Fortsetzung aus dem Thread 'Formel-1 Teams von Formel-1 Fahrern'
torino hat geschrieben:
Alfalfa hat geschrieben:
Ich wollte es bei anderer Gelegenheit schon mal schreiben (eventl. im Aerodynamik-Threas?!) - ich schreibe es heute Abend mal kurz zusammen. Ob das Auto - wenn es denn NICHT von der FIA reklamiert worden wäre - Wunder bewirkt hätte, weiß ich natürlich auch nicht...
Der JS19 Talbot war gar nicht so schlecht, ich glaube, da wäre was drin gelegen.
Das Verbot mit der durchgehenden Schürze war natürlich Gift für die ganze Konstruktion. Man sieht auf späteren Fotos den veränderten Heckflügel. Ich meine immer noch, dass sich Ligier nach 1982 nie mehr richtig erholen konnte. Der Niedergang war leider immer mehr absehbar.
Ja, der 'Break' nach der Saison 1981 ist nicht zu übersehen, besonders auf dem technischen Bereich. Nur einmal wagte man später noch mal einen recht progessiven Wagen, den JS31 von 1988, aber der ging ebenfalls ziemlich in die Binsen.
Über Ligier wird in der deutschen (aber auch in der englischsprachigen) Fachliteratur so gut wie nichts geschrieben - insofern musste ich schon das bisschen Information unten sehr mühsam aus ca. 10 Quellen zusammentragen! Das bisschen möchte ich Euch aber natürlich nicht vorenthalten.
Man fuhr Anfang 1982 noch mit den überarbeiteten und schwergewichtigen JS17-02/-04/-05/-06-Matra V12, entwickelte aber nicht mehr viel an den Teilen - man testete lediglich Kohlefaser-Scheibenbremsen von Aerospatiale.
Dann kam der JS19, den Beaujon zusammen mit Jabouille entwickelt hatte. Schon rein äußerlich wurde der rundliche & bullige Ligier-Stil der Jahre 1976-1981 mit diesem Fahrzeug gründlich unterbrochen; das Cockpit lag weit vorn, die Motorabdeckung geriet dagegen ziemlich lang & eckig, desgleichen die Karosserie hinten. Das Chassis bestand aus einer Kombination von sechs Sektionen aus genieteten Aluminiumblechen und Kohlefaser-Verbundwerkstoffen. Der Wagen hatte eine Aufhängung mit doppelten Drelecksquerlenkern und Zugstreben sowie innenliegende Dämpferbeine. Als Motor tat weiter der Matra V12 seinen Dienst, da noch immer nicht mit Peugeot geklärt werden konnte, wer die Kosten für die Entwicklung eines Turbomotors übernehmen würde. Ein Einsatz des Turbo in diesem Auto war allerdings definitiv geplant.
Sein originellstes Merkmal waren aber die bis in den vollintegrierten Heckspoiler durchgezogenen Seitenkästen mit Schürzen, die sehr - nicht nur wegen der in Längsrichtung gebogenen Schürzen an Chapmans erfolglosen (schon das hätte bei Ligier eigentlich zu denken geben sollen) Lotus 80 von 1979 erinnerten. Theoretischer Hauptvorteil war auch hier ein Zugewinn an Anpreßdruck. Die Luft konnte das Heck des JS19 ohne störende Einflüsse durchströmen, da die Radaufhängung vollständig im Seitenkasten verpackt war.
Soweit die Theorie - aber in der Praxis ließen die Prüfer in Monaco, wo der Wagen zuerst eingesetzt werden sollte, nicht durchgehen; bei der Abnahme wurde genau diese Verkleidung hinter der Hinterachse beanstandet, die Schürzen mußten um fast 1m im Heck gekürzt werden. Ich habe leider keine genauen Bilder vom Heck des Ligiers während des GP, aber ich nehme an man musste den hinteren Teil der Schürzen einfach kappen - denn der integrierte, bis nach unten reichende Heckflügel blieb unverändert.
Mit dem so modifizierten Wagen, Cheever fuhr den JS 19/01, Laffite den JS19/02, konnte natürlich kein Blumentopf gewonnen werden.
Der 'gestrippte' JS19 in Monaco - man erkennt sehr schön die in Längsrichtung - à la Lotus 80 - gebogenen Seitenkästen. Die weissen Streifen auf den Seitenkästen sind Dichtmaterial, die Schürzen sind noch nicht anmontiert.
Nachdem die Rennkommisare die Schürzen im Heck moniert hatte, musste man bei Ligier zu 'Holzhammer'-Methode greifen und die Teile einfach absägen - da blutet nicht nur einem Techniker richtig das Herz!
In Detroit probierte man es wieder, während man gleichzeitig mit dem JS19-02 im Windkanal von St. Cyr arbeitete. Bei der technischen Abnahme in den USA wurde verlangt, dass die Schürzen im Heck bis zur Radmitte entfernt werden müßten. Vier Monate Entwicklung waren umsonst gewesen, und 30 Prozent Abtrieb verloren. Man musste zu allem Überfluss in Amerika die JS17 eingesetzt, weil nicht mal die gekürzten Teile den Zuspruch der Prüfer fanden - und mit dem wurde Cheever völlig überraschend Zweiter (noch dazu mit einem Auto bei dem man aus thermischen Gründen die Motorenabdeckung abgenommen hatte)!
Guy Ligier entschied aber nun trotzdem, alle Arbeiten auf den JS19 zu konzentrieren. Man entwickelte neue Seitenkästen und änderte die Aufhängungspunkte. Der modifizierte & nun mit 'legalen' Seitenteilen ausgestattete JS19 erschien wieder beim niederländischen Grand Prix und lief in dieser verstümmelten Version dann für den Rest des Jahres. Ein dritter JS19 wurde für Laffite in England eingesetzt und ersetzte den in Holland beschädigten JS19-02. Das Team schlug sich aber noch mit der mangelhaften Abdichtung der Schürzen herum. Erfolge waren eher spärlich - irgendwann schien man wohl auch die Lust an dem verstümmelten Auto verloren zu haben...
Der JS19 in seiner späten Form (obwohl es offiziell ja keinen JS19B gab). Auffälligster Unterschied: die andere Auspuffführung - jetzt konventionell mit Diffusor nach oben durch den Heckflügel durch - statt wie in Monaco seitlich hinter den Hinterrädern - und die nun fehlenden Schürzen. Der Heckflügel reicht aber weiterhin sehr tief.
Mit 20 Punkten beendete Ligier die Saison auf dem 8. Platz in der Konstrukteurswertung - das war im Vergleich zum Vorjahr, da man im Finalrennen sogar noch Titelchancen hatte - ein ziemlicher Abfall. Der Turbo-V6, den Talbot aus dem Matra ableiten wollte, kam (obwohl er bereits auf dem Prüfstand lief) nicht zustande. Da der Vertrag mit Talbot am Jahresende auslief, bedeutete der GP in Las Vegas den letzten Einsatz des Matra V12. Der Matra V12 hätte eigentlich mal eine ernstere Würdigung verdient, aber das Thema ist ja hier der JS19. Trotzdem noch ein paar abschließende Worte: Zwölfzylinder V60-Motoren sind sehr leistungsfreudig, weil für strömungsgünstige Ein- und Auslaßsysteme genügend Platz vorhanden ist und die Ölabscheidung in die Ölwanne sehr gut funktioniert. Der Matra war gegen Ende seiner Laufbahn wahrscheinlich der stärkste Dreiliter-Saugmotoren vor der Turboära - man schätze ihn auf ca. 525-530 PS. Er entwickelte einen infernalisch lauten Sound, und war durch die glatten Zylinderkopfdeckel und die sorgfältig zusammengeführt und verlegten Einspritz- und Zündleitungen eine Augenweide für Motorenthusiasten. Vorteilhaft war ferner, dass der Motor als voll mittragendes Bauteil verwendet werden konnte - und wundersamerweise passte der schmale V60 (im Gegensatz zu den Flachmotoren von Ferrari & Alfa Romeo) prima ins Ground-Effect-Konzept. Die ganz großen Erfolge blieben ihm aber bis zu seinem Ende im Jahre 1982 versagt. Mit nur 4 Siegen stand immer im Schatten der Ferrari- und Ford Cosworth-Motoren.
Was für ein Anblick: bei abgenommener Verkleidung bestimmte eindeutig der Motor das Auto. Durch die in zwei Reihen angeordneten 12-Zylinder wirkte der Motor natürlich sehr groß. Er wirkte ungeheur imposant und stark und repräsentierte wohl das letzte Stadium des 'klassischen' Stils eines Monopostowagens - eines Motors mit vier Rädern!