Schade, dass der Thread bisher wenig Anklang findet. Ich versuchs nochmal mit der Bezahlfahrer-Thematik und Niki Lauda:
Was wurde vor der Saison nicht alles geschimpft auf Sergio Perez, Pastor Maldonado und Konsorten: Sie seien nur des Geldes wegen in der Formel-1 und würden talentierteren Fahrern das Cockpit wegschnappen. Richtig ist: Das F1-Feld 2011 hat eine sehr große Zahl so genannter Bezahlfahrer, die allesamt einen ordentlichen Batzen Geld für ihr Cockpit hinblättern, beziehungsweise Sponsoren ihr Cockpit bezahlen. Bei Sergio Perez beispielsweise die mexikanische Telekommunikationsfirma Telmex, bei Narain Karthikeyan der indische Autohersteller Tata. Doch falsch ist, dass die Fahrer nicht auch Talent mitbringen: Vitaly Petrov hat sich bei Renault endlich etabliert und raste beim Australien GP auf Rang drei, Pastor Maldonado ist erstaunlich nah dran an GP-Methusalem Rubens Barrichello, Sergio Perez wäre ohne Disqualifikation beim GP-Einstand Siebter geworden, auch weil er mit den Reifen so schonend umgeht wie eine Mutter mit ihrem frisch geborenen Kleinkind, Jérôme D’Ambrosio schlägt sich bei Virgin besser als Lucas di Grassi im Vorjahr und Narain Karthikeyan hat in Malaysia und China gezeigt: Wenn der Inder sich nicht qualifiziert, dann nur, weil es der HRT Cosworth nicht zulässt und nicht, weil Karthikeyan dazu nicht in der Lage wäre.
Auch in der F1-Historie gibt es viele Bezahlfahrer. Einer der berühmtesten und erfolgreichsten ist mit drei WM-Titeln wohl Niki Lauda. Wie der Österreicher jedes erdenkliche Geld in die Hand nahm, um Fuß in der Formel-1 zu fassen, beschreibt Helmut Zwickl in seiner lesenswerten Lektüre „Grand Prix Piloten – Ihr Weg nach oben“ (1972). Einige Auszüge im Kapitel Niki Lauda:
„Wenn es darum ging, seine Rennunterhaltung zu finanzieren, gelang es ihm, Kredite loszueisen, deren Sicherstellung aber allein vom Zweck, dem sie dienten, unterminiert schienen. Der Familienrat Lauda, durchwegs vermögende, seriöse Wirtschaftstreibende, verurteilte Nikis Rennfahrerei aufs schärfste.
Als sich bis zum 31. Dezember 1970 keine heimische Institution gefunden hatte, um seine Formel-2-Ambitionen zu fördern, nahm er sich einen Dreijahreskredit in der Schweiz, den ihm die Erste österreichische Spar-Casse dann ablöste, womit sie sich zu Laudas Nummer-eins-Sponsor deklarierte.
Zweifellos gab Lauda, der sich 1971 für 8000 Pfund in das March-Formel-2-Werksteam einkaufte, eine Talentprobe ab. Er brachte es in der Europameisterschaft zwar nur auf Platz zehn, doch waren es bisweilen lächerliche Defekte, die ihm wertvolle Punkte vermasselten. Sogar Dieter Quester und Helmut Marko äußerten sich positiv: „Lauda fährt wirklich gut!“
Der junge Wiener gibt sich meist sehr still und zurückhaltend; aus dem naiven Beobachter wurde aber im Nachfolge-Rindt-Spiel ein gefinkelter Habicht, der von Dieter Quester die Gerissenheit und von Helmut Marko die Diplomatie mit dem Ehrgeiz beider vereinigte. Mit Unterstützung seiner Spar-Casse und mit Levis-Jeans bewog Lauda March-Manager Max Mosley zur Herausgabe eines Werkswagens für den Großen Preis von Österreich 1971. Sein Formel-1-Debüt war für March bares Geld, im Handstreich verdient, für Niki Lauda aber eine Enttäuschung, die ihm die Problematik eines Leihwagenfahrers der Formel-1 recht deutlich vor Augen führte. „Jetzt erst recht“, versteifte er sich. Er war mehr denn je bereit, nochmals Lehrgeld zu zahlen, und, wenn es sein musste, sogar viel Geld. Sein Selbstvertrauen grenzte an Jugendirrsinn: Niki nahm einen weiteren Kredit auf, um sich selbst seine Formel-1-Tauglichkeit zu beweisen. Die Erste österreichische Spar-Casse wäre beinahe schon bereit gewesen, Lauda jenen 2,4-Millionen-Kredit zu geben, der ihm für 1972 das Tor in das March-Formel-1-Team öffnen sollte. Einen heißen Draht in den Sparkassenvorstand benützend, erreichte aber Nikis besorgter Großvater, dass der Kredit nicht bewilligt wurde. Daraufhin wandte sich der zu allem entschlossene Lauda an die Raiffeisenkasse, wo man ihn einen zinsenfreien Dreijahreskredit bewilligte, den er aus Start- und Preisgeldern zurückzahlen muss. Laudas Unfallversicherung auf 1,3 Millionen Schilling und sein Erbteil – eine Villa – wurden bei dem Bankunternehmen verpfändet, und seinem Optimismus konnte auch die Tatsache keinen Abbruch tun, dass sich sein Vertrag mit March nur auf ein Jahr erstreckt. Lauda spielt mit höchstem Einsatz in einem höchst unsicheren Sport. Als er im Grand Prix von Südafrika Siebenter wurde, das ganze Rennen hindurch am Heck von Graham Hill klebte („der Lauda muss mir für diese Lektion was zahlen“, so Hill), von den Ausfällen zwar profitierte, aber doch selbst so schnell fuhr, dass er vom Sieger Hulme erst zwölf Runden vor Schluss überrundet wurde, nach diesem Prestigeerfolg also sah die Formel-1-Zukunft gleich viel rosiger für den Wiener aus.
Die Erfolge zu Saisonbeginn in der Formel-2 schienen allen jenen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, die Laudas Kopf-durch-die-Wand-Politik skeptisch gegenüberstanden. Hatte nicht auch Josef Siffert mit einem ähnlichen Fanatismus seinen Fuß in die Tür der Formel-1 geschoben? Ein dritter Platz in Thruxton, ein zweiter in Mallory Park brachte ihm die Führung in der Formel-2-Europameisterschaft, ein Sieg in Oulton Park über Gerry Birell und Tim Schenken war eine Sprosse am Weg nach oben. Zum Zeitpunkt des spanischen Grand Prix freute er sich noch: „Bis jetzt habe ich schon 350.000 Schilling Kredit zurückgezahlt!“ Pro Jahr muss der Wiener eine halbe Millionen Schilling zurückzahlen – dieses Geld zu verdienen, das ist seine Faust im Nacken. Was aber in den folgenden Wochen auf ihn zukam, war entmutigend, entnervend, geradezu grausam. Er musste sich vorkommen wie ein Bergsteiger, dem in einer senkrechten Wan alle Mauerhaken für den weiteren Aufstieg entglitten waren. March war nicht unfair zu ihm, wenn er auch hier nicht jene optimalen Reifen bekam wie Peterson oder dort nur einen müden Motor. Entscheidend war für die verpfuschte erste Hälfte der Saison 1972, dass March-Konstrukteur Robin Herd mit dem 721X einen Formel-1-Wagen in die Welt setzte, der eine Fehlgeburt war, als solche aber erst nach drei Grand Prix identifiziert wurde. Als Lauda in Belgien Mike Beutlers Formel-1-Zwitter probierte – March-Formel-2-Chassis mit vergrößerten Tanks und 3-Liter-Cosworth-Motor – war er von dieser Kombination so angetan, dass er und Peterson auf die Barrikaden stiegen: „Wir fahren den 721X nicht mehr“, ließ man Robin Herd wissen, man wünschte sich eine Kopie des Beutler-Wagens. Für den französischen Grand Prix war sie fertig. (…)
Niki Lauda und seine grazile Begleiterin Mariella von Reinighaus sind ein Gespann, das aus der materiellen Geborgenheit ihrer vermögenden Familien ausgebrochen ist, um ein Nomadendasein zu führen. Als Profirennfahrer wie auf einer Rasierklinge zu leben mag für Niki weniger beunruhigend sein als der Gedanke, nach einer gescheiterten Karriere umzukehren, vielleicht gar nach Hause?“