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Alberto Ascari

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Beitrag Freitag, 09. Dezember 2005

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©Karl Ludvigsen: Alberto Ascari

Nachdem ich Euch vor einigen Wochen Masten Gregory näher gebracht habe, möchte ich Euch heute einen Rennfahrer vorstellen, denn alle Yesterday-Fans wahrscheinlich kennen - Ferraris ersten (Doppel)-Weltmeister Alberto Ascari. Mein Portait soll aber nicht das übliche Aufzählen von Geburtsdaten, Erfolgen, Rennställen, u.s.w. sein - dafür sind sseine Daten zu bekannt und Ascaris Persönlichkeit zu interessant - denn hinter diesem dicklichen italienischen Familienvater steckt eine der interessantesten und komplexesten Persönlichkeiten der F1-Geschichte.

Wie der Vater, so der Sohn!

Die Karriere von Alberto Ascari ist untrennbar mit der seiner Vaters verbunden; Antonio Ascari war der größte Rennfahrer seiner Zeit gewesen, und Alberto hatte ihn oft zu den Rennen begleitet. Wenn er gesiegt hatte, setzte der Vater den Kleinen für die Pressefotos in den Fahrersitz seines Alfa Romeo. Begreiflicherweise erschütterte Antonios dramatischer Tod seinen siebenjährigen Sohn zutiefst. Kein Vater ist je von seinem Sohn mehr verehrt worden, und Alberto hatte nur den einen Wunsch; der Größe seines Vaters nachzueifern! Merkwürdigerweise ist er seine ganze Karriere von seinem väterlichen Freund Gigi Villoresi begleitet worden, der ihn durch sämtliche Teams folgte (Maserati, Ferrari, Lancia) und, wie sollte es anders sein, nach Albertos Tod das Rennfahren bald einstellte.

Albertos Familie widersetzte sich zunächst seinem Entschluß, Rennfahrer zu werden, aber er hatte nur wenig andere Interessen. Der Krieg hinderte ihn daran, seinen Wunschtraum sofort zu verwirklichen, und erst 1947, als er bereits 29 Jahre alt war, konnte er sich endlich dem Rennsport widmen. In seiner ersten Saison mit Maserati erwies er sich als hoffnungsvolles Talent. Ein Jahr später, 1948, verunglückte Achille Varzi, geheimnisumitterter Starpilot der Alfa-Romeo, tödlich, und Ascari wurde aufgefordert, die Lücke in dem Team zu füllen, für das einst schon sein Vater gefahren war.

Später ging er zu Ferrari, und als Ferrari-Fahrer gewann er zweimal die Weltmeisterschaft - beide Male mit einer geradezu spielerischen Überlegenheit, wenn auch gegen Ende der Saison 1953 Mängel in seinem Fahrstil deutlich wurden. Ascaris Erfolg wurde der ungeheuren Beherrschtheit zugeschrieben, mit der er fuhr. Seine kühle Präzision war legendär, er nahm die Kurven vorbildlich. Sobald er einmal die beste Methode, eine bestimmte Kurve zu meistern, errechnet hatte, konnte er Runde um Runde seine optimale Leistung wiederholen. Entgegen dem üblichen Brauch setzte sich Ascari gern unmittelbar nach dem Start an die Spitze und hielt diese Position während des ganzen Rennens.

Auf der Rennbahn verließ Ascari seine legendäre Kaltblütigkeit nur, wenn es ihm nicht gelang, sich gleich zu Anfang an die Spitze zu setzen; Paradebeispiel ist der GP von Italien 1953, den er entnervt mit einem Fehler beendete.

Bei einer Gelegenheit, es handelte sich um ein Formel-2-Rennen, musste er vom Start weg einem anderen die Führung überlassen, und es gelang ihm im Rudel nicht, vom zweiten Platz auf den ersten vorzurücken. Darüber war er so wütend, dass er aus dem Rennen ausschied und seinen Wagen einem Kollegen überließ. Nach einigen Runden verblüffte er die Beobachter dieser Szene ein zweites Mal, indem er ärgerlich darauf bestand, seinen Wagen zurückzubekommen.

Schwarze Katzen, blaue Hemden...

Und Ascari hatte eine weitere, geradezu krankhafte Ader, die später noch eine bedeutende Rolle spielen wird: seinen Aberglauben! Er bestand darauf, dass seine gesamte Rennausrüstung blau war. Er sagte alle seine Verpflichtungen auf der Stelle ab, wenn ihm auf der Fahrt zur Rennbahn eine schwarze Katze von rechts nach links über den Weg lief, und änderte seine Meinung nur, wenn er noch eine zweite Katze sah, die von links. kam. Seine ständigen abstrusen 'kabbalistischen' Berechnungen betrafen auch sein eigenes Todesdatum und führten dazu, daß er sich weigerte, an bestimmten Tagen, von denen mehrere eine Beziehung zum Todestag seines Vaters hatten, Rennen zu fahren. In manchen alltäglichen Situationen reagierte Ascari mit einer Angst, die in keinem Verhältnis zu den wirklich drohenden Gefahren stand. So überquerte er beispielsweise als Fußgänger keine Straße, ohne vorher wie ein kleiner Junge all das auszuführen, was man ihm bei der Verkehrserziehung eingedrillt hatte - ein bemerkenswerter Zug an einem Grand-Prix-Fahrer.

1952 nahm er den (wg. Unfall) abwesenden Fangio den Weltmeistertitel ab und konnte sich 1953 - wenn auch deutlich knapper - direkt gegen ihn durchsetzen. Ende des Jahres, auf dem Gipfel seines Ruhms, war er von Ferrari zum neuen GP-Team von Lancia übergewechselt. Die Veränderung wirkte sich nicht gut für ihn aus. 1954 gewann Fangio locker den Titel, Ascari plagten endlose technische Defekte. Er gewann während der ganzen Saison nicht einen Punkt und wechselte mehrfach das Team, weil der Lancia einfach nicht fertig werden wollte. In der Schweiz hockte er - kaum zu erkennen - auf einer Wiese zwischen den Zuschauern und sah zu wie sein Erzrivale Fangio schon wieder einen GP gewann. Ein merkwürdiges Bild!

1955 sollte alles besser werden - doch es wurde schlimmer. Nun machte Ascari selbst die Fehler! In Argentinien verschrottete er während einer Hitzeschlacht seinen Lancia.

Am 22. Mai 1955 lag er beim Grand Prix von Monaco 20 Runden vor dem Finish auf dem zweiten Platz. Beinahe eine ganze Runde vor ihm lag Stirling Moss, der mit Leichtigkeit führte, bis ihn ein Motorschaden zum Aufgeben zwang. Ascari versuchte den Vorsprung, der bereits nicht mehr existierte, aufzuholen, aber seine Bremsen versagten, und sein Wagen stürzte in das Hafenbecken von Monte Carlo und sank. Man hielt es für ein Wunder, dass er den Unfall überlebte, aber er kam mit einem leichten Schock, einigen blauen Flecken und einer verletzten Nase davon. Doch zu der Zeit wusste Ascari, dass er hoffnungslos hinter einem anscheinend unbesiegbaren Gegner zurückgefallen war.

Mysteriöses Ende auf der Bahn von Monza

Vier Tage später, am 26. Mai, erschien Ascari auf der Rennbahn von Monza, wo Ferrari einige Fahrzeuge für einen künftigen Grand Prix für Sportwagen testete. Ascari sollte in diesem Rennen nicht für Ferrari fahren, daher brauchte er sich an diesem Tag auch in keinen Wagen zu setzen. Als man ihm vorschlug, doch mal einen der Wagen auszuprobieren, war er sichtlich beunruhigt. Er sagte, er fahre an einem 26. grundsätzlich kein Rennen. Das kam daher, dass am 26. Juli 1925, vierzehn Tage nach Albertos 7. Geburtstag, sein Vater, Antonio Ascari, beim Grand Prix von Frankreich tödlich verunglückt war, nachdem er sich an die Spitze des Feldes gesetzt hatte. Alberto sprach nun in Monza viel vom Tode seines Vaters. Er sagte, daß er nur vier Tage nach einem scheinbar viel schwereren Unfall ums Leben gekommen war, den er unversehrt - überstanden hatte, und dass er damals gerade 36 Jahre alt gewesen war. Alberto betonte, dass seit seinem Unfall in Monte Carlo auch gerade vier Tage vergangen seien und dass er selbst nun auch 36 Jahre alt sei. Außerdem habe er weder sein 'glückbringendes' blaues Sporthemd noch seinen 'glückbringenden' blauen Helm bei sich.

Schließlich erklärte er sich aber dennoch bereit, einen der Wagen zu testen, obwohl - wie Zeugen berichten - er sich keineswegs beruhigt hatte. Er borgte sich einen Helm aus, sagte, er werde ihm Unglück bringen, und fuhr zuletzt ganz ohne Helm. Nach zwei Runden auf der leeren Strecke war der Wagen zertrümmert, und Alberto Ascari war tot. Über die Unfallursache weiß man nichts Genaues. Ascaris Wagen war ohne ersichtlichen Grund in einer Kurve geradeaus weitergerast. Man stellte die wildesten Mutmaßungen an, sprach von einer plötzlichen Ohnmacht, von geheimnisvollen Lufttunnels, von Windstößen, Rehen, die sich auf die Fahrbahn verirrt hatten, oder einer gebrochenen Hinterachse. Für keine dieser Theorien gab es konkrete Beweise. Einem Bericht zufolge wich Ascari einem Arbeiter aus, der später, von Gewissensbissen gequält, einem Priester beichtete und den Rest seiner Tage in einer Irrenanstalt in Mailand verbrachte. Weder der Arbeiter noch der Priester konnte je identifiziert werden.
Zuletzt geändert von Alfalfa am Samstag, 10. Dezember 2005, insgesamt 1-mal geändert.

Beitrag Freitag, 09. Dezember 2005

Beiträge: 1862
sehr schöne zusammenfassung :!:

was ascaris tod betrifft: mir fallen da parallelen zu clarks unfall auf. auch danach wurde behauptet, dass ein zuseher auf der strecke den crash ausgelöst haben könnte.

aber das passt wohl eher in die kategorie "verschwörungstheorien"...
"When you're racing, it's life. Anything that happens before or after is just waiting."

Michael Delaney (Steve McQueen), Le Mans

Beitrag Freitag, 09. Dezember 2005

Beiträge: 3560
wow, da läuft einem ja die gänsehaut runter ;-) ... ich glaub der kerl hat sich einfach so da reingesteigert, dass er sich vielleicht nimmer so aufs fahren konzentriert hat, und dann is der Unfall passiert. Wenn er wirklich so abergläubisch war (und dann noch ohne helm fährt...) kann ich mir das gut vorstellen.
"I have no idols. I admire work, dedication and competence"
Ayrton Senna

2009, das Rennen von Singapur, es regnet in Strömen, von der ganzen Gischt erkennt man keine Autos mehr. Dann: der Red Bull Funkverkehr:
Box: "Sebastian, how are the conditions?"
Vettel: "There is water on the track!"

Beitrag Freitag, 09. Dezember 2005

Beiträge: 4967
Ich glaube, ein Helm hätte ihn da auch nicht gerettet.

Alan Jones war doch auch sehr abergläubisch mit der
Farbe grün, aber so extrem wie bei Ascari war es
sicher nicht. Auch von mir ein Kompliment an Alfalfa.

Beitrag Freitag, 09. Dezember 2005

Beiträge: 888
Bravo Alfalfa.
GRAHAM HILL
Sieger 24-Stunden-Rennens von Le Mans
Sieger Indi 500
Sieger Grand Prix von Monaco
Formel-1-Weltmeister

Beitrag Freitag, 09. Dezember 2005

Beiträge: 542
super zusammenfassung!!!


danke
MfG

ErTzU :evil:

Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

Minardi 4 Ever

Beitrag Freitag, 14. März 2014

Beiträge: 45834
Zur Saison 1954: Er fuhr ja nur ein Rennen für Lancia, den Rest für Maserati und Ferrari. Aber wieso fuhr er nur vier Rennen und nicht den Rest auch? Klar, Lancia wurde nicht fertig mit dem Wagen, aber das wurde Mercedes 1954 ja auch nicht und Fangio fuhr die ersten Rennen für Maserati.

Beitrag Montag, 07. April 2014

Beiträge: 197
Ich meine, Fangio hat sich das von Anfang an vertraglich zusichern lassen. Ascari dagegen musste von Rennen zu Rennen bei Lancia um eine Freigabe nachfragen. Ferrari hatte er nach einem Zank verlassen, daher bleib zunächst mal nur Maserati, und damit hatte er gegen die Mercedes sowieso keine Chance. Deswegen hat er vielleicht auch einfach keine Lust gehabt, bei Maserati den Ersatzfahrer zu spielen. Erst beim GP Italien hat man sich nochmal so weit zusammengerauft, dass er für die Ehre Italiens nochmal mit dem Ferrari angetreten ist.


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