Es ist mal wieder Zeit für eines meiner Fahrer-Portraits: nach Masten Gregory, Alberto Ascari, Willy Mairesse und Alfonso de Portago (über den wir eine sehr schöne Diskussion hatten) ist jetzt Carel de Beaufort dran:
©Benno Müller/Eberhard Reuß - Gesichter des Rennsports; Motorbuch Verlag 1999
Allein schon wegen seines ellenlangen Namens die logische Fortsetzung von Portago: Jonkheer Carel Godin de Beaufort, Herr auf Maaren und Maarsbergen - und Ecurie Maarsbergen heißt deshalb auch sein Rennstall. Ein Hüne von Gestalt, fast 2 m groß, passte er nur in die Cockpits der rundlichen Porsche-Vierzylinder anfangs der Sechziger. Vier Jahre alt ist sein Lieblingsexemplar 'Old Fatty Porsche' - ein Werkscockpit kommt für ihn nicht in Frage. Zu Beginn war er einfach nur ein 'rollender Dilletant' - später hatte er so sehr Gefallen am privaten Rennsport gefunden, dass für ihn gar nichts mehr anderes in Frage kam. So bleibt er der vielleicht letzte echte Amateur in der Formel 1, stets gut gelaunt und aus purer Freude an dem olympischen Prinzip unterwegs. Manchmal fragt man sich wie lange er noch so weiter gefahren wäre...
Amateur mit Perücke
Hinter den Kulissen entpuppte er sich als ganz großer Charakter, als brillanter Komiker. Er gehörte bis zu seinem Unfall wie eine feste Größe zur schnellen Truppe, investierte eine Menge Geld in den Rennsport, das er nie herauswirtschaften konnte und hatte im übrigen viel Spaß an seinem unsteten Wanderleben. Carel lebte heute, dachte vielleicht noch an morgen, aber nie bis übermorgen.
Seine karierte englische Sportmütze nahm er zu keiner Begrüßung ab, steckten doch immer hartgekochte Eier darunter, die ihn seine gelegentlichen Diätanfälle durchstehen halfen. Zu Hause, auf Casteel Maarsbergen, holperte er die Schloßtreppen im Jeep herunter. Zum Training trat er vorzugsweise mit einer roten Perücke an, die ihm den Sturzhelm ersetzte. Daran nahm Anfang der sechziger Jahre niemand Anstoß, sah man doch am Nürburgring typisch britische Morgan-Fahrer noch mit Blazer und flatternder Krawatte auf luftigem Sitz die 1000 km herunterfahren. Damals begann und endete das Sicherheitsbewußtsein beim Sturzhelm und wenn dieser schon einen ledernen Nacken- und Ohrenschutz hatte, dann war der Träger fast schon futuristisch ausgerüstet.
Schwarze Flagge für den rollenden Schrott-Porsche
Er lebte und starb mit Porsche: in dem Zuffenhausener Werk wurde er schnell zu einem festen Bestandteil. Seine ersten Rennen 1956 bestritt er mit einem Porsche Spdyer, bereits 1957 startete er mit einem F2 - natürlich Porsche - im Rahmen des Deutschen GP. Ab diesem Zeitpunkt gab es auch sporadisch Grand Prix Einsätze - meist mit Ankünften 5-10 Runden hinter dem Sieger.
Bekannt wurde de Beaufort in Deutschland durch seinen spekatulären Unfall bei einem Sportwagenrennen auf der Avus 1959: Ausgangs der Steilkurve hatte er die Bodenhaftung verloren, schlitterte über deren Rand hinweg und verschwand im Abgrund!!! Den Zuschauern verschlug es förmlich den Atem - man rechnete mit dem Schlimmsten. Aber de Beaufort stürzte durch Bäume und Gebüsch ins viel tiefer gelegene Fahrerlager und holperte benommen wieder auf die Strecke zurück. Der furchtlose Holländer reihnte sich mit seinem total verbeulten Porsche unversehens wieder in das Feld ein, doch wenig später stoppte ihn die Rennleitung aus Sicherheitsgründen endgültig. Trotz dieses Zwischenfalls war aber Beaufort nicht das was man landläufig einen Crash-Piloten nannte. Im Gegenteil...
Hatte er bis dahin meist Sportwagenrennen, wurde er in den 60er Jahren rühriger - spätestens als er 1961 den ex-Rob Walker Porsche 718 erwarb, gab es für ihn kein halten mehr. Die Ergebnisse waren zwar relativ bescheiden (immerhin vier 6. Plätze im GP - das ist in Anbetracht seines Fahrzeugs gar nicht so schlecht), aber bei einen nicht zur WM zählenden Rennen sah er immerhin mal das Podium (Zweiter in Rom und Siracusa 1963, Dritter in Zeltweg 1963).
Die gefährliche Onboard-Kamera
Carel strahlte immer, Carel war entgegenkommend und hilfsbereit und mit dieser Hilfsbereitschaft handelte er sich im Training zum Großen Preis von Deutschland 1962 völlig außer Programm eine undankbare Hauptrolle ein. Das deutsche Fernsehen suchte unter den Aktiven nach einem Fahrer, der sich bereit erklärte, an seinem Wagen eine Kamera montieren zu lassen, um den Zuschauern den schnellen Sport aus der Perspektive des Fahrers in die Wohnzimmer zu flimmern.
Carel ließ sich überreden (bei solchen Sachen machte er immer mit), und rasch wurde eine dicke 16-mm-Kamera am Heck seines alten Vierzylinder-Porsche montiert. Bis zur Fuchsröhre ging die Sache gut, dann überstürzten sich die Ereignisse. Man hätte sich keinen gefährlicheren Punkt entlang der Strecke für dieses makabre Happening aussuchen können: im Abwärtsgeschlängel löste sich am orangeroten Porsche die Kamera aus ihrer Halterung. Sie wurde auf den Boden geschleudert und blieb mitten auf der Strecke liegen. Beaufort hatte nix bemerkt und setzte seine Fahrt ahnungslos fort.
Graham Hill schoß mit Höchstgeschwindigkeit aus der vorausgehenden Kurve, als er den schwarzen Gegenstand vor sich auf der Straße entdeckte. Er konnte dem dunklen Etwas nicht ausweichen, er mußte bei dieser Geschwindigkeit Ideallinie fahren. Hill nahm den Gegenstand genau zwischen die Vorderräder in der Hoffnung er werde das 'Ding' passieren, aber die Kamera schlitzte den Öltank auf! Eine superschnelle Ölfontäne spritzte auf und traf mit ihrem Strahl noch die Hinterräder des BRM. Der Wagen drehte sich wie ein Kreisel, sackte in einen Graben neben der Strecke, wurde wieder auf die Straße zurückkatapultiert, landete wieder im Graben und wurde wie von magischen Kräften zwanzig, dreißig Meter halb im Graben, halb auf der Strecke weitergeschleift, bis er von kräftigem Buschwerk in seiner gespenstischen Fahrt abgebremst wurde.
Graham befreite sich mit verrenktem Hals und Hautabschürfungen aus dem Chassis seines BRM. Auf allen Vieren krabbelte er zur Strecke hinauf. In diesem Augenblick raste Tony Maggs auf die Öllache zu. Auch er startete sogleich zu einer mitreißenden Pirouette, bevor er in eine Hecke geschleudert wurde. Der Cooper sah aus, als hätten ihn die Hell-Drivers zusammengefahren. Tony Maggs befreite sich glücklicherweise unbeschädigt aus dem Gestrüpp.
Graham Hill schaltete sofort. Er rannte so schnell er konnte - es gab unter der ersten Fahrergarnitur bessere Sprinter als ihn - auf die Kurve zu, schwenkte wild seine Arme und machte auf diese Weise die nachfolgenden Konkurrenten auf die ölig schillernde Gefahr aufmerksam. Trintignant war der nächste. Er stellte sich kräftig auf die Bremse und konnte die tückische Öllache um Zentimeter umgehen. Ein Streckenposten kam Graham jetzt zu Hilfe und schwenkte die gelbe 'Achtung Gefahr'-Flagge. Die schmierseifenglatte Stelle wurde mit Sand entschärft und die ölige Falle konnte nicht wieder zuschnappen.
Unerwartetes Ende
Seine Hörner hatte sich de Beaufort schon längst abgestoßen und mit seinem Wagen Hunderttausende von Flug-, Schiffs- und Straßenkilometern zurückgelegt. Niemand glaubte mehr an seinen Rennfahrertod. Um mit seinem Vier- gegen die Achtzylinder ehrenvoll zu bestehen, hat er sich übernommen, als er 1964 am Nürburgring mit seinem Porsche während des Trainings aus ungeklärter Ursache in die Botik flog - drei Tage später starb er in einem Krankenhaus in Düsseldorf. Nun liegt er einige Steinwürfe hinter seinem Wasserschloß, in dessen Mauern er unvergessen sein wird.