Cup als Vorläufer der heutigen Grand-Prix-Rennen boomte. Pro Nation waren maximal drei Starter erlaubt. In Frankreich buhlten 29 Autos von neun verschiedenen Marken in einem Ausscheidungsrennen um einen Startplatz. Die Franzosen hatten die Nase voll von der limitierten Starterzahl und schrieben daher für 1906 den ersten Grand Prix aus.
Neun verschiedene Hersteller mischten 1904 im Taunus mit. Die Autos mussten bis ins kleinste Detail im eigenen Land produziert werden. Sie alle setzten auf Vier-Zylinder-Otto-Motoren, der Mors hatte dabei einen Hubraum von sagenhaften 13,6 Litern und gleich drei Hersteller schafften 100 PS. Darunter auch Opel, wo Friedrich Franz Opel als einziger deutscher Pilot am Steuer dabei war. Opel war eigentlich Radrennfahrer, gewann mit Opel-Fahrrädern 180 Preise – aber jetzt war das Zeitalter des Automobils angebrochen, also sattelte er um. Das waren die Rennfahrer von damals.
Trotz der anspruchsvollen Strecke erreichten 12 von 18 Fahrer das Ziel, kein Pilot wurde Opfer eines Unfalls. Der Sieg wurde in einem packenden Duell zwischen Léon Théry (Richard-Brasier) und Vorjahressieger Camille Jenatzy (Mercedes) entschieden. Letzterer war damals unumstritten einer der besten und vor allem wagemutigsten Piloten überhaupt: Mit einem eigens konstruierten Elektro-Auto erzielte er 1899 als erster Mensch mehr als 100 km/h! Dieses Mal aber gewann nach fünf Stunden, 40 Minuten, sowie mehr als 500 Kilometer Théry und holte somit den Gordon-Bennett-Cup 1905 wieder nach Frankreich.