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Ayrton Senna, Imola 94

Das Formel 1 Forum früherer Tage...

Beitrag Freitag, 16. März 2007
172 172

Beiträge: 2108
Was ich auch empfehlen kann, ist "Ayrton Senna" von Karin Sturm...
Fate is an elegant, cold-hearted whore
She loves salting my wounds
Yes, she enjoys nothing more
I bleed confidence from deep within my guts now
I\'m the king of this pity party with my jewel encrusted crown...

Beitrag Freitag, 16. März 2007

Beiträge: 8060
172 hat geschrieben:
Was ich auch empfehlen kann, ist "Ayrton Senna" von Karin Sturm...

Ja, das Buch ist durchaus auch Senna-Kritikern zu empfehlen, obwohl Karin Sturm als Senna-Fan bekannt sein dürfte. Es bleibt kritisch genug - trotz einiger pathetischer Kapitel... :roll:

Beitrag Samstag, 17. März 2007

Beiträge: 45834
@Alfalfa: Also wäre wirklich gut der Bericht, denn in dieser Diskussion ist davon sooft die Rede und ich habe ihn noch nie gelesen...

Karin Sturm mag ich irgendwie nicht, also ihre Bücher, Artikel usw., ka wieso, aber gefällt mir nicht so...

Beitrag Samstag, 17. März 2007

Beiträge: 8060
Alfalfa hat geschrieben:
Mal 'ne Frage: hat jemand das Buch von Adriane Galisteu über Ayrton Senna gelesen? Wurde zu seiner Zeit ziemlich runter gemacht (ich glaube sie hat seinen Tod auch heftig vermarktet - ich erinnere mich da noch an ihren Auftritt bei Thomas Gottschalk z.B.) - aber ich denke doch das gäbe einen recht interessanten Einblick...

Dank eBay (Hurra!) habe ich jetzt auch das Galisteu-Buch. Ist wirklich interessant. Verstehe gar nicht warum es damals so schlechte Kritiken bekam. Na ja, vielleicht passt die Schilderung von Senna in diesem Buch nicht zu dem Bild, das viele von ihm haben. Manchmal liest es sich eher wie das Drehbuch zu 'Mr. Monk goes racing'...

Ein großer Nachteil ist leider, dass die deutsche Übersetzung sehr holprig ist und dadurch viele Passagen keinen rechten Sinn ergeben.

Aber ich stelle mal einige interessante Stellen in Kürze ein.

Beitrag Samstag, 17. März 2007

Beiträge: 8060
Noch mal zu dem Galisteu-Buch: Es geht teilweise etwas durcheinander - auch finde ich den einen oder anderen Satz recht holprig (vielleicht falsch?!) übersetzt - aber interessant isses auf jeden Fall. Hier die Stelle, an der sie sich mit Senna über seine Schwierigkeiten mit dem Williams unterhält. Natürlich bekommen diese Sätze durch den Unfall eine ganz andere Bedeutung - und ich kann auch nur hoffen dass sie diese Sätze nicht rückwirkend 'dramatisiert' hat:

Auf unserer letzten Fahrt nach Angra schaute er sich die ganze Übertragung des ersten Laufs der Formel Indy an - in Australien, glaube ich. Da der Zeitunterschied sehr groß ist, fing das Rennen für Brasilien erst im Morgengrauen an. Er schaute sich jedes Autorennen, manchmal sogar Motorräder, an. Am Start waren die brasilianischen Freunde Emerson, Raul Boesel und natürlich Mauricio Gugelmin. Mit ihm hatte er die Wohnung geteilt, als sie voller Tatendrang, Mut und voller Träume über ihre Zukunft und ihren Erfolg im Automobilsport in England Anfang der 80er Jahre ankamen. Die Indy-Übertragung anzuschauen war für ihn reine Leidenschaft für den Sport an sich - und für das Geschwindigkeitsrisiko.

Ich war erschöpft von einem heißen Tag und kuschelte ich mich auf seinen Schoß, voller Resignation darüber, daß er sich die Übertragung bis zum Ende anschauen werde und kämpfte gegen das Ermüden der Augen und Ohren, während er mir das eine oder andere sagte. Plötzlich wurde ich aufmerksam: Vorsicht, hier teilt er dir jemand etwas im Vertrauen mit! Er sagt das nicht nur so zu irgendjemandem. Noch dazu, weil dieser Jemand hier ganz entschieden nicht vom Fach ist.

"Das wird sehr schwer für mich", sagte er.

"Wie bitte..!?"

"Der Williams wird schwer für mich", wiederholte er.

Seit den ersten offiziellen Testrennen Mitte Januar in Estoril, bei denen Braga ihn begleitete, da er in Sintra zu Gast war, trug er das mit sich herum. Ich spürte seine Niedergeschlagenheit. Er hatte sich sehr dafür eingesetzt. Williams war seine Eroberung.

"Ich habe darum gekämpft, mich in dieses Auto zu setzen, neben Frank Williams zu sein. Aber ich spüre, daß mir das Arbeit machen wird. Und entweder habe ich mich nicht an das Auto angepaßt, oder das Auto sich nicht an mich."

Was ich verstand, war: Im Grunde genommen war er davon ausgegangen, daß er sich in den Williams setzen würde, in ein vollendetes Auto, Gas geben würde, um sich dann in die Gunst der Menge hineinzufahren. Dann waren jedoch die Änderungen der FIA-Regeln gekommen, der Versuch, das Niveau nach unten anzupassen. Ich hörte, was er sagte, und brachte meine eigene, laienhafte Meinung dazu ein:

"Es ist dumm, die Regeln zu ändern. Die Formel 1 wird sich zurückentwickeln."

Was ich sagen wollte, war, wenn es schon Computer, d.h. diese hoch entwickelte Elektronik gab, wenn dieses elektronische System eine höhere Sicherheit garantieren sollte, indem es Beschleunigung und Haftung kontrollierte, warum dann in in ein vergangenes Zeitalter zurückkehren? Überraschenderweise stimmte zu und betonte dabei einen Punkt ganz besonders: das Auftanken mitten im Rennen.

"Ich möchte wissen, wie das werden soll", sagte er leicht ironisch und, wie sich später herausstellen sollte, in prophetischer Weisheit.

Das aktuellste Design, die kraftvollsten Motoren, absolut modernste Aerodynamik - und, was die Sicherheit anbelangt, ein Schritt zurück. Man beachte wohl: dies besprachen wir, bevor alles geschah. An jenem ersten Tag, an dem ich den Williams heimlich in England sah, fand ich den Rennwagen schön und scherzte noch mit 'Beco' (der Kosename für Senna):

"Mann, in Blau wirst du alle Herzen brechen!"

Doch in meiner etwas kindlichen Intuition fand ich die Vorderfront des Autos zu schmal - nicht viel, vielleicht eine Handbreit höchstens - während der McLaren etwas plumper war. Sie vermittelte den Eindruck von Zerbrechlichkeit. Er war jedoch davon überzeugt, daß die Struktur des Wagens durch die von ihm gewünschten Änderungen kompensiert werden würden. So sagte er mir. Nichts davon geschah, und am Vorabend des ersten Auftritts kämpfte er mit den Schwierigkeiten eines Anfängers (und ein Anfängerfehler war es dann prompt auch, der ihm geschah)!

Er verbarg seine Enttäuschung nicht.

"Ich fange praktisch wieder bei Null an. Ich muss es leicht nehmen. Es ist eine neue Mannschaft, es sind neue Gesichter, ich will die Dinge Schritt für Schritt ändern. Ein besseres Auto, ein besserer Pilot? Ich weiß nicht", bestätigte er mir wortwörtlich, während ich den Kopf auf seinen Schoß gelegt hatte, auf das Sofa gekuschelt. Er war mit seiner Aufmerksamkeit aber weiterhin beim Surfer's Paradise, Australien (so habe ich das vage in Erinnerung).

"Schau dir nur diesen Mansell an", rief er plötzlich, "der müßte im Zirkus auftreten." - irgendwann nickte ich dann doch ein.

Um vier Uhr in der Frühe weckte er mich und trug mich auf den Armen ins Bett, während er ironisch bemerkte: "Was für eine schöne Gesellschaft räume ich da auf!"


Interessant - in dem Zusammenhang - auch die Aussage von Damon Hill, die er in einem Interview nach dem Rennen in Imola machte. Das ganze stand vor einigen Jahren bei Atlas. Ich find's jetzt leider nicht mehr - also erzähle ich es aus dem Gedächtnis.

Zuerst dachte Hill an eine Kollision zwischen Schumacher und Senna, als das Rennen abgebrochen wurde. Nachdem ihm aber dann klar war, was wirklich passiert war, sei er schnell zu Schumacher gelaufen, der ja direkt hinter Senna war, um Klarheit über die Unfallursache zu kriegen. Denn auch sein Auto hatte sich während der ersten Runden - mit noch relativ 'kalten' Reifen - als recht unangenehm zu fahren erwiesen. Schumacher erklärte dass Sennas Auto sehr unruhig war und besonders über den Unebenheiten im Asphalt zu springen begann. Bereits in der Runde vor seinem Unfall habe er das Auto an derselben Stelle fast aus der Kontrolle verloren. Seiner Meinung nach war das gleiche dann beim Unfall passiert, nur diesmal hätte Senna das Auto nicht mehr abfangen können. Hill fragte weiter ob er irgendwelche Anzeichen von Defekten, Unregelmäßigkeiten oder Auffälligkeiten an Sennas Auto gesehen habe. Klar, er musste ja mit einem solchen Auto in Kürze wieder am Re-Start teilnehmen. Schumacher antwortete ihm, 'Nein, sonst sei ihm nichts aufgefallen'. Damit gab sich Hill dann wohl zufrieden...

Beitrag Sonntag, 18. März 2007
rot rot

Beiträge: 322
Alfalfa hat geschrieben:
wischerblatt hat geschrieben:
Meine Frage wär mal also wenn wir mal annehmen dass Senna voll auf der Bremse stand und dazu ja noch nach links lenkte hätte da das Auto nicht aussbrechen müßen oder hält da die Aerodynamik dagegen?

Ich höre heute das erste mal dass Senna (voll?!) auf der Bremse stand. Soweit ich weiss war immer nur die Rede davon, das er vom Gas gegangen sei. Bei einem aerodyamisch ausschließlich auf Abtrieb konstruierten Auto wie einen F1 genügt das schon für eine recht heftige Verzögerung, wie der von IceFire geschilderten.

In der Woche vor Imola waren aus dem Williams-Team kritische Stimmen zu hören gewesen, man würde unter dem Druck von Benetton ein bisschen zu viel auf einmal probieren & improvisieren. In Imola hatte dann der Williams eine komplett überarbeitete und weitgehend ungetestete Frontpartie.

Und jedenfalls gibt's beim Bremsen (oder vom Gas gehen) einen Lastwechsel nach vorne. Auch das sollte man nicht vergessen.


Ich sehe das genauso, wenn man sich die Bilder anschaut ist darauf nicht zu erkennen, dass Senna überhaupt bremst. Wenn er sogar voll gebremst hätte, müsste man auf den Bildern eigentlich Qualm aufsteigen sehen, zudem hätte er bei voller Bremslast den kleinen Grünstreifen regelrecht umgepflügt, davon ist auf den Bildern nichts zu erkennen.
Auch die These, dass Senna´s Wagen ausgebrochen ist und er gegengelenkt hätte, wird durch die Bilder aus Schumacher´s Onboard-Kamera nicht gestützt. Zumal ich glaube, obwohl ich Senna bewundert habe, dass auch er seinen Wagen nicht mehr eingefangen hätte, wenn ihm in einer 320-Km/h-Kurve das Heck ausbricht. Auch ist, wie gesagt, von diesem Ausbrechen aus Schumacher´s Perspektive nichts zu sehen.
Desweiteren spricht gegen diese These, dass wenn Senna noch hätte lenken können, er dies bestimmt dem-angeblichen- Bremsen vorgezogen hätte. Soll heißen, er hätte nach dem Ausbrechen des Wagens noch versucht die Kurve zu kriegen. Dies hätte er höchst wahrscheinlich dann zwar nicht mehr geschafft und wäre auch so von der Strecke abgekommen, allerdings wäre er ganz bestimmt nicht geradeaus in die Wand gefahren, sondern wäre in einem wesentlich flacheren Winkel eingeschlagen. Zudem widerspricht es sämtlichen physikalischen Gesetzen mit einer funktionierenden und auch eingeschlagenen Lenkung voll auf der Bremse zu stehen und trotzdem geradeaus zu fahren. Wäre dies der Fall gewesen hätte sich Senna mit einem Monster-Dreher in die Wand verabschiedet.
Als einzige plausible These bleibt somit der Bruch der Lenkstange.

Beitrag Sonntag, 18. März 2007
rot rot

Beiträge: 322
flyingfin hat geschrieben:
Was ich mich auch bis heute frage, warum keiner der Streckenposten zu ihm hinging und in fragte wie es im geht, wo er verletzt sei, etc.. Es hätte ihm wahrscheinlich zwar nicht das Leben gerettet aber daran sieht man das das Streckenpostenpersonal auch ziemlich überfordert gewesen ist. :?


Diese Frage mussten die Streckenposten auch nicht mehr stellen, da es offensichtlich war, dass es ihm sehr schlecht ging. Man kann sogar auf den TV-Aufnahmen sehen, dass Senna´s Overall, zu dem Zeitpunkt als er noch im Wrack sitzt, blutüberströmt ist. Will gar nicht wissen, wie übel das aus der Perspektive der Marshalls ausgesehen hat.

Beitrag Sonntag, 18. März 2007

Beiträge: 8060
rot hat geschrieben:
Auch die These, dass Senna´s Wagen ausgebrochen ist und er gegengelenkt hätte, wird durch die Bilder aus Schumacher´s Onboard-Kamera nicht gestützt. Zumal ich glaube, obwohl ich Senna bewundert habe, dass auch er seinen Wagen nicht mehr eingefangen hätte, wenn ihm in einer 320-Km/h-Kurve das Heck ausbricht. Auch ist, wie gesagt, von diesem Ausbrechen aus Schumacher´s Perspektive nichts zu sehen.

Genau das widerspricht der Theorie vom Fahrfehler. Man sieht auch aus der Kamerapersektive auf der letzten Runden nicht unbedingt ein schwieriges Fahrverhalten des Williams. Auch Sennas Fahrstil wirkt nicht hektisch. Momente vor dem Einschlag bleibt auch alles ruhig. Wie gesagt - es sieht einfach so aus, als sei er ab einem gewissen Punkt der Kurve gerade aus gefahren.

Im Grunde sind wir so schlau wie am Anfang der Diskussion. Jeder sucht sich halt die Version, die ihm am besten zusagt...

Beitrag Sonntag, 18. März 2007

Beiträge: 3095
Dennoch, sehr angenehm wie diese Diskussion verlaufen ist. Ein User hat einen "frischen" Aspekt eingebracht, der allerdings keine Beachtung fand. Der mögliche Bruch des Unterbodens, bedingt durch das heftige Aufsetzen des Williams. Ich weiss jetzt leider nicht, ob es diesbezüglich Bilder oder offizielle Statements gibt. Denn auch ein gebrochener Unterboden kann den Unfall ausgelöst haben.
Mit freundlichen Grüßen
Jotti

Beitrag Sonntag, 18. März 2007

Beiträge: 8060
Jotti hat geschrieben:
Dennoch, sehr angenehm wie diese Diskussion verlaufen ist.

@Jotti; ja, finde ich auch. Wir hatten hier auch schon andere Fälle. Vielleicht liegt's ja auch daran dass die Senna-Fans langsam weniger werden... oder mit wachsendem Alter moderater...?!

Schon tragisch, dass ein zwar 'relativ' schwerer, aber verglichen mit dem Ratzenberger Crash auf jeden Fall 'überlebbarer' Unfall, das Leben von Senna gekostet hat. Senna hatte einfach Pech.

Man kann zwar viel herum spekulieren, in wie weit Senna an dem Tag (oder Wochenende) durch das Drum Herum & die Unfälle beeinflusst wurde - nachdem ich mich aber jetzt auch recht intensiv damit beschäftigt habe, muss ich sagen. Mit dem Unfall selbst hat das wohl nix zu tun.

Senna hat allerdings, anders als andere Piloten vor ihm (Lauda, Prost, Fittipaldi etwa) nicht auf seine innere Stimme gehört, die ihm riet an diesem Tag NICHT zu fahren. Im Verlauf des Samstags hat er das wohl auch gegenüber mehreren Vertrauten geäußert. Warum er dazu nicht den Mut aufbrachte - das weiss er wohl nur selbst...

Beitrag Sonntag, 18. März 2007

Beiträge: 0
Hab die Dikussion auch sehr interessiert verfolgt. ;) Hat irgendwer die Dokumentation von National Geographics komplett?? Gibts die auch auf DVD?

Danke im Voraus für die Info ....

Beitrag Sonntag, 18. März 2007

Beiträge: 3095
Alfalfa hat geschrieben:
Senna hat allerdings, anders als andere Piloten vor ihm (Lauda, Prost, Fittipaldi etwa) nicht auf seine innere Stimme gehört, die ihm riet an diesem Tag NICHT zu fahren. Im Verlauf des Samstags hat er das wohl auch gegenüber mehreren Vertrauten geäußert. Warum er dazu nicht den Mut aufbrachte - das weiss er wohl nur selbst...


Ich glaube, er war hin und her gerissen. Doch der "Profi" in ihm war stärker als der Mensch. Er hatte Rückstand in der WM, besser gesagt Null Punkte. Nun bin ich kein Prophet, doch selbst wenn er Imola ausgelassen hätte, er wäre wohl doch noch Weltmeister geworden. Ist nur leider eines von vielen Beispielen, wo Menschen in Risiko-Sportarten bei schlechtem inneren Gefühl besser im Bett geblieben wären.
Mit freundlichen Grüßen
Jotti

Beitrag Sonntag, 18. März 2007

Beiträge: 45834
Nun bin ich kein Prophet, doch selbst wenn er Imola ausgelassen hätte, er wäre wohl doch noch Weltmeister geworden.


Gut das ist jetzt ein anderes Thema, aber dieser Überzeugung bin ich nicht. Wäre Imola 1994 nicht gewesen, wüsste keiner, wies weiter ging, denn das Wochenede hatte starken Einfluss auf den Verlauf der weiteren Saison.

Beitrag Sonntag, 18. März 2007

Beiträge: 8060
MichaelZ hat geschrieben:
Nun bin ich kein Prophet, doch selbst wenn er Imola ausgelassen hätte, er wäre wohl doch noch Weltmeister geworden.

Gut das ist jetzt ein anderes Thema, aber dieser Überzeugung bin ich nicht. Wäre Imola 1994 nicht gewesen, wüsste keiner, wies weiter ging, denn das Wochenede hatte starken Einfluss auf den Verlauf der weiteren Saison.

In der Tat ist die Frage nicht zu beantworten - ich würde aber die Meinung von Jotti teilen. Spätestens gegen Saisonmitte war der Williams dem Benetton überlegen. Und bis dahin wäre mit Sicherheit auch Senna besser mit dem Fahrverhalten des Wagens klar gekommen.

Und Ratzenberger Tod hätte mit Sicherheit nicht DIE Konsequenzen wie Sennas Tod gehabt. Ich glaube das darf man schon so sehen.

Ein Frage, die natürlich nicht zu beantworten ist, ist Schumachers Verhalten in Silverstone und die anschließende Rennsperre.

Als Beispiel wie viel stärker Senna war, fällt mir eine Geschichte über dem GP von Brasilien 1994 ein, in dem Hill von Senna überrundet(!) wurde. Neulich habe ich nämlich einen Bericht darüber gelesen, in dem Hill berichtet wie er zuerst von Schumacher überrundet wurde - und dabei einen kurzen Augenblick überlegte, ob er ihn etwas 'aufhalten' sollte - es aber dann doch aus sportlichen Gründen bleiben lies. Dafür nahm er sich dann vor, seinem Teamkollegen Senna, der kurz hinter Senna lag und ihn nun auch überrunden musste, vorbildlich Platz zu lassen. Aber ehe er noch Anstalten zum Ausweichen machen konnte, hatte Senna sich schon kompromisslos zwischen ihm und dem Fahrbahnrand durchgequetscht, wobei er sogar ins Gras fuhr, und wahrscheinlich mehr Zeit verlor, als wenn er noch 5 Sekunden auf Hill gewartet hätte. So war Senna eben - er verschwendete mit so was keine Zeit. Hill registrierte dies mit Erstaunen (und auch mit Bewunderung)...

Beitrag Montag, 19. März 2007

Beiträge: 8060
So, hier kommt also nun der (von Michael gewünschte) Watkins-Bericht. Nicht ganz typisch für das Buch - normalerweise ist Watkins Stil leicht überheblich, fast zynisch. Bei der Schildernung der Ereignisse von Imola hält er sich - zu recht - sehr zurück. Manchmal ist er mir sogar eine Spur zu sentimental. Das Gelabere mit der 'Schwelle einer Epoche' gleich am Anfang und der 'Seele Sennas' (kommt im zweiten Teil) kaufe ich ihm allerdings nicht ab - das ist - in meiner Meinung - rückwirkendes Gelaber...

Da der Bericht relativ lang ist, kommt daher er in zwei Teilen. Los geht's:

Im allgemeinen leide ich nicht unter Vorahnungen, doch es war schon bis dahin ein schlechtes Wochenende gewesen, und das Unglück im Training am Samstag, bei dem der Österreicher Ratzenberger ums Leben gekommen war, hatte mich sehr mitgenommen. Am Sonntagmorgen hatte ich mich wieder einigermaßen beruhigt. Ich freute mich nicht auf das Rennen - und war froh, dass das Wochenende bald zu Ende sein würde.

Am Abend zuvor hatte ich mit dem früheren Formel-1-Piloten John Watson, einem alten Bekannten, der heute als TV-Kommentator tätig ist, gegessen. John beschäftigte der Barrichello-Unfall; der Brasilianer war bei ca. 250 km/h in die Streckenbegrenzung gerast und dabei (nur leicht) verletzt worden. An diesem Abend sagte ich etwas durchaus Prophetisches. Ich meinte, dass die Formel 1, so wie wir sie kannten, vielleicht an einem Endpunkt angekommen war. Ich hatte das Gefühl, dass die weltweiten soziologischen Veränderungen dazu geführt hatten, dass der bisherige Auftritt der Formel 1 nicht mehr akzeptiert wurde. John war etwas überrascht, stimmte mir aber später zu, dass eine Schwelle erreicht war.

Im Warm-up am Sonntagmorgen gab es keine Probleme. Ich hatte Senna zuletzt am Samstag nach dem Ratzenberger-Unfall im medizinischen Zentrum gesehen. Unruhe ergriff mich wieder beim Briefing der Piloten, als wir eine Gedenkminute für Roland einlegten. Ich hielt es nicht für eine gute Idee, die Fahrer, kurz bevor sie sich selbst dem tödlichen Risiko aussetzten, an den Tod eines Kollegen zu erinnern. Aber ich konnte die Entscheidung nicht beeinflussen. Kein Fahrer wirket allerdings unruhig oder gar beunruhigt, mit Ausnahme von Senna, dem zum zweiten Mal innerhalb von 24 Stunden die Tränen aus den Augen flossen. Er versuchte, seine Trauer zu verbergen, doch sie siegte, und er vergoß stille Tränen, die er versuchte, mit seiner Zunge aus dem Gesicht zu lecken. Ich wandte meinen Blick ab, respektierte seine Trauer. Nach dem Briefing sprach ich ihn nicht, wie meist üblich, an.

Während des Treffens gab es Diskussionen über bestimmte Dinge, die hier nicht wiedergegeben werden dürfen. Ayrton hielt sich hervorragend - ganz der Herr, den ich seit Jahren kannte, den ich bewundert, respektiert, ja, den ich geliebt hatte.

Gehen wir einen Schritt zurück; die unangenehmen Ereignisse begannen am Freitagnachmittag. Ich saß in meinem Einsatzwagen vor der Boxenschikane zusammen mit dem Fahrer Mario Casoni und dem Anästhesisten Dr. Baccarini, mit dem ich schon seit einigen Jahren zusammenarbeitete. Die Stimmung war entspannt. Plötzlich hörten wir das Geräusch eines (großen) Unfalls hinter uns, drehten uns um und sahen die Unterseite eines Formel-1-Boliden über die Boxenmauer fliegen. Fahrzeugtrümmer verteilten sich über die ganze Piste. Wir hatten von dem Unfall nicht das geringste mitbekommen. Mario zögerte aber keine Sekunde und raste sofort zu dem Unfall während Rennleiter Roland Bruynseraede über Funk 'Rote Flagge' brüllte. Wir überquerten die Strecke, wobei wir einigen Formel-1-Wagen ausweichen mußten, die glücklicherweise relativ besonnen fuhren.

Als wir eintrafen, drehten die Streckenposten den Boliden gerade wieder auf die 'richtige' Seite. Etwas zu zackig, dachte ich noch, weil es ja möglich war, dass der Fahrer eine Rückenverletzung haben konnte - obwohl solche Prozeduren in der Eile oft schwer zu steuern sind. Dieses Manöver wäre (unter Umständen) nicht hilfreich gewesen. Ich kniete mich neben den Piloten und hörte seinen schweren Atem. Es war Barrichello. Dr. Baccarini hielt seinen Helm, während ich den Kinnriemen mit meiner Schere durchschnitt. Wir zogen den Helm ab. Er war ohnmächtig. Er blutete aus einer Verletzung neben der Nase, doch das Problem war die Atmung. Das kann sich schnell zu einem Alptraum entwickeln, denn nach drei oder vier Minuten ohne Sauerstoff beginnen die ersten Hirnzellen abzusterben. Ich schob einen Kieferspreizer zwischen die Zähne, drehte ihn, und wir hatten wieder einen Atemweg. Danach wurde ihm eine Nackenstütze angelegt. In der Zwischenzeit war auch das Rettungsteam am Unfallort eingetroffen.

An jeder Strecke gibt es zwei Teams mit Ärzten und Streckenposten, um verunglückte Fahrer mit Verdacht auf Rückenverletzung mit einer speziellen Schiene aus dem Wagen zu ziehen. Wenn der Fahrer ohnmächtig ist, und man die Schwere der Verletzung nicht einschätzen kann, wird automatisch so verfahren. Diese Prozedur ist das Ergebnis einer Initiative des Motorsportweltverbands FIA und von Dr. Jean-Jacques Isserman. Sie ist bei allen FIA-Veranstaltungen vorgeschrieben. Das Rettungsteam begann, die Schiene anzupassen, während Dr. Baccarini und ich den Atemweg und den Rücken beobachteten. Nach schätzungsweise drei Minuten kam der Pilot wieder zu sich, war aber völlig durcheinander. Dennoch war das Rettungsteam ziemlich erleichtert.

Es dauerte einige Minuten, um Rubens aus dem Wrack zu bergen, doch als er draußen war, machte er einen unversehrten Eindruck. Er wurde im Krankenwagen ins medizinische Zentrum gebracht, wo er geröntgt und von Dr. Franco Servadei, einem Neurochirurgen, genau untersucht wurde. Als der Helikopter mit dem Brasilianer abhob, waren wir sicher, dass er bald wieder auf den Beinen sein würde. Die Stimmung war wieder gut, und wir ließen uns gratulieren. Das System hatte funktioniert, das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Am nächsten Morgen war Rubens wieder soweit hergestellt, daß er die Klinik verlassen konnte. Im Grunde war es (eigentlich) wie immer...

Am Samstagnachmittag sah alles anders aus. Wir waren wieder in einer Trainingssitzung, als auf einmal überall die roten Fahnen geschwenkt wurden. Diesmal hatten wir vom Unfall gar nichts mitbekommen. Mario trat aufs Gaspedal und wir rasten aus der Boxengasse in Richtung Tamburello. In der Tosa-Kurve war der Asphalt mit den Trümmem eines Autos bedeckt. Das Wrack stand etwas weiter. Der in Tosa stationierte Arzt war zu Fuß nach zwölf Sekunden am Unfallort gewesen - das motorisierte Eingreifteam mit Dr. Lega war nach 25 Sekunden eingetroffen.

Als ich ankam, kümmerten sich die Arzte bereits um den Piloten, der aber noch im Wagen saß. Ich überprüfte seine Pupillen - die Situation war ernst. Wir hoben ihn sofort aus dem Wrack. Intravenöse Infusionen, Intubation, Beatmung und Herzmassage - alles wurde unternommen. Der Rettungswagen war sieben Minuten später am Unglücksort und wenig später lag Ratzenberger auf der Intensivstation des medizinischen Zentrums. Am Rande der Strecke konnte nicht mehr für ihn getan werden. Daher wurde er zusammen mit dem Wiederbelebungsteam mit dem größeren der beiden Helikopter in das Hospital Maggiore nach Bologna geflogen. Im Grunde hatte ich mit dem Unfall und der Versorgung bis zu diesem Zeitpunkt aber relativ wenig zu tun.

Plötzlich tauchte Senna in der Tür des Zentrums auf. Er war zuvor mit einem Wagen der Rennleitung zum Unglücksort gefahren (wofür er kritisiert wurde - ihm wurden auch Konsequenzen angedroht) und danach zum medizinischen Zentrum gekommen, wo man ihm (korrekterweise) den Zutritt vermehrte. Daraufhin war er auf der Rückseite des Gebäudes über einen Zaun geklettert und illegal eingestiegen. Nun stand er da. Eigentlich hätte ich ihm am besten den Kopf gewaschen, aber unter diesen Umständen konnte ich es - natürlich - nicht. Ich ging mit ihm nach draußen und beantwortete seine Fragen. Während unseres Gesprächs kam Charlie Moodie, Teammanager von Simtek, dem ich mitteilen mußte, daß die Medizin für seinen Piloten keine Rettungsmöglichkeit mehr hatte. Es war ziemlich hart, mit zwei so betroffenen Menschen zu reden und dabei sachlich und emotionslos zu bleiben.

Senna jedoch war völlig außer sich. Er hatte bisher noch nicht den Tod auf der Piste erlebt. Der letzte bei einem Grand-Prix-Wochenende tödlich verunglückte Rennfahrer war 1982 in Montreal Riccardo Paletti gewesen. Da hatte Senna noch nicht die Formel 1 erreicht. Er war sich natürlich der Gefahren seines Sportes bewußt. Viele Jahre lang hatten wir schwerste Unfälle erlebt, aber dabei war kein Pilot tödlich verletzt worden. Es war grausam und schrecklich, daß sich diese Tragödie nun zugetragen hatte. Senna brach regelrecht zusammen und heulte an meiner Schulter. Ich ließ ihn gewähren. Wir waren seit Jahren enge Freunde, gingen zusainmen angeln, besuchten uns hin und wieder gegenseitig, er war eigentlich Teil meiner Familie geworden. Wir hatten in der Vergangenheit immer wieder über viele Dinge des Sports und des Lebens gesprochen.

Beitrag Montag, 19. März 2007

Beiträge: 8060
Hier kommt Teil 2 - wie gesagt - nichts wesentlich, was wir hier nicht schon diskutiert hätten - steht nicht drinnen:

Ich respektierte Ayrton seit unserem ersten Aufeinandertreffen 1984 im südafrikanischen Kyalami. Er fuhr einen Toleman-Wagen, mit dem er sich im zweiten Formel-1-Rennen seiner Karriere plazieren konnte. Danach kam er mit Krämpfen im Rücken und den Schultern ins medizinische Zentrum. Er führte sich derart auf, dass ich ihm mit einigen scharfen Worten erklärte, dass er nicht lebensgefährlich verletzt sei und dass seine Probleme das Resultat seiner körperlichen Verfassung und seiner fehlenden Fitness seien. Er begriff und beherrschte sich wieder, was man später nicht immer von ihm behaupten konnte.

Nach seiner Saison mit Toleman 1984 bekam er ein Angebot von Lotus. Zur gleichen Zeit entwickelte er Bells Gesichtslähmung - wahrscheinlich das Resultat eines Virus. Die eine Seite seines Gesichts war komplett gelähmt, er konnte das Auge nicht schließen und sein Mund hing auf der einen Seite herunter. Er und sein Team (Lotus) waren auf das Heftigste besorgt und fürchteten um die Fortsetzung seiner Karriere. Er kam in mein Londoner Krankenhaus, wo ich ihm Steroide verschrieb, um die Schwellung der Nerven zu vermindern. Er begann die Behandlung, kehrte nach Brasilien zurück, wo man ihm riet, die Medikamente wieder abzusetzen. Sein Zustand verschlimmerte sich weiter. Er rief mich an, und nahm die Tabletten weiter.

Er kam wenig später nach London in meine Sprechstunde. Das Wartezimmer war voll. Senna nahm Platz und wartete wie die anderen Patienten. Meine Sprechstundenhilfe Lynne Hencher rief die nächste Patientin, Mrs. Patel, eine ältere gelähmte Dame, hinein. Als ihr Name im Wartezimmer ausgerufen wurde, stand Senna auf und fragte Mrs. Patel, ob er ihr helfen könne. Er schob also Mrs. Patel in mein Sprechzimmer, sagte "guten Morgen, Professor" und verschwand wieder.

Einige Jahre später war er in Loretto, Jim Clarks ehemaliger Schule. Matthew, mein älterer Stiefsohn hatte ihn gebeten zu kommen. Er redete 40 Minuten zu den Schülem und antwortete danach auf alle Fragen, auch zu sensiblen Themen, wie seine Religiosität, seine Liebe zum Motorsport, die Beziehungen zu anderen Fahrern, vor allen Dingen zu Alain Prost und Nigel Mansell. Auch seine Hoffnungen für die Zukunft, seine Familie, Ehe, Kinder wurden dabei nicht ausgeklammert. Danach hatte er beim Empfang des stellvertretenden Direktors eine lange Unterhaltung mit dem Bischof von Truro, der am anderen Morgen den Gottesdienst lesen wollte. Danach nahm er noch am Abendessen teil, um anschließend wieder nach Portugal zu Testfahrten zu fliegen. Lehrer und Schüler waren von seinem Auftritt beeindruckt. Am Sonntag begann der Bischof den Gottesdienst mit dem Geständnis, dass er spirituell und verbal vom 'Prediger' Senna überholt worden war.

Ich habe viele Erinnerungen an seine Großzügigkeit. Zum Beispiel an seine finanzielle Unterstützung der Eingeborenenkinder am Amazonas, die er sofort zugesagt hatte, nachdem ich ihn darauf aufmerksam gemacht hatte. In der Tat wollten wir nach der Saison 1994 das Projekt besuchen.

Nun lehnte er mit seinem Kopf an meiner Schulter und mein Arm lag um seinen Körper. Ich mußte meine Gedanken einfach loswerden: "Ayrton, warum verzichtest Du nicht auf das Rennen morgen? Warum hörst Du nicht ganz auf? Was mußt Du beweisen? Du warst Weltmeister, Du bist der schnellste Fahrer. Hör auf, geh' angeln." Er sagte nichts. Ich fuhr fort. "Ich glaube nicht, dass es das Risiko wert ist. Hör auf!!" Er sah mir in die Augen und sagte ganz ruhig: "Sid, es gibt ganz bestimmte Dinge, über die wir keine Kontrolle haben. Ich kann nicht aufhören. Ich muß weitermachen." Das waren die letzten Worte, die er mit mir gewechselt hat.

Vor dem Rennen standen die üblichen Kontrollfahrten an. Gegen ein Uhr fuhr ich über die Strecke: Die Rettungsteams, die Krankenwagen waren auf ihren Plätzen, die Ärzte und das medizinische Zentrum einsatzbereit. Es war ein herrlicher Tag. Roland Bruynseraede überprüfte die Piste, alles war bestens vorbereitet.

Die Rennwagen gingen in die Aufwärmrunde. Senna hatte die Pole Position. Mario Casoni in meinem Wagen war einsatzbereit, wie auch Dr. Baccarini, der seine Infusionen, die Halskrause und die für Wiederbelebungen notwendigen Dinge griffbereit neben sich hatte . Dr. Domenico Salcito, der stellvertretende Chef der Medizinertruppe in Imola, saß neben ihm. Es herrschte Funkstille. Die Boliden passierten uns. Die Feuerwehrwagen standen schräg hinter uns. Die Wagen nahmen ihre Positionen auf der Startaufstellung ein. Dann die grünen Fahne, die Ampel wechselt für vier bis sieben Sekunden auf Rot, dann grün. Plötzlich überall gelbe Flaggen. Beim Start war Pedro Lamy mit seinem Lotus in das Heck des Benetton von J. J. Lehto geknallt.

Casoni raste durch die Wrackteile den anderen Rennwagen hinterher. Die Piloten der zerstörten Wagen machten einen unverletzten Eindruck, daher verfolgten wird die anderen Wagen. Allerdings waren wir überzeugt, dass das Rennen abgebrochen und wieder neu gestartet werden würde. Doch als wir durch Tosa, Aque Minerali und Rivazza fuhren, wurde uns klar, dass man nicht an einen Abbruch dachte. Wir beendeten unsere Runde ohne besondere Vorkommnisse und nahmen unsere Position am Rande der Strecke ein, als die führenden Wagen ihre zweite Runde absolvierten. Um die Teile an Start und Ziel aufsammeln zu können, wurde das Feld hinter einem Pace Car versammelt. Erst später erfuhr ich, dass Räder ins Publikum geflogen waren und neun Zuschauer verletzt hatten. Nach ungefähr fünf Runden war die Piste abgeräumt.

Der Pace Car verschwand, das Rennen konnte wieder von neuem beginnen. Senna lag vorne, gefolgt von Schumacher. Wie Blitze schossen sie an uns vorbei. Meine Vorahnung war wieder da. Ich drehte mich zu Casoni. "In den nächsten Minuten wird es hier ein ganz beschissenes Unglück geben." Der Rest des Feldes verschwand am Ende der Geraden in die Tamburel-
lokurve.

Im nächsten Moment wurden schon wieder rote Fahnen geschwänkt. Casoni gab Gas, und als wir uns Tamburello näherten, wußte ich irgendwie, daß Senna verunglückt war. Er saß ohnmächtig in seinem Williams. Der Arzt aus dem ersten Eingreifteam war bei ihm, hielt seinen behelmten Kopf. Zum dritten Mal an diesem verdammten Wochenende wurde wieder der Kinnriemen durchgeschnitten, der Helm abgenommen. Wir stützten Sennas Rücken und nahmen den Helm ab. Seine Augen waren geschlossen. Er lag in tiefer Ohnmacht. Ich stellte den Atemweg sicher. Er sah heiter aus! Ich hob seine Augenlider hoch. Seine Pupillen ließen auf eine schwerwiegende Hirnverletzung schließen. Wir hoben ihn aus dem Wagen und als wir ihn auf den Asphalt legten, seufzte er. Ich bin ungläubig, doch in diesem Moment hatte ich das Gefühl, als hätte ihn seine Seele verlassen.

Weitere Unterstützung traf an der Unfallstelle ein. Dr. Pezzi intubierte Senna, der außerdem noch einige Infusionen bekam. Ich konnte zwar seinen Puls fühlen, doch ich wußte, daß er diese Verletzung nicht überleben würde. Wir riefen den Hubschrauber. Dr. Giovanni Gordini, der Anästhesist der Intensivstation im Maggiore-Hospital, kam und begleitete Senna im Hubschrauber.

Meine Begleitung hätte keinen Sinn gemacht. Ich konnte nichts mehr tun. Ich nahm Sennas Helm - seine und meine Handschuhe waren verschwunden -, um ihn im medizinischen Zentrum abzugeben. Dr. Servadei verständigte die Klinik Maggiore per Telefon über Sennas Verletzungen. Ich vervollständigte meine Ausrüstung, erfuhr vom bevorstehenden Neustart und ging zurück zum Wagen.

Der Neustart verlief ohne weitere Ereignisse, doch die folgenden zwei Stunden waren furchtbar. Als wir durch Tamburello fuhren, war die Piste mit weißem, ölaufsaugendem Puder eingefärbt. An dieser Stelle hatte ich einen guten und teuren Freund verloren. Das Rennen wurde wieder von einem Unfall überschattet. Alboreto hatte ein Rad seines Minardi verloren, das einige Mechaniker verletzte. Nach dem Rennen fuhr mich Casoni zum medizinischen Zentrum. Dort mußte ich erst einmal Peter Collins von Lotus beruhigen, der sich Sorgen um seine Mechaniker machte. Danach zog ich mich um, ließ alles stehen und liegen und flog mit Dr. Servadei ins Krankenhaus Maggiore. Ich hatte zuvor noch nach Sennas Helm gefragt, doch der war von der italienischen Polizei beschlagnahmt worden. Noch heute befindet er sich im Besitz der Carabinieri.

Im Hospital war alles für Senna getan worden. Doch die Untersuchungen und Röntgenaufnahmen hatten das Ausmaß der Verletzungen deutlich gemacht. Es gab keine Hoffnung. Sennas Bruder Leonardo und Manager Julian Jakobi warteten nervös auf die Diagnose. Dr. Servadei, Dr. Gordini und ich erklärten ihnen die hoffnungslose Situation. Gerhard Berger und Pedro Lamy tauchten auf - und Sennas Freund und Vertrauter Antonio Braga. Trotz aller Anstrengungen machten die Anzeigen für Blutdruck, Atmung und Herzschlag deutlich, dass Sennas Ende nahe war. Ich sprach mit Sennas Schwager und der Familie in Brasilien, die schon fast auf dem Weg nach Bologna waren. Sie akzeptierten die traurige Wahrheit und blieben - meinem Ratschlag folgend - in Brasilien. Ich konnte hier nichts mehr tun und fuhr ins Hotel. Im Fernsehen wiederholten sie immer wieder den Alptraum. Die Formel 1 hatte einen Wendepunkt erreicht.

Beitrag Montag, 19. März 2007

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Vielen Dank für den Bericht! Sehr interessant, Sid Watkins beschreibt die Situationen ja sehr genau, finde ich sehr interessant. Ich bin schon allerweil am Überlegen, ob ich mir das Buch nicht doch noch zulege...

Beitrag Montag, 19. März 2007

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Alfalfa hat geschrieben:
Nun lehnte er mit seinem Kopf an meiner Schulter und mein Arm lag um seinen Körper. Ich mußte meine Gedanken einfach loswerden: "Ayrton, warum verzichtest Du nicht auf das Rennen morgen? Warum hörst Du nicht ganz auf? Was mußt Du beweisen? Du warst Weltmeister, Du bist der schnellste Fahrer. Hör auf, geh' angeln." Er sagte nichts. Ich fuhr fort. "Ich glaube nicht, dass es das Risiko wert ist. Hör auf!!" Er sah mir in die Augen und sagte ganz ruhig: "Sid, es gibt ganz bestimmte Dinge, über die wir keine Kontrolle haben. Ich kann nicht aufhören. Ich muß weitermachen." Das waren die letzten Worte, die er mit mir gewechselt hat.

Ich kenne noch einen weiteren Bericht von Watkins - im großen und ganzen identisch - aber da schildert er diese Passage nach etwas umfangreicher - offenbar weil sie im retrospektiv sehr wichtig erschien. Watkins wollte nämlich am Sonntag noch mal mit Senna reden - ihn etwas schärfer auffordern das Rennen bleiben zu lassen, weil er ihn nicht in der Verfassung hielt ein Rennen zu bestreiten. Er ist sich zwar relativ sicher dass er Sennas Meinung (nämlich doch zu starten) nicht hätte ändern können - andererseits war er einer der wenigen, vor denen Senna wirklichen Respekt hatte. Letztlich lies er es bleiben (und verzichtete damit auch auf ein letztes Gespräch am Rennsonntag - wie er es eigentlich immer mit Senna zu führen pflegte). Das scheint ihn doch sehr lange verfolgt zu haben.

MichaelZ hat geschrieben:
Vielen Dank für den Bericht! Sehr interessant, Sid Watkins beschreibt die Situationen ja sehr genau, finde ich sehr interessant. Ich bin schon allerweil am Überlegen, ob ich mir das Buch nicht doch noch zulege...

@Michael; zu dem Buch: ja, ich kann es eigentlich nur empfehlen - es sei denn Du bist Fan von Nigel Mansell - den hält er offenbar für einen 'Untermenschen' und zieht ihn kräftig durch den Kakao...

Beitrag Montag, 19. März 2007

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techer87 hat geschrieben:
Beweis ist die Siegerehrung wo man Schumi das ein oder andere mal herzhaft lachen sieht, was von vielen Seiten aus(auch von mir) sehr krisiert wird. Das Schumi da den Nerv hat sich zu freuen wie ein Honigkuchenpferd, zeigt für mich kein Charakter. aber auch in diesem Punkt spalten sich die Meinungen.

hier der Link http://youtube.com/watch?v=47ccbOpItCg

Ich hätte auch mal ein paar Fragen zu dem Punkt (jetzt nicht speziell Schumacher betreffend), sondern Sennas Beerdigung, der ja Schumacher aus recht fadenscheinigen Gründen fernblieb. Aber mir geht es mehr um einen anderen prominenten 'Abwesenden'...

Nachdem ich inzwischen das Galisteu-Buch gelesen habe, das leider sehr schlecht übersetzt ist, werde ich aus der Passage, in der sie über Nelson Piquet redet, nicht ganz schlau. Daher meine Frage(n):

Ich weiss das Senna und Piquet ein schlechtes Verhältnis hatten (man kann auch sagen sie hatten gar keines). Senna nannte Piquet ja nicht umsonst das 'Individuum'.

War Piquet auf der Beerdigung Sennas? Und wenn nicht (so lese ich es jedenfalls aus dem Buch) - war es der Wunsch von Sennas Familie dass er fern blieb?

Beitrag Dienstag, 20. März 2007

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Alfalfa hat geschrieben:
Während des Treffens gab es Diskussionen über bestimmte Dinge, die hier nicht wiedergegeben werden dürfen. Ayrton hielt sich hervorragend - ganz der Herr, den ich seit Jahren kannte, den ich bewundert, respektiert, ja, den ich geliebt hatte.


was könnte damit gemeint sein?

zur beerdigung: war nicht auch ecclestone von der familie ausgeladen?
"When you're racing, it's life. Anything that happens before or after is just waiting."

Michael Delaney (Steve McQueen), Le Mans

Beitrag Dienstag, 20. März 2007

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Ja, ich glaube mich auch düster zu erinnern. Dabei war gerade Bernie Ecclestone einer derjenigen, die wirklich viel für die Sicherheit der F1 getan haben. Bernie Vorwürfe an dem Tod Sennas zu machen halte ich für hirm- und geschmacklos.

Entschuldigung wenn ich das jetzt so hart sagen muss (und ich hoffe ich trete keinem Senna-Fan damit auf die Füße), aber Sennas Familie (besonders sein Vater Milton und seine Schwester Viviane) müssen schon ein GANZ MERKWÜRDIGER HAUFEN gewesen sein. Besonders die Schilderung seiner Freundin nach dem Tod Sennas, auch wenn das sicher eine Extrem-Situation war, werfen kein gutes Licht. Adriane Galisteu hat sich später noch ein letztes Mal mit Sennas Mutter getroffen, bei der man sich dann 'sauber' getrennt hat, der Rest der Familie lies sich NIE mehr blicken und über Wochen verleugnen. Man zeigte dem Mädchen die kalte Schulter. Ich frage mich echt was das soll...

@Benway; das mit den Dingen, die Watkins nicht wiedergeben darf, habe ich mich auch schon gefragt. Ich weiss dass es Anstalten gab, die GPDA wieder zu beleben - aber das kann's nicht gewesen sein, denn das erwähnt Watkins in seinem Buch.

Beitrag Dienstag, 20. März 2007

Beiträge: 8060
Benway hat geschrieben:
zur beerdigung: war nicht auch ecclestone von der familie ausgeladen?

Ja, Karin Sturm schreibt das im Senna Buch, hab's gerade noch mal nachgelesen. Und zwar schreibt sie dass in keinem feinen Stil (er soll seelenruhig auf einem Apfel herumgekaut haben, während er Leonardo Senna die Todesnachricht gebracht hat) - das ist plumpe Stimmungsmache gegen Ecclestone, sonst nichts. Ich frage mich was der Verzehr eines Apfels mit dem Überbringen einer Todesbotschaft zu tun hat. Apfel essen soll ja sogar recht gesund sein...

Beitrag Dienstag, 20. März 2007

Beiträge: 1862
wimre gings auch darum, dass bernie - nach ansicht von sennas familie - zu lange gewartet hatte, bis er ihr seinen tod mitteilte. war schon alles sehr seltsam damals. :?
"When you're racing, it's life. Anything that happens before or after is just waiting."

Michael Delaney (Steve McQueen), Le Mans

Beitrag Dienstag, 20. März 2007

Beiträge: 86
Also allmählich platzt mir echt der Kragen! Seit es diesen Thread gibt versuch ich ihn nicht zu beachten aber ein Bekannter konnte es nicht lassen und hat mir von dem Inhalt erzählt!

Alfalfa hat geschrieben:
Ich frage mich was der Verzehr eines Apfels mit dem Überbringen einer Todesbotschaft zu tun hat. Apfel essen soll ja sogar recht gesund sein...


@Alfalfa, was hast du denn grundsätzlich für eine Gesinnung? Was ist wenn einer aus deiner direkten Familie ums leben kommt (Gott bewahre) und einer von ihren/seinen Bekannten mit einem Apfel im Maul vor deiner Tür steht und dir die Nachricht kauend übermittelt! Unwürdiger geht es nicht! Aber wahrscheinlich bist du aus einem Weisenhaus oder ähnliches, weil einige deiner Bemerkungen sind äußerst seltsam und tendieren schon in Richtung unsozial. Ich habe jetzt aber leider keine Zeit alles loszuwerden aber ihr werdet baldmöglichst meinen Beitrag zu lesen kriegen. Eines vorweg: diese Galisteu ist eines der abgezocktesten und widerlichsten Frauen der Welt.
Nur wer sein Leben wagt, kann es auch bewusst leben!

Beitrag Dienstag, 20. März 2007

Beiträge: 45834
Aber wahrscheinlich bist du aus einem Weisenhaus oder ähnliches, weil einige deiner Bemerkungen sind äußerst seltsam und tendieren schon in Richtung unsozial.


Du fällst mir schon seit längerer zeit negativ auf, aber bitte lass solche Äußerungen, denn sowas könnte (und ich hoffe) eine Vermahnung mit sich bringen. Man kann gern andere Meinungen vertreten, aber ich bitte, diese in einem besseren Stil uns mitzuteilen und nicht auf solche Weise. Ich finde die Diskussion sehr gut, wenn du anderer meinung bist, wollen wir das natürlich gerne wissen, aber bitte in einem angemessenen Ton! Danke!

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