ksturm hat geschrieben:
Nachdem ich mir die Debatte jetzt eine ganze Zeit lang angeschaut habe, nur ein paar Fakten:
1. Meine angeblich tendenziöse Bemerkung zum Verhalten von Bernie Ecclestone in meinem Buch:
Dass sich das damals so abgespielt hat, wurde von zwei Leuten, die Leo zu Bernie in den Bus begleitet haben, bestätigt. Einen Fakt widerzugeben, auch wenn er unangenehm ist, hat nichts mit tendenziös zu tun. Es ging auch nicht darum, irgendeinen Sündenbock zu suchen, sondern darum, zumindest aus der Sicht von Ayrtons Familie schwer nachvollziehbares menschlisches Verhalten darzustellen, was dann wiederum deren Reaktion verständlicher macht. Ein Hintergrund dabei ist sicher das Aufeinandertreffen völlig verschiedener Mentalitäten, für einen Engländer wird es meistens das größte Ziel sein, nur keine Emotionen zu zeigen - was ein Brasilianer nie verstehen und als grausam und unmenschlich interpretieren wird...
2. Die ganze Diskussion um die Unfallursache ist eigentlich überflüssig, wenn man den Prozess und die dort vorgelegten Gutachten bzw. Aussagen der Mitglieder der Expertenkommision kennt. Nicht zuletzt wurde im allerersten Urteil, das dann ja in letzter Istanz quasi bestätigt wurde, der Bruch der Lenksäule mit einer über 99prozentigen Wahrscheinlichkeit festgestellt. Dass es nicht zu einer Verurteilung kam, hatte juristische Gründe - es war nicht möglich, eindeutige Schuld an bestimmten Versäumnissen exakt einzelnen Personen zuzuweisen, die Fakten aber wurden da eindeutig geklärt. Ich kann das so sagen, da ich an sehr vielen Prozeßtagen selbst in Imola war und auch Italienisch spreche - was bei vielen gerade englischen Berichterstattern nicht der Fall war, die dann das schrieben, was die Williams-Anwälte ihnen erzählten...
3. Noch ein Wort zu Adriane Galisteu: Es gibt durchaus eine Menge berechtigter Gründe dafür, dass 'Ayrtons Familie ihr sehr kritisch gegenüber stand und steht. Ich möchte da jetzt aber wirklich keine einzelnen Details nennen, weil das zu private Dinge sind - und genau das war es ja, was Ayrton nie in die Öffentlichkeit getragen haben wollte. Übrigens ein Vorwurf, den ihr fast der gesamte Kreis derer, die Ayrton ein bisschen besser kannten, macht -dieses Breittreten von Privaten. Ich möchte seine Vorstellungen da auch heute noch respektieren, deshalb nur eine Bemerkung aus eigener Anschauung: Am 21.3.95 morgens am Grab die trauernde Witwe geben, sich dann abends aber ausgelassen in einer Disco feiernd fotografieren lassen... Da passt doch was nicht so ganz zusammen, oder?
Danke Karin Sturm für diesen großartigen Beitrag. Damit ist eigentlich alles gesagt, besonders zur Unfallursache.
Dein Punkt mit den Emotionen trifft absolut ins Schwarze. Ecclestone mag tief in sich große Trauer empfunden haben, aber sein Auftreten wirkte auf emotionale Menschen, wie es die Brasilianer in der überwältigenden Mehrheit nun mal sind (wie auch viele andere Völker), wie ein Schlag ins Gesicht. Wir leben ja in einer Welt, wo Vernunft im Ideal stets über Emotionen gestellt wird (besonders beim männlichen Geschlecht), aber es ist sehr fragwürdig, ob das immer der bessere Ansatz ist. Viele Probleme lassen sich durch einen emotionalen Streit besser lösen als durch vernuftsbetonte Gelassenheit. Ich erinnere mich an Senna-Irvine und Schumacher-Coulthard und finde diese Art der Auseinandersetzung völlig OK.
Und zu Adriane: Sie war damals ein junges Mädchen, das mit einem Superstar zusammen war. Sie war erst recht kurze Zeit seine Freundin und wollte das Leben an der Seite eines jungen Gottes geniessen. Mit dem Thema Tod war sie natürlich völlig überfordert, von ihr die Rolle der trauernden Witwe zu erwarten, finde ich etwas zu viel. Die Formel 1 galt auch damals schon als absolut sicher, dass ausgerechnet Ayrton Senna bei einem Rennen sterben könnte, war einfach undenkbar. Das war ein Schock für alle, kann da nur Berger zitieren "als wenn die Sonne vom Himmel fiele".