Weil das neue F1-Team von Super Aguri momentan in aller Munde ist, möchte ich ein paar Worte über den Mann verlieren, der daran nicht ganz unschuldig ist, dass in Rekordzeit ein solides Programm auf die Beine gestellt wurde: Daniele Audetto.
Es war nicht ganz einfach, Material über ihn zu bekommen, aber da ich zahlreiche "Autosprint"-Ausgaben besize konnte ich auch ein paar "Details" auftreiben.
Daniele Audetto wurde am 4. Mai 1943 in der Nähe von Turin geboren. Zunächst sah es nicht so aus als würde er auch nur annähernd mit Motorsport zu tun haben, denn zunächst absolvierte er eine Ausbildung an der Akademie der Modernen Kunst in Mailand, als Schüler des italienischen Malers Morlotti. Daneben arbeitete er als Journalist.
Unmittelbar danach muss Daniele mit dem Motorsportbazillus infiziert worden sein, denn die nächste biografische Notiz, die ich finden konnte weist ihn bereits als Rallye-Copiloten aus, ein ziemlich radikaler Berufwechsel! Seine Karriere begann 1966 und seine Leistungen unter dem Pseudonym "Sartana" fanden rasch Anklang, sodass er bereits 1968 ins Lancia-Werksteam berufen wurde. An der Seite von prominenten Piloten wie Sandro Munari und Luca di Montezemolo fungierte er weitere drei jahre als Co, bis ein schwerer Unfall passierte, bei dem er so schwere Beinverletzungen erlitt, dass er seine aktive Karriere leider beenden mußte. Mit einem mittlerweile erworbenen Diplom in Marketing von der Universitá Bocconi in der Tasche wechselte er an der Seite von Cesare Fiorio ins Teammanagement von Lancia. Die Zeit mit Sandro Munari war außerordentlich erfolgreich und wurde vom WM-Titel 1974 gekrönt.
Ende 1975 war bei Ferrari bereits klar, dass man Luca di Montezemolo als Teammmanager verlieren würde. Für Luca war ein hochrangiger Posten im Fiat-Imperium vorgesehen, sodass es notwendig wurde einen neuen "diesse" für die Scuderia zu suchen. Die Wahl fiel auf Audetto. Niki Lauda, die Nr.1 bei Ferrari, scheint von dieser Wahl jedoch von Anfang an wenig begeistert gewesen zu sein. Die folgenden Informationen stammen aus seinem "Protokoll" von 1977 und sind eher mit Vorsicht zu genießen da sehr subjektiv.
Lauda traf sich also im Dezember 1975 mit Audetto um ihm "den Job zu erklären, er benahm sich vernünftig". Doch bald tauchten erste Risse in der Beziehung auf, die mit Fortdauer der Saison unüberbrückbar wurden. Was war passiert? Aus dem "Protokoll" wird ersichtlich, dass Lauda und Audetto zwei vollkommen unterschiedliche Menschen sind; Auf der einen Seite der kulturbeflissene Partytiger und "Playboy", der typisch italienische endlose Abendessen liebte, auf der anderen der nüchterne "Computer" Lauda. Der haßte endlose italienische Abendessen und Parties (jedenfals damals ), trauerte zudem di Montezemolo nach, der immer seine "Schutzmacht" und sein erster Ansprechpartner bei Ferrari/Fiat gewesen war. Parallel dazu freundete sich Audetto mit Clay Regazzoni an, der in etwa die gleiche "Freizeitgestaltung" wie er bevorzugte. Als Audetto in Long Beach eine Stallorder zugunsten von Regazzoni vereinbaren wollte,weil der Schweizer dort immer stark gefahren war, sah Lauda seine WM-Chancen und seine Position im Team bedroht und es kam zum Bruch. Lauda unterstellte Audetto in der Folge "Chaotisieren, Blackouts und einen Neubauer-Komplex", setzte sich aber aufgrund seiner Erfolgsserie in der ersten Saisonhälfte teamintern gegen Audetto durch. Dann kam der 1. August 1976. Noch während Lauda auf der Intensivstation lag, suchte Audetto bereits nach einem Ersatzpiloten, was den Österreicher später so empörte, dass die Beziehung Lauda-Audetto endgültig in die Brüche ging. Es ist bis heute nicht klar, wer den Auftrag für die Pilotensuche gegeben hatte. Während Mauro Forghieri von einen Alleingang Audettos spricht, geht die Mehrzahl der Experten von einem Befehl Enzo Ferraris himself aus, denn dafür spricht die Rücksichtslosigkeit der Aktion und der Umstand, dass es sich immerhin um eine klare "Chefsache" handelte. Wie auch immer-Reutemann war bereits als Lauda-Nachfolger installiert, als Lauda in Monza in die F1 zurückkehrte. Mit den drei Autos und dem chaotischen Rückzugsgefecht gegen das McLaren-Team war die Ferrari-Überlegenheit plötzlich verschwunden. Es kam zum Showdown in Fuji, bei dem Lauda im strömenden Regen aufgab, weil er nichts mehr sehen konnte. Audetto versuchte, ihm ein Statement in bezug auf technischen Defekt zu entlocken, aber Lauda war mutig genug bei der Wahrheit zu bleiben. Für beide hatte Fuji Folgen: Lauda war bei Enzo himself untendurch und sah sich plötzlich in der ungewohnten Rolle des zweiten Fahrers; Audetto wurde als Sündenbock für das Fuji-Desaster als DS entlassen.
Objektiv betrachtet hat Audetto in seiner Ferrari-Saison sicher Fehler gemacht, vor allem nach dem Lauda-Unfall war das Team völlig desorganisiert. Dem steht ein bis dahin superbes Jahr gegenüber; man wäre ohne das Unglück am N-Ring mit Sicherheit WM geworden. Audetto erwies sich im Jahr der Disqualifikationen und Proteste zudem als trickreicher Teammanager, der mit allen Wassern gewaschen war.
Audetto kehrte daraufhin dorthin zurück, wo er hergekommen war, in den Rallyesport. Als Chef aller Fiat-Motorsportaktivitäten führte er die Turiner zu den Weltmeistertiteln 1977 und 1980. 1980 führte er den Italiener Della Valle zum Off-Shore-Weltmeistertitel bei den Powerboats, parallel dazu betrieb er mit Anneliese Abarth die Filmfirma FilmGo, die sich auf Rennsportfilme spezialisiert hatte. Im Jahr darauf kehrte er als sponsor-hunter in die F1 zurück. 1981/82 war er Ragno-Verbindungsmann bei Arrows, wo man mit Riccardo Patrese teilweise sehr erfolgreich war, es folgte ein Engagement für Candy bei Toleman und ähnliche Projekte in der Powerboat-WM.
Drei Jahre später dockte Audetto bei Lamborghini an und schaffte es binnen Jahresfrist zum Direktor des Motorsportprogramms. Geplant war ein Engagement mit einem 3,5 V-12 in der F1, konstruiert wurde das Triebwerk von einem alten Kollegen Audettos, Mauro Forghieri. Zwischen 1989 und 1993 leitete er die Einsätze des Motors, die Erfolge waren leider eher bescheiden.Immerhin konnte sein späterer Chef Aguri Suzuki 1990 einen dritten Platz an Land ziehen. Ende 1993 kam die große Chance: Ayrton Senna testete den ausgezeichneten neuen Chrysler-V12 und war von dem Triebwerk so begeistert, dass er es noch in Japan und Australien einsetzen wollte. Lamborghini hoffte auf ein McLaren-Engagement 1994 und begann mit weiteren Entwicklungen. Doch Ron Dennis machte dem Projekt einen Strich durch die Rechnung. Er unterschrieb plötzlich und unerwartet einen Vertrag mit Peugeot für 1994. Chrysler war bitter enttäuscht und zog sich in der Folge aus der F1 zurück.
Audetto wechselte daraufhin als Sponsor-fiancee von Power Horse in die Superbike-WM. Als Power Horse einen Deal mit Tom Walkinshaw abschloss, ging Audetto mit, zunächst zu Ligier und dann zu Arrows, wo er bis zum unrühmlichen Ende 2002 als Teammmanger blieb. Als Arrows im finanziellen Chaos unterging, wechselte Audetto zu Renaults engine department nach England, dann kurz zu Menard. Schließlich wurde im Oktober 2005 handstreichartig das SAF 1-Team gegründet. Man war auf der Suche nach einem erfahrenen und fähigen Teammanager. Es konnte nur einen geben....
Audetto ist, ähnlich wie Mauro Forghieri, für einen Menschen aus dem F1-Umfeld ungewöhnlich kunstinteressiert. Er ist Experte für alle Arten von Musik, im besonderen Cool Jazz als auch für Malerei, die sein eigentlicher Beruf ist. Außerdem soll er ein passionierter Billardspieler und überhaupt ein guter Typ sein.
Als er unlängst in einem italienischen Forum postete, fragte er tatsächlich die Fans, wen sie als zweiten Piloten für SAF1 vorschlagen würden...A(u)guri, Daniele! :top: