Irgendwann mußte das Thema ja mal kommen - und obwohl wir Jean Behra schon mehrmals (ich glaube 3x) in History-Rätseln hatten, habe ich mir einen speziellen Thread zum Thema Jean Behra bislang aufgespart. Nun haben wir mal wieder einen prima Aufhänger, also warum soll es nicht Porsche - bessergessgt der Behra-Porsche - sein. Obwohl ich weit davon entfernt bin Behra auch nur jemals aktiv erlebt zu haben, ist er für mich doch die Person im Rennsport die mich am meisten beeindruckt hat - sicher auch durch einige Fürsprecher (beispielsweise Hans Herrmann oder Nigel Roebuck), die die Gabe hatten ihn sehr lebendig & eindrucksvoll zu schildern, so das im Gegensatz zu anderen Größen dieser Zeit eben mehr als nur die Statistik bei mir hängen blieb. Bleiben wir aber erst mal eng beim Thema - dem versprochenen Rückblick auf 'seinen' Porsche: den sogenannten Behra-Porsche.
Behra spielte eine wichtige - wenn nicht sogar DIE zentrale Rolle bei Porsches Engagement in der Einsitzer-Kategorie. Im Jahr 1959, als Behra noch bei Ferrari als Grand-Prix-Fahrer tätig war, entschloß sich der Franzose zum Bau seines eigenen, auf dem Porsche basierenden Formel-2-Wagens mit offenliegenden Rädern. Ironischerweise mußte der Behra-Porsche F2 gegen die von Ferrari angemeldeten F2-Modelle antreten. Diese Entscheidung zwang Behra jedoch, sich von Ferrari zu trennen (was er ja auch mit einem stilvollen k.o.-Schlag gegen Teamleiter Tavoni tat), obwohl er seinen eigenen Wagen nur zweimal fuhr. Behras Verbindungen zur Grand-Prix-Szene hatten ihn im Jahre 1957 veranlaßt, Porsche zu ermutigen, die Spyder 550 als F2-Wagen einzusetzen. Das Unternehmen nahm mit seinen unveränderten Spyder 550 an ein oder zwei Rennen (etwas am Nürburgring) teil.
Der enthusiastische Behra konnte die Verantwortlichen in der nächsten Saison überreden, den zweisitzigen RSK-Wagen mit seinem offenen Fahrerraum für die F2-Wettrennen in einen Wagen umzubauen, der nur einen in der Mitte des Fahrzeugs eingebauten Sitz hatte (der erste Porsche-Mittellenker). Die Grundlage für Behras eigenen Wagen bildete einer der ersten, schon in die Jahre gekommenen 550, der ihm Ende 1958 von Ferry Porsche zu einem »sehr günstigen Preis« überlassen worden war. Im Juli desselben Jahres fuhr Behra in einem umgebauten einsitzigen RSK einem verblüffenden und umwerfenden Sieg auf dem Formel-2-Rennen von Reims entgegen.
Behra ließ den Wagen von Zuffenhausen in die im italienischen Modena gelegene Werkstatt von Valerio Colotti bringen, dem durch seine Getriebekonstruktionen berühmt gewordenen früheren Konstrukteur von Maserati. Colotti entfernte die Karosserie des 550 und veränderte den Rahmen von Grund auf, so daß man eine Aluminiumkarosserie aufsetzen konnte. Den ursprünglichen Achsabstand von 2,10 m behielt er zwar bei, verringerte aber die vordere Radspur um dreizehn und die hintere um fünf Zentimeter (auf 1,19 m bzw. 1,20 m). An der Vorderseite wurde ein Ölkühler eingebaut, was dem fertiggestellten Wagen ein schnabelförmiges Aussehen verlieh, während die Seiten der Karosserie nur leicht abgerundet waren. Während das von Porsche gebaute Gegenstück zum F2 noch ausladende Kurven aufwies, sah der Porsche von Behra tatsächlich der Form nach wesentlich prägnanter und angenehmer aus. Dessen ungeachtet erhielten beide Fahrzeuge die gleiche Getriebeanordnung und Achseinheit sowie eine 1,5-Liter-Ausführung des von Ernst Fuhrmann für den Spyder konstruierten Vierzylinder-Boxermotors mit vier Nockenwellen.
Der Wagen des Franzosen war für das Formel-2-Straßenrennen in Pau Mitte März 1959 bereit. Trotz eines Reifenwechsels und eines Raddurchdrehers, bei dem er zwei Felgen verbog(!), mit einem Zeitrückstand von 5 Minuten belastet, ging er mit seinem charakteristischen Temperament und entsprechend furioser Leistung als Fünfter durchs Ziel. Bevor die Schwierigkeiten auftraten, hatte er sich einen ungefährdeten zweiten Platz erkämpft. Die letzte Veranstaltung, auf der Behra mit diesem Wagen fuhr, war der Auvergne-Grand-Prix auf der französischen Bergstrecke von Clermont-Ferrand. Auch in diesem Rennen nahm er zunächst die zweite Position ein, mußte aber nach der fünfzehnten Runde aufgeben.
Die beste Plazierung erzielte der Behra-Porsche in Reims im Sommer desselben Jahres, als Behras Freund und Kollege, der Porsche-Werksfahrer Hans Herrmann, den Wagen steuerte. Behra soll Herrmann gesagt haben, daß er wahrscheinlich noch viel mehr Leistung aus dem Wagen mit den offenliegenden Rädern herausholen könne, und genau dies schaffte Herrmann auch. Er erreichte Zeiten, die unter denjenigen lagen, die die von Porsche in das Rennen geschickten Werkswagen erzielten. In dem in extremer Hitze stattfindenden Rennen lag Herrmann zeitweise in Führung, bis er sich mit einem hervorragenden zweiten Platz hinter dem Cooper von Stirling Moss zufriedengeben mußte.
Danach fuhr Herrmann den Behra-Porsche in Rouen (Hat jemand vielleicht ein Bild von dem Auto? Wäre fürchterlich SCHARF darauf). Er erreichte zwar schnelle Zeiten in der Qualifikation, mußte aber wegen Getriebeschaden aufgeben. Behra selbst wollte das Fahrzeug beim Deutschen GP auf der Avus einsetzten, aber sein Todessturz beim Sportwagenrennen vereitelte den Einsatz.
Nach Behras Tod kam das Fahrzeug nach Italien, wo es vom Camoradi-Team des Amerikaners Lucky Casner in diversen Rennen eingesetzt wurde. Im Großen Preis von Argentinien saß Maston Gregory im Cockpit, der nicht viel mit ihm erreichte. Sein amerikanischer Nachfolger Fred Gamble erzielte ebenfalls nur mäßigen Erfolg. Das war auch unser Suchbild von Üchtel:
Dann wurde der Behra-Porsche wieder nach Zuffenhausen transportiert, wo er auch blieb, bis Vic Meinhardt ihn kaufte, der mit diesem Fahrzeug 1963 die »Formula-Libre«-Meisterschaft des Sports Car Club of America gewann. Danach wechselten einige Male die Besitzer, bis er schließlich Ende der sechziger Jahre in den Besitz von Murray Smith überging. Heute kann dieser Wagen im Collier Automotive Museum in Naples, Florida, bewundert werden (leider & völlig unpassenderweise in silber lackiert). Zwar konnte er als Bestandteil von Porsches Aktivitäten im Rennsport nur andeutungsweise seinen Anspruch auf Ruhm geltend machen, aber er stellte - wie die anderen, von Porsche gebauten Formelwagen - einen unter den bundesrepublikanischen Automobilherstellern eintretenden Wandel der Einstellung gegenüber dem Rennsport dar - eine andere Richtung, die auf Porsches Entscheidung hindeutete, die Rennen von Indianapolis zu seinem Hauptziel zu machen.
Tom hats bereits angedeutet - es gab ein sehr freundschafliche Beziehung zwischen Herrmann & Behra. Auch ich habe einige Worte des 'Hermännles' über Jean Behra gefunden - und wollte sie Euch nicht vorenthalten (aus Kitschigins AVUS-Story):
Hans Herrmann traf den Franzosen, mit dem er sich nur im Rennfahrer-Kauderwelsch mit englischen und italienischen Brocken (sowie - man ahnt es - heftiger Körpersprache) verständigen konnte 1953 bei der berühmt-berüchtigten Carrera Panamericana wieder, wo Behra in einer unübersichtlichen Kurve gestürzt war. »So lange Strecken entsprachen nicht seinem Temperament. Er liebte Rundstrecken, und da zeigte er, was er konnte: Wenn irgend jemand schon an der Grenze fuhr, dann legte er noch einen Zahn zu, und intuitiv hat er es auch meist geschafft. Er hatte nur ewig Pech mit dem Material; er kam zu spät auf ein wirklich gutes Auto. Auf engen Kursen, in Pau, in Monte Carlo, hat er sich trotzdem mit dem ewig unterlegenen Gordini hervorragend, immer in der Spitze, geschlagen - und auch oft gewonnen.«
Als die Daimler-Benz AG 1955 einen vierten Fahrer neben Fangio, Kling und Herrmann suchte, hätte jean Behra beinahe seine große Chance erhalten; er stand in engster Wahl. Dann entschied man sich in Untertürkheim für Stirling Moss. »In dieser Zeit waren beide vielleicht gleich stark. Behra war impulsiver; Stirling Moss war etwas abschätzender, kühler, rechnender - man wäre fast versucht zu sagen, er wäre klüger gewesen. Aber Jean Behra war genial in technischer Hinsicht. Er konnte wie kein zweiter ein Fahrzeug abstimmen, er war der gesuchte Mann, um ein im Bau befindliches Rennfahrzeug rennfertig, fit, zu machen. Er war auch der Mann bei Porsche, der unseren Renningenieuren sagen konnte: Baut mir für diese Strecke den um 400 Umdrehungen längeren Gang ein, und ich fahre zweieinhalb Sekunden schmeller. Zuerst haben die Ingenieure den Kopf geschüttelt. Aber er war dann mit dem besser abgestimmten Getriebe genau diese zweieinhalb Sekunden schneller. - Was ich damit sagen will: Er fühlte sich wie kein anderer in die Materie ein. Er hat sich auch mit Ferrari, wo er wirklich ganz vorne fahren konnte, nur aus technischen Gründen zerstritten, weil man nicht auf ihn eingegangen ist.«
In Reims kam es mitten in der Saison 1959 zu einer heftigen Szene; Behra ohrfeigte den Ferrari-Rennleiter Tavoni, und der endgültige Bruch war vollzogen. Für das neue Jahr hatten »Jeannot« und Hans Herrmann eine eigene, private Renngemeinschaft geplant. Sie waren häufig zusammen gestartet, und sie hatten beispielsweise 1958 im 24 StundenRennen von Le Mans einen viel beachteten Klassensieg - dritte Position im Gesamtklassement - herausgefahren. Nun sollte die Partnerschaft noch enger werden. »Bei Jean Behra stand bereits alles fest. Auch die Konzeption für seinen eigenen Rennwagen, und ich zweifle keinen Moment daran, daß er ein hervorragendes Auto gebaut hätte. Er gab mir schon zum Großen Preis in Reims, wo er ja noch für Ferrari gestartet ist, seinen Eigenbau, den Behra-Porsche, und ich konnte damit unsere Werkswagen unter Trips und Bonnier eindeutig schlagen. Gewonnen hat allerdings Stirling Moss auf dem Cooper, und ich wurde ganz knapp Zweiter - Ich glaube, wir wären ein gutes Gespann geworden.«
»Er konnte ganz hart fahren und auch wieder ganz elegant. Er hatte seinen eigenen Stil, je nach dem Kurs. Er hat mir zum Beispiel in Rouen eine Passage erklärt, die ich ihm nicht glauben wollte, weil ich immer die Ideallinie suchte und auch meist intuitiv hatte. Der Effekt war, daß ich nach seiner Anweisung das Gas zwanzig, dreißig Meter länger stehenlassen konnte und auf dieser eigentlich nicht idealen Linie tatsächlich Zeit gewann. Extrem, wenn es die Strecke erforderte; aber ich nehme als Gegenbeispiel den Nürburgring: Am Nürburgring war er einer der elegantesten Fahrer, weil er nach seinem Dafürhalten eine weichere, elastische, elegantere Fahrweise erfordert. Und die hat er beherrscht wie vielleicht nur zwei oder drei andere Fahrer. Damals in Rouen übrigens fuhr ich auch seinen Behra-Eigenbau, und ich stand in der ersten Startreihe. Ich erinnere mich noch ganz genau, daß ich bei ihm reklamierte, daß ich keinen Rückspiegel hatte. Und da sagte er mir: Hans, was hinter dir ist, das geht dich gar nichts an, du fährst an erster Stelle, und du gewinnst das Rennen! Das war ganz typisch für ihn. Er war, wie man so sagt, ein Bombenkerl, ein Mann, auf den man sich hundertprozentig verlassen konnte.«
Ein idealisiertes Bild, gemalt aus der Erinnerung eines guten Freundes?
»Wenn Sie heute, jetzt zur Stunde in die Rennabteilung von Porsche gehen, und Sie erwähnen Jean Behra, dann werden Sie es bei den alten Rennmechanikern, die damals schon dabei gewesen sind, am Leuchten der Augen sehen, wie ganz, ganz eng die Mannschaft mit diesem Jean Behra verbunden war. Das war nicht die Sprache, sondern das mußte von Herz zu Herz gegangen sein. Bei allen, die ihn so verstanden, die ihn auch respektierten, genoß er die allergrößte Hochachtung.«