Seine spindeldürre Gestalt mit dem riesigen Cowboyhut auf dem Kopf wurde auf den Rennplätzen legendär. Von 1972 bis 1979 sah man Arturo Merzario, der 1943 als Sohn eines Baumeisters in Como geboren wurde, bei den Formel-1-Rennen - 57 waren es insgesamt.
In den späten 60ern wurde er durch gute Auftritte in der GT-Meisterschaft, bzw. bei europäischen Bergrennen bekannt. 1969 machte diese Jockey-Figur in Mugello auf sich aufmerksam, als er in einem 2-Liter-Werks-Abarth Berühmtheiten wie Nino Vaccarella und Andrea de Adamich nach einem herrlichen Kampf besiegte. Enzo Ferrari bot ihm sofort für 1970 einen Sportwagen-Vertrag an - der monströse 512S war sein Fahrzeug. Er fuhr Rennen in Daytona (3. mit Andretti), Sebring (Ausfall mit Andretti), Brands Hatch (5. mit Amon), Monza (4. mit Amon), Spa-1000-km (7. mit Schetty) , NBürburgring (Ausfall mit Giunti) und LeMans, wo er den Wagen nach einigen Kurven verschrottet. Kein vielversprechender Start mit Ferrari!
1972 strebte er dem Höhepunkt seiner Karriere zu. Zusammen mit Sandro Munari gewann er auf einem Ferrarl 312BP die Targa Florio, das abenteuerliche Straßenrennen in Sizilien. In der letzten Runde mußte sich ein völlig erschöpfter Merzario gegen den rasend schnell aufholenden Alfa Romeo von Helmut Marko wehren. Als Start- und Zielzeit verglichen wurden, hatte Merzario mit 16,9 Sekunden Vorsprung gewonnen. Mit Brian Redman gewann er das 1000-km-Rennen in Spa, wurde Zweiter im 1000-km-Rennen auf dem Nürburgring und Dritter in den 6 Stunden von Watkins Glen.
In der Formel 1 gab es nach einem sechsten Platz im britischen Grand Prix von Brands Hatch viel Applaus. Platz zwölf auf dem Nürburgring war eher eine Enttäuschung. Merzarlo war ein vielbeschäftigter Profi. Zwischendurch fuhr er für Carlo Abarth, mit drei Siegen gewann er die Europameisterschaft der 2-Liter-Sportwagen für den PS-Zauberer aus Turin.
1973 erlebte Ferrari in der Formel 1 ein Desaster. Während Jacky Ickx resignierte, versuchte der Italiener mit seinem großen Kämpferherz das Lahmen der roten Rennwagen zu kompensieren. Je ein vierter Platz in Interlagos und Kyalami, je ein siebter Platz in Paul Ricard und am Österreichring waren eine trostlose Bilanz. Ferrari war auf dem Tiefpunkt. Merzario musste gehen.
Frank Williams, der neue Goldgräber in der Formel 1, engagierte ihn für die nächsten beiden Jahre, doch das war die abenteuerliche Anfangszeit von Williams. Man hatte kein Geld, wenig Know-How, es wurde gebastelt und entsprechend selten sahen die Autos eine Zielflagge. Heißsporn Merzario brachte Williams gleich beim Testen auf die Palme, als er zwei Cosworth-Motoren in die Luft jagte. Der Spion im Drehzahlmesser zeigte in beiden Fällen 13.000 Touren an, was bei normaler Beschleunigung vom Drehzahlbegrenzer verhindert wird. Aber Merzario, der vorher bei Ferrari gefahren war, war es gewohnt alles aus dem 12-Zylinder herauszukitzeln, indem er zum Beschleunigen erstmal runterschaltete. Damit geriet er zwangsläufig in den Leerlauf des nichtsynchronisierten Getriebes, wobei es den heillos überforderten Cosworth auseinander riss. Williams - damals permanent knapp bei Kasse - soll getobt haben und wollte Merzario gleich wieder los werden. Aber der war eben nicht nur ein ganz passabler Pilot - er brachte auch immer gute Sponsoren mit. Das Debüt versöhnte dann Williams wieder - Merzario wurde beim (nicht zur WM zählenden) Rennen in Brasilia Dritter. 1974 fuhr Arturo in Kyalami einen sechsten Rang heraus, nachdem er im Training einen fantastischen 3. Platz erreicht hatte - aber leider den Start verschlief. Beim nächsten Rennen wäre es fast zu einer Katastrophe gekommen, als Merzario während des Rennens in eine abgesperrte Zone raste, in der Fotografen standen. Es grenzte fast an ein wunder dass niemand ernstlich verletzt wurde! In Monza wurde er Vierter. Er war mit Feuer und Flamme bei der Sache, doch nie hätte er geglaubt, daß er in Monza die letzten WM-Punkte seiner Formel-1-Karriere einfahren würde.
War 1974 schon kein Honigschlecken, so wurde 1975 die totale Katastrophe. Er fuhr sechs Rennen für Williams, es gab fünf Ausfälle und eine Nichtquallfikation in Monaco. Nach dem Belgien-Grand-Prix verließ er Williams, um sich in den Alfa Romeo T33 Werkswagen auf Sportwagenrennen zu konzentrieren. Und hier lief es für den Cowboyhut wie geschmiert: Sieg in Dijon, Monza, Enna und auf dem Nürburgring. Ach ja, ein F1-Rennen fuhr er in dieser Saison doch nur; für Wilson Fittpialdis Copersucar Rennstall in Monza.
1976 kaufte er sich bei March ein. March Racing bestand aus zwei Teams, in denen sich eine riesige Rivalität aufbaute. Brambilla, Peterson, Stuck und Merzario saßen im Cockpit, March war ein desorganisiertes Team. Rang neun in Paul Ricard war das beste Resultat für Merzario. Nach einer ausgezeichneten Vorstellung in Silverstone (lag beim Ausfall auf Rang 4), verließ er das Team und fuhr fortan für Walter Wolf, der sich vom unfähigen Jacky Ickx getrennt hatte. In sieben Rennen für Wolf Racing kam er kein einziges Mal ins Ziel. Berühmt wurde Merzarlo in diesem Jahr aber doch weit über die F1 hinaus, nämlich für seine Heldentat auf dem Nürburgring, als er zusammen mit Guy Edwards Niki Lauda aus dem brennenden Ferrari rettete. Noch heute erinnert sich Merzario: "Nikis Hilfeschreie aus dem Feuer waren entsetzlich..." Wenig Verständis hatte er indessen für Laudas Verhalten nach dessen Genesung, von dem er nicht mal einen Dank bekam. Merzario hat ihm das stets nachgetragen. Lauda bedankte sich zwar Jahre später mit einer goldenen Uhr - aber das Verhältnis zwischen Lauda & Merzario war immer gestört.
Was nun folgt, ist heute nicht mehr vorstellbar - macht aber Merzario in den Augen viele alten F1-Fans zu einer Legende. Denn wider besseren Wissens fuhr der alte Knabe immer und immer wieder weiter - teilweise mit abenteurlichen Eifenkonstruktionen, die heute bereits vom Veranstalter vor der Rennstrecke abgefangen werden würden.
Als er 1977 ein eigenes Team gründete, um mit einem March 761B-Cosworth anzutreten, war das ja noch vertretbar (+ einen Aushilfseinsatz bei Shadow, 1977 am Österreichring). Als er aber in den Jahren 1978/79 mit Eigenkonstruktionen auftauchte, begann für den ehemaligen Ferrari-Werkspiloten ein tiefer Abstieg. Seinen ersten Wagen, der A1 - eine Piola-Kontstruktion - stelle er Ende 1977 der Presse vor - offenbar hatte er hier viel Material seiner March 751 'verwurstet'. Der Wagen wirkte klobig, hatte aber den kürzesten Radstand alles damaligen F1-Autos. Da Merario nicht nur spindeldürr, sondern auch sehr klein geraten war, wirkte sein Auto um so größer und gewaltiger. Manchmal musste man schon sehr genau hinschauen, um ihn überhaupt ium Cockpit zu entdecken. Eingesetzt wurde das Auto aber erst 1978. Er qualifizierte sich 8x bei 16 Versuchen, kam aber niemals in Ziel.
Der zweite Wagen wurde etwas aufgearbeitet für die ersten 4 Rennen 1979, aber auch hier 2 Qualifikationen in 4 Rennen - keine Zielankunft
Dann kam der A2 - der Versucht von Merzario & seinem Konstrukteur Simon Hadfield - ein Flügelauto zu bauen. Aber das Auto lief nicht. Merzario konnte ihn zweimal, Brancatelli, sein #2 Pilot (unglaublich, so etwas konnte er sich auch noch leisten - aber eben nur, weil er sich bei einem Unfall den Arm gebrochen hatte) einmal nicht.
Mitte der Saison stellte man die missratene Gurke zur Seite und griff auf einen für Willy Kauhsen entwickelten, ebenfalls desolaten, Wing-Car zurück, den nicht einmal Glampaolo Dallara konkurrenzfähiger machen konnte.
Doch das Mass war offenbar immer noch nicht voll! Als er 1979 seine Formel-1-Karriere beendete, war er nahezu bankrott. Aber einen Merzario konnte das natürlich nicht vom Rennbetrieb abhalten; wenn es denn nicht mehr für die F1 reicht, dann eben eine Klasse tiefer. Sein Merzario M1-BMW war allerdings ebenso wenig Erfolg beschieden. Merzario meldet für neun Rennen, startete in dreien und wurde Neunter in Thruxton. Dacco und Necchi, seine beiden anderen Piloten, brachten es zu acht Aufgaben und zwei Zieleinläufen. Den vor der Saison versprochenen M1-Cosworth für die Formel 1 hat es nie gegeben.
Der M2 war dann eine Variation des M1 für 1981, die Merzario gelegentlich fuhr, angeblich um durch die Präsenz den Anspruch auf Startgeld aufrecht zu erhalten. Marco Brand fuhr ihn zweimal. Mittlerweile hatte Merzario aber wieder auf einen gekauften March 812 zurückgegriffen.
1982 setzte er weiter Marchs ein - und zwar den 822, einige davon überarbeitete er - natürlich wie immer nicht zu ihren Vorteil! 1983 kam dann schon wieder ein neuer Merzario, diesmal M28 genannt, der Entwurf stammte von Ernesto Degan. Technische Probleme ließen den Wagen aber wieder sehr unzuverlässig agieren, dewegen verließen gleich zwei Fahrer unter der Saison das Team. Degan machte sich noch einmal an die Arbeit und verbesserte den Wagen so weit, dass Dallest in Misano einen siebten Platz erreichen konnte, sowie später zwei achte Plätze.
Davon ermutigt baute Merzario schnell auch mal einen F3, genannt 283, offenbar ein Derivat des M28 - der gute Merzario konnte es einfach nicht lassen sich zu verzetteln.
Das winzige Hoch war 1984 dahin - und jetzt gab es endgültig die Abschiedvorstellung. Degan behauptete zwar es sei ein neuer Wagen, tätsächlich war der M84 aber ein leidlich umgebauter M28. Der Wagen lief ganz leidlich und war (oh Wunder) für Merzario Verhältnisse geradezu unzerstörbar zuverlässig (50% Zielankündte). Aber er bedeutete trotzdem das Ende des Namens Merzario als Konstrukteur.
In den 90er Jahren sah man ihn wieder an den Rennstrecken - und zwar beim Maserati-Bi-turbo Cup, wo er in Imola sogar ein Rennen gewann. Auch im Porsche-Supercup nahm er teil. Er kann's eben einfach nicht lassen!
Zurück bleibt die Erinnerung an einen Rennfahrer, dessen Leidenschaft und Draufgängertum der Logik keinen Platz ließen.
So, das war erst mal die kurze Zusammenfassung. Bilder und genauere Daten zu seinen Rennjahren folgen später.