José-María Lopez scheint kurz vor dem Vertragsabschluss mit USF1 zu stehen. Dann würde es erstmals seit Gaston Mazzacane wieder einen argentinischen F1-Fahrer geben. Kaum zu glauben, was aus der argentinischen Rennfahrer-Generation geworden ist. Vor Jahren zählten die Argentinier zu den besten Rennfahrer der Welt, Juan Manuel Fangio war bis vor wenigen Jahren der erfolgreichste F1-Fahrer aller Zeiten. Dann kam Michael Schumacher. Fangio war keine Ausnahme: José Froilán Gonzales holte in der F1-WM den ersten GP-Sieg für die Scuderia Ferrari und wurde auch Vizemeister. Auch Carlos Reutemann holte sich noch in den 80er Jahren einen Vizetitel.
Argentinien war damals eine so starke Motorsport-Nation, dass die F1-Fahrer im Winter auch gerne nach Argentinien kamen und dort F1-Rennen fuhren. Die Temporadas-Rennen auf F2-Niveau waren gut besucht. Argentinien hatte sogar eine eigene F1-Meisterschaft.
Lopez nicht auf der Rechnung: Heute sieht das Ganze schon ganz anderes aus: Den letzten GP von Argentinien gab es 1998, den letzten argentinischen F1-Fahrer 2001. Auch mit José-María Lopez hat eigentlich keiner mehr gerechnet. Lopez fuhr in den letzten Jahren in der argentinischen Tourenwagenmeisterschaft – auf die Tourenwagen schauen die F1-Teamchefs nicht. Aber aufs Geld. Und davon soll Lopez 8 Millionen ins USF1-Team pumpen.
Mit einem Rennwagen aus der südamerikanischen Formel-3 hat er nach 3 Jahren im Dezember wieder Erfahrungen in einem Formel-Rennwagen gesammelt. Zuletzt fuhr er 2006 in der GP2, der 2. Liga der Formel-1. Damals war Lopez auch Testfahrer von Renault, konnte sich aber nicht für ein Stammcockpit empfehlen. Auch bei Minardi baute sich auf einen Test nicht’s Konkretes auf. Weil er schon seit 2004 in der 2. Liga fuhr, sah er keinen anderen Weg mehr, als hinter der Formel-1 einen Haken zu setzen und nach Argentinien zu wandern. Mit der neuen Chance bei USF1 hatte Lopez wohl selbst nicht gerechnet.
Durch die Jahre in der GP2 und der Vorgängerserie Formel-3000 International hat José-María Lopez auch so viele Rennen in der Serie gefahren, wie kein Argentinier vor ihm, mit eingerechnet die Läufe der F2-EM, der F3000 International und der GP2 (also von 1967 bis 2009). Die Liste der meisten Starts von Argentiniern in dieser Serie:
1. José-María Lopez (53) für Coloni, DAMS, Super Nova
2. Miguel Angel Guerra (30) für Everest, Minardi
3. Gaston Mazzacane (29) für Auto Sport, Astromega, GP Racing
4. Carlos Reutemann (28) für Argentinien, Rondel
5. Ricardo Zunino (26) für Euroracing, March
6. Juan Cruz Alvarez (23) für Campos
7. Carlos Ruesch (17) für Argentinien, Surtees
8. Norberto Fontana (14) für Fortec, Prost
9. Ariel Bakst (13) für Micheri Nestov, Mader, Sanremo
10. Juan Traverso (11) für March
Siegreich war in der Serie bisher kein Argentinier. Aber auch bei den gesammelten Punkten hat Lopez die Nase vorne:
1. José-María Lopez (94)
2. Carlos Reutemann (69)
3. Esteban Guerreri (28)
4. Miguel Angel Guerra (18)
5. Carlos Ruesch (14)
6. Ricardo Zunino (8)
7. Juan Cruz Alvarez (4,5)
8. Norberto Fontana (4)
9. Juan Traverso (3)
10. Enrique Mansilla (2)
Die Topstars aus Argentinien: Der absolute Top-Fahrer aus Argentinien war freilich Juan Manuel Fangio. Seine Dominanz in der Formel-1 war damals einmalig: Bereits seinen ersten Grand Prix in San Remo 1949 auf einem Maserati gewann er. Als 1950 die WM eingeführt wurde, unterlag er seinem Alfa-Romeo-Markenteamkollegen Giuseppe Farina nur deshalb, weil Farina mehr Glück mit der Technik hatte. In Italien war er zunächst nicht beliebt, ein Argentinier im italienischen Team – das war unvorstellbar. Aber durch den Titelgewinn 1951 eroberte er sich Sympathien. Ein schwerer Unfall machte einen Start zur Meisterschaft 1952 unmöglich. Erst 1954 fand er zur alten Form zurück und holte sich den nächsten Titel, mit unterschiedlichen Teams. Denn das Mercedes-Werksteam ließ sich mit dem Comeback noch mehr Zeit als geplant, also absolvierte Fangio die ersten Saisonrennen für Maserati. In den folgenden Jahren holte er drei weitere Titel in Folge. Sowohl seine 5 WM-Titel, als auch seine 4 Titel in Folge von 1954 bis ’57 blieben über Jahre unerreicht. Erst Michael Schumacher überbot Fangio 2003 in der Anzahl der Titel und 2004 in der Anzahl der Titel in Folge. Unerreicht bleibt aber bis heute die Siegquote von Fangio: In 51 WM-Rennen siegte er 24 Mal, das entspricht einer Quote von 47,059%! Sein Neffe Juan Manuel Fangio II schaffte es bis in die Formel-3000. 1984 testete er für Osella in der Formel-1, ein Stammcockpit bekam er aber nicht.
Im Schatten von Fangio reifte mit José Froilán Gonzalez der nächste Starfahrer aus Argentinien heran. Sein Vater hatte gute Kontakte zu Chevrolet, während sein Onkel Julio Perez jahrelang bei Langstreckenrennen Erfolge feierte. Gonzalez fuhr bereits 1950 seine ersten WM-Rennen, im argentinischen Team, das den Namen Achille Varzi trug. Der Italiener gewann in den 30er Jahren zahlreiche GP-Rennen und fuhr in den 40er Jahren in Argentinien Rennen, verunglückte dabei aber tödlich. Sein Vater gründete daraufhin den eigenen Rennstall zum Andenken von Varzi. Mit dem Team blieben größere Erfolge aber aus, weil man ältere Maserati-Rennwagen einsetzte. Trotzdem wurde sein Talent erkannt: Die Scuderia Ferrari holte ihn 1951 ins Werksteam. Prompt war es Gonzalez, der beim Großbritannien GP den ersten Sieg bei einem F1-WM-Lauf für Ferrari an Land zog! Er wurde WM-3., 1954 sogar Vizemeister mit einem weiteren Sieg, wieder in Silverstone. Der ganz große Durchbruch blieb jedoch aus. Nach seinem Rücktritt blieb Gonzalez dem Rennsport treu. Sein letztes Projekt war die Förderung von Juan Cruz Alvarez. Gonzalez brachte seinen Landsmann bis in die GP2, wo er bei Campos jedoch enttäuschte. Danach ging er nach Argentinien zurück und ließ den Traum von der Formel-1 sausen.
Die Erfolge von Fangio und Gonzalez öffneten Tür und Angel für eine ganze Flut von argentinischen Fahrern. Die meisten von ihnen kamen aber nicht über ein paar wenige GP-Einsätze hinaus, von Erfolgen ganz abgesehen. Die erfolgreichsten von ihnen waren folgende vier Fahrer: Oscar Gálvez, der nur beim Argentinien GP 1953 für Maserati fuhr, dort aber 2 WM-Punkte an Land zog; Onofre Marimon, der in 11 WM-Läufen 8,143 Punkte sammelte, eine Schnellste Rennrunde fuhr und zweimal auf dem Podest stand mit Maserati; Carlos Mediteguy, der bei seinen 10 Rennen 9 Punkte holte und beim Argentinien GP 1957 im Maserati Dritter wurde; sowie Roberto Mieres, der immerhin 13 Punkte aus 17 Rennen mitnahm und eine Schnellste Rennrunde verbuchen konnte.
Nachdem gescheiterten Versuch von Nasif Estéfano, sich für den Italien GP 1962 zu qualifizieren war’s mit den Argentinien erstmal vorbei. Erst 10 Jahre später gab es wieder einen, der es in die Formel-1 schaffte – und das mit großen Erfolg: Carlos Reutemann. Er gewann von seinen 146 WM-Rennen deren 12, holte 310 Punkte und wurde 1981 Vizemeister. Allerdings nicht ohne Streitereien: Nach dem WM-Titel von 1980 war Alan Jones bei Williams eigentlich als Nummer eins gesetzt. Fahrerisch überzeugende Leistungen von Reutemann, aber auch Pech und Pannen bei Jones brachten Reutemann aber trotzdem in eine aussichtsreiche Position. Freilich wollte er nun selbst seine Fühler nach dem Titel ausstrecken, Jones protestierte. Es gab ein Zerwürfnis und am Ende verloren beide den Titel. Reutemann wurde immerhin noch Vizemeister. Nach seiner aktiven Karriere wurde er Politiker und ist mittlerweile einer der einflussreichsten argentinischen Politiker.
Kein Erfolg mehr nach Reutemann: Nach Carlos Reutemann versuchten sich nur noch 6 Argentinier in der Formel-1: Ricardo Zunino kam schon in die Formel-1, als Reutemann noch auf seinem Höhepunkt war: Gebracht hat’s nichts: Bei seinen 10 WM-Rennen von 1979 bis 1981 für Brabham und Tyrrell kam er nicht über Siebte Plätze hinaus. Guerra konnte sich bei 4 Versuchen mit Osella, sogar nur einmal qualifizieren. Im Rennen crashte er und zog sich Brüche am Handgelenk und Knöchel zu. Das F1-Aus für den Sieger einiger argentinischer F1-Rennen. Oscar Larrauri hatte mit dem EuroBrun Ford bei seinen Einsätzen 1988 und 1989 sicherlich nicht das beste F1-Auto, trotzdem ist seine Ausbeute mager: 7 Qualifikationen in 21 Versuchen, Platz 13 in Mexiko ’88 als bestes Resultat. Seine F1-Chance bekam er, weil er bei EuroBrun-Teamchef Walter Brun bereits jahrelang Sportwagen fuhr.
Nach Larrauri dauerte es lange, bis der nächste Argentinier kam. Und es hätte durchaus länger dauern sollen, denn Norberto Fontana wurde zu früh verheizt. Fontana war bei Sauber eigentlich nur Testfahrer. Aber als sich Gianni Morbidelli bei einem schweren Unfall verletzte, sprang Fontana als Ersatz für den Italiener ab dem Frankreich GP 1997 ein. Fontana war überfordert, nach 4 Rennen holte ihn Peter Sauber wieder aus dem Cockpit. Er ging zurück in die Formel-3000 und war 1999 bei Minardi als Fahrer im Gespräch, dank eines Geldkoffers von 5 Millionen Euro Wert. Als er den Platz aber nicht bekam, wechselte er 2000 in die amerikanische Formel-1, in die IndyCar zu Della Penna. Er wurde Gesamt-28. In der argentinischen Tourenwagenmeisterschaft polierte er zumindest im eigenen Land wieder sein Image auf.
Auch Esteban Tuero kam zu früh in die Formel-1. Erfolge in den unteren Formel-Klassen sicherten rasch das Interesse einiger F1-Teams. Benetton nahm ihn in das Nachwuchsprogramm auf, aber Minardi gab ihm bereits 1998 mit gerade mal 18 Jahren die Chance zum Debüt. Er wurde zum jüngsten Starter bei einem WM-Lauf. Am Ende der Saison verletzte er sich bei einem Unfall am Nacken. Das zwang ihn zu einer Pause. Seither fährt er in Argentinien Tourenwagen. Ebenfalls bei Minardi gab Gaston Mazzacane sein Debüt, 2 Jahre später. Bereits 1999 war er dort Testfahrer. Nach der erfolglosen Saison bei Minardi ging er 2001 zu Prost. Nach 4 Rennen wurde Mazzacane dort jedoch entlassen. Seine GP-Karriere war damit nach 21 Rennen beendet. 2002 sollte er für das Phoenix-Team zwar ein F1-Comeback geben, aber die Mannschaft tauchte bei keinem Rennen auf, also verschwand auch Mazzacane wieder. 2004 fuhr er in der IndyCar für Dale Coyne.
Bleibt noch die Frage, was in Zukunft kommt. In den europäischen Nachwuchsserien tummeln sich derzeit nur wenige Argentinier: Esteban Guerreri gewann 2009 für Ultimate und GU Racing insgesamt 2 Rennen der Formel-Superleague. Zumindest von der PS-Zahl her sind die dortigen Formel-Renner fast auf F1-Niveau. Bei den letzten beiden Rennen der Formel-World-Series-by-Renault fuhr Guerreri auch dort für RC. Vielleicht schafft er ebenfalls noch den Sprung in die Formel-1.