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Aerodynamik für Anfänger

Das Formel 1 Forum früherer Tage...

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 45772
Ja wäre echt super!!! :!:

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 1313
Ein Erfahrungsbericht über den Opelwagen würde mich näher interessieren.Vielleicht würde man dann etwas besser das Verhalten verstehen und auch warum es wohl so war.
Kann es mir im Moment nur so vorstellen:
Ich vermute mal der Raketenwagen hatte seinen Schwerpunkt durch die Raketenaggregate sehr weit hinten.Denn es wird sich noch um Festbrennstoffraketen gehandelt haben.So wie wir sie von Silvester kennen.
Da der Brennstoff nahe dem Brenneraustritt plaziert werden muss,hat man viel Masse konzentriert vorliegen.Deshalb wird der Wagen recht hecklastig gewesen sein.
Moderne Raketen haben ja die Treibstoffbehälter und Brennkammer deutlich getrennt und so eine günstigere Schwerpunktlage.
Aber nun back to topic.
Eine flügelstabilisierte Rakete hat ein stabiles Flugverhalten,wenn ihr Masseschwerpunkt möglichst weit in Richtung Kopf liegt.Also sehr weit von den Stabilisierungsflächen und somit vom Druckpunkt entfernt.
Der Opel-Raketenwagen war nun imho tendenziell hecklastig und der Flügel zudem noch mittig am Fzg angebracht.Somit lagen Stabilisierungsfläche (Flügel wirkt als solcher) und Masseschwerpunkt zu nah beieinander,wenn nicht sogar die Stabilisierungsfläche und somit der Druckpunkt vor dem Schwerpunkt lag.So wird eine Rakete instabil.
Opel wollte hier wahrscheinlich mit dem Flügel,das von mir angesprochene aerodynamische Gleichgewicht ändern,hat darüber aber den Einfluß auf den Raketenantrieb vernachlässigt.
Mag sein,daß so eine Vernetzung aus Raketentechnik und Fzg-Aerodynamik zum damaligen Zeitpunkt einfach nicht zu überschauen war.
Die Interdisziplin stellt ganz neue Anforderungen in der es vorallem negative Wechselwirkungen zu erkennen gilt.
Und dieses mag eine gewesen sein.Was auch zu dem schrecklichen Fahrverhalten führte.

So,welche Wirkung hätte ein umgekehrter Tragflügel am Opel-Raketenwagen?
Das hängt wieder mit vom Anstellwinkel ab.
Bild oben:
Verbaut man den Flügel leicht negativ bis negativ ,so erhält man einen Flügel der vorwiegend für Abtrieb sorgt.Also das aerodynamische Gewicht sowohl an Vorder-als auch Hinterachse erhöht.Welche Gründe es imho gehabt haben könnte,das Opel an der H-Achse lieber eine Erleichterung gehabt hätte,hatte ich ja im vorigen Beitrag schon beschrieben.
Bild unten:
Ein solcher Flügel der ungefähr in Neutralstellung angebaut wird,bewirkt ein Moment,durch die verschiedene Druckverteilung am Flügelprofil.
Dieses Moment würde für eine Erleichterung der V-Achse und Erschwerung der H-Achse sorgen.Also genau das was imho Opel für den Raketenwagen nicht wollte.Denn man will ja für Höchstgeschwindigkeit Reibung und Anpressdruck soweit minimieren,daß gerade noch eine Langsstabilität gewährleistet ist .Dieses Erreicht man mit dem Flügel,wie er am Opelwagen angebaut war in negativer Flügelstellung(Flügelnase deutlich tiefer als Endkante).Es baut sich dann ein Moment auf,welches dem aerodynaischen Auftrieb an der V-Achse entgegenwirkt und das schwere Heck aerodynaisch etwas erleichtert.
Der instabilisierende Einfluß der mittigen Flügelposition auf den Raketenantrieb wurde anscheinend nicht erkannt.

Rot:Überdruckseite
Grün Unterdruckseite
schwarze Pfeile:wirkende Kraftrichtungen bzw. Momente

Bild
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Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 1313
shoemaker hat geschrieben:
cobra hat geschrieben:
Vorne also eine Belastung hinten Entlastung.Dieses erreicht man bei einem Flügel,nur mittels eines Drehimpuls.Diesen kann man mit einem negativ angestellten "Auftriebsprofil" erreichen.Ein umgekehrter Flügel wäre die Negation und würde nicht das gewünschte Ziel darstellen.


Wir hatten zwar bislang noch nicht viele Vorlesungen zum Thema Aerodynamik, aber ein kleines bisschen Ahnung habe ich davon auch.
Ich habe im Solid CFD jetzt mal zwei Flügel mit ähnlichem Anstellwinkel wie dem am Opel gezeichnet, einen mit dem Flugzeug- und einem mit dem umgedrehten Profil. Das Ergebnis bei hor. Anströmung ist aber fast gleich. Eine negation des Effektes vom Opel erreiche ich erst, wenn ich den Flügel komplett spiegele, also auch den Anstellwinkel umdrehe.


Mit Negation meinte ich nicht nur eine einfache Umkehrung des Flügelprofils,sondern auch eine Negation des Anstellwinkels.
Man müsste vielleicht mal eine gute Seitenansicht des Opelwagen haben.Dann könnte man besser spekulieren.
Ich habe noch eine ganze Weile Urlaub und komme deshalb nicht in die Firma,aber du kannst ja mal,wenn du Lust hast mal weiter etwas mit CFD-Software experimentieren in verschiedenen Flügelstellungen und mal die Positionen ermitteln,ab denen das Verhalten des Flügels sich ändert.
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Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 8060
cobra hat geschrieben:
Man müsste vielleicht mal eine gute Seitenansicht des Opelwagen haben.Dann könnte man besser spekulieren.

Das müsste zu machen sein - die Fahrt ist relativ gut dokumentiert. Ich schaue mal nach...

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 8060
Ich sitze jetzt leider nicht an der Quelle (und habe auch noch zu arbeiten), aber vielleicht könnt ihr mit folgenden Details etwas anfangen:

Bild

Bild

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 1313
Hab noch ein größeres Bild gefunden.
Bild
Den Anstellwinkel der Tragfläche würde ich auf -8° bis -10° schätzen.Macht sich in der Perspektive zwar etwas schlecht,habs aber mal mit den Mittel der KT versucht etwas zu entzerren und einen Winkelmesser drangehalten.
Dann habe ich noch diese schöne Animation im Netz gefunden.
Wie gehabt; Rot: Überdruck,Grün: Unterdruck.
Bild

Hier kann man etwas rumspielen.Mit AngleDeg von -9°,Camber 8.15 und Thick von 3% bin ich im Bereich wo ich keinen Auftrieb(Lift Force) erzeuge,durch die spezielle Druckverteilung aber ein vorteilbringendes Moment erzeuge.
http://www.grc.nasa.gov/WWW/K-12/airplane/foil2.html
Zuletzt geändert von cobra am Montag, 02. Januar 2006, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 2995
Obwohl der Flügel sehr weit vorne liegt kann er aber doch nur den von cobra angesprochenen Effekt der Momentenerzeugung gehabt haben. Denn wenn ich die Sehne nach hinten hin abfallend mache ist der Gesamtanpressdruck dises Flügels dem eines mit umgedrehten Profils klar unterlegen.
So wie ich das dann bei mir sehe ist der Flügel in seinem Wirkungsberecih sogar sehr flach eingestellt . Man kann ihn kaum flacher stellen um weiterhin den gewünschten Effekt zu erzielen, da er dann sehr schnell insgesamt einen Auftrieb erzeugt.

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 1313
Genauso meinte ich es shoemaker.
Habe mal mit dem Online-Programm der NASA etwas experimentiert.
1. die Situation am Opel.
Kaum Lift-force aber das geschilderte Moment tritt, wie auch in der obigen Animation zu sehen durch die Druckverteilung auf.
Bild

2. Der Flügel als uns bekannter Abtrieberzeuger.
Negative Lift-Force (Downforce) von ca 23kN,aber kein bedeutendes Moment.
Bild

3.Situation,die von mir bereits erwähnte Negation sowohl im Profil,wie auch im Anstellwinkel.
Lift-Force ca 0 aber ein Moment,welches anderen Drehsinn hat.
Bild
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Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 8060
Klasse Thema. Ich bin beeindruckt von Eurem Fachwissen. Hättet Ihr mal Lust die Chaparral-Konstruktionen von Jim Hall etwas auseinanderzunehmen? Er gilt ja als Godfather der Aerodynamik im Motorsport - nachdem ich mich am Wochenende aber mal etwas ins Thema eingelesen habe ist mein Glaube an Hall etwas geschwunden - ich glaube er hat einfach ziemlich viel und wild durcheinander ausprobiert (das meiste von GM unterstütz & finanziert).

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 1313
Alfalfa hat geschrieben:
...
Bild
Das gewaltigste Flügelmonster aller Zeiten (man beachte die Dimensionen vorne, hinten & oben): Jim Halls Chaparral 2H von 1969
...


Kannst du zu dem Bild etwas sagen?Ist es aus dem Rennen?

Ich finde die Kombinationen und Flügelstellungen recht interessant,die man zu diesem Auto findet.
Mal ein flacher oder steiler Heckflügel,mit oder ohne Flaps an der Front,mit oder ohne brachialem Mittelflügel.
Bild

Bild

Bild

Bild

Ich kenne Jim Halls Konstruktionen jetzt nicht wirklich.Ich habe da nicht den Überblick was an seinen Autos aerodynamisch auftauchte und neu in der Szene war.
Sicherlich kann man aber sagen,daß das bloße Anbauen von Flügeln noch keinem zum Godfather macht.
Da sind doch die Entwicklung eines Front-Splitters größere Leistungen,da es sowas vorher nicht vergleichbar gab und nicht einfach adaptiert werden konnte.
Ein Flügel ist ja nunmal aus der Fliegerei bekannt,man muss ihn nur noch richtig verstehen und einbauen.
Zuletzt geändert von cobra am Montag, 02. Januar 2006, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 8060
@cobra: gerade dieser 2H ist ein sehr interessantes Auto. John Surtees, einer der technisch versiertesten Piloten seiner Zeit, schaffte es nicht dem Auto Manieren beizubringen und zerstritt sich heillos mit Hall, der ständig an dem Auto herumbastelte. Ich denke aber der Grundfehler im Auto ist im Chassis (viel zu kurzer Radstand, Starrachsen) zu suchen, die Aerodynamik konnte da auch nicht mehr viel helfen, bzw. kaputt machen. Ich werde mal Material darüber zusammenstellen. Ist wirklich sehr interessant.

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 454
Ob nun die Aerodynamik-Auswüchse etwas gebracht haben oder nicht - es ist auf jeden Fall ein bemerkenswertes Renn-Auto aus der Zeit. Nicht schön, eher skurril.

Dass das Reglement solche Auswüchse überhaupt zuliess...

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 8060
Wenn ich mich recht erinnere sollte das Auto ursprünglich OHNE diesen Mittelflügel und mit einer Art Flugzeugkanzel fahren. Surtees mochte die Kanzel nicht, weil er das Fahrverhalten des Autos darin zu wenig beobachten konnte. Und der Mittelflügel wurde aufgepflanzt um das Fahrverhalten zu verbessern(!) - also dürfte das Bild mit dem Flügel eine später Variante sein, die Flügellosen frühe.

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 8060
Peterson78 hat geschrieben:
...es ist auf jeden Fall ein bemerkenswertes Renn-Auto aus der Zeit. Nicht schön, eher skurril.

White Whale oder Moby Dick waren die Spitznamen dafür. Passt ja ziemlich gut... :lol: :lol:

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 454
Alfalfa hat geschrieben:
White Whale oder Moby Dick waren die Spitznamen dafür. Passt ja ziemlich gut... :lol: :lol:


Köstlich ! Kann mich erinnern, dass auch eine Le Mans - Version des Porsche 935 "Moby Dick" genant wurde (weil die Porsche damals auch weiss waren).

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 8060
Gehört zwar hier nicht zum Thema, aber ich finde weiße Rennautos (wie den Chaparral oder die Porsche, die sich ja Gott sei Dank nicht dem allgemeinen deutschen Silber-Trend angeschlossen haben) schon stark.

Ein Renn-Porsche ist nun mal weiss - basta.

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 2995
Um hierhin zurückzukommen:
Bild

Ich glaube kaum dass dies die Standardeinstellung des Flügels war, das wirkt sich wohl doch leicht negativ auf die Speed des Autos auf der Geraden aus.
Da die Autos mit Automatikgetrieben ausgestattet waren konnte er das "Kupplungspedal" zur Steuerung des Neigungswinkels des Heckflügels benutzen, also besonders zum bremsen und vielleicht etwas weniger Steil bei der Kurvenfahrt.
Wenn man bedenkt dass die starren Flügel erst 2 oder 3 jahre später in der F1 überhaupt auftauchten war das schon eine große Entwicklungsleistung.

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 1313
shoemaker hat geschrieben:
...
Ich glaube kaum dass dies die Standardeinstellung des Flügels war, das wirkt sich wohl doch leicht negativ auf die Speed des Autos auf der Geraden aus.
Da die Autos mit Automatikgetrieben ausgestattet waren konnte er das "Kupplungspedal" zur Steuerung des Neigungswinkels des Heckflügels benutzen, also besonders zum bremsen und vielleicht etwas weniger Steil bei der Kurvenfahrt.
...


Ich kenne mich in der Historie leider zu wenig aus,wenn es darum geht welche techn. Systeme es wann gab.Aber die Umsetzung zur gleichzeitigen Funktion des Flügels als Airbrake wäre schon denkbar.

Btw:Ich habe lange Zeit weiße Autos gefahren,entgegen dem Trend.Es gibt für mich nix schöneres als ein sauberes weißes Auto mit schönen Alufelgen in der Sonne glänzend :D
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Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 588
Klasse Thread.

Einen sehr frühen Versuch in Richtung "Flügel" möchte ich hiermit nachreichen: Ferdinand Porsches 1937er Weltrekordwagen Mercedes T80.

Bild

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 8060
Richtig, den hatte ich glatt vergessen (allerdings fuhr er nie - auch keine Tests).

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 1313
Hab mit dem NASA-Programm nochmal etwas rumgespielt.
Nachdem ich mir JAVA nochmal neu installiert habe funzen bei mir jetzt auch die Plots.

1.Bild nochmal:
Bild
Im Plot unten rechts sieht man ein Diagramm,Die Achsen sind Press(Druck-senkrechte Achse) und Chord in % (Profiltiefe-waagerechte Achse).
Im Plot sieht man eine grüne waagerechte Linie.Das ist die Linie für den normalen atmosphärischen Luftdruck 101.3 kPa.Desweiteren sind eine gelbe und lila Linie zu sehen.Diese geben nun die Druckverteilung über den Profilquerschnitt an.Die Grüne Linie also als unser stilisiertes Opelprofil jetzt mal denken.die läuft über die gesamte Profiltiefe(grüne Linie).
Das Diagramm ist leider recht ungünstig scaliert,aber man kann erkennen,daß bei ca 15-20% Flügeltiefe die gelbe und lila Linie die grüne schneiden.Lila ist Über- und gelb Unterdruck.wir haben also bis ca 20% Flügeltiefe von der Nasenspitze gerechnet auf der Flügeloberseite ein Überdruckgebiet und an der Unterseite einen deutlichen Unterdruck.
Ab ca 20% Flügeltiefe bis zur Hinteren Flügelkante haben wir dann auf der Flügeloberseite ein leicht größeres Unterdruckgebiet und auf der Unterseite Überdruck.

Äquivalent kann man das jetzt für die anderen Flügelstellungen auch nochmal machen.
Bild
Hier sehen wir sehr kurz hinter der Nasenspitze einen Wechselbereich.Fast garnicht erkennbar.Wir haben ansonsten über den gesamten Bereich an der Oberseite Überdruck und an der Unterseite Unterdruck.


Bild
Das letzte Bild zeigt im Vergleich zum ersten deutlich,daß das wo vorher Unterdruck war jetzt Überdruck ist und umgekehrt.
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Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 45772
Ich hab was zum Raketenfahrzeug von Opel gefunden:

Rüsselsheim/Berlin. 23. Mai 1928: Auf der Berliner Avus jagt ein zigarrenförmiger Rennwagen an mehr als 3000 geladenen und begeisterten Zuschauern vorüber. Hinter sich zieht er einen langen Feuer- und Rauchschweif her. Fritz von Opel, Unternehmer aus Rüsselsheim und Enkel des Firmengründers Adam Opel, hat die 24 Pulverraketen seines RAK2 nacheinander gezündet und mit 238 km/h einen neuen Streckenrekord aufgestellt. Insgesamt katapultieren 120 Kilo Sprengstoff den „Raketen-Fritz“, wie er im Volksmund genannt wird, über die Rennbahn.

Der Rüsselsheimer Urknall für das Raketen-Zeitalter erfolgt bereits im Herbst 1927. Nach einem Treffen mit dem Testpiloten und Raketen-Visionär Max Valier beschließt Fritz von Opel, sich aktiv an der Entwicklung eines neuen „Raketen-Motors“ zu beteiligen. Zur Umsetzung dieses ehrgeizigen Zieles schließt Opel einen Vertrag mit Friedrich Wilhelm Sander, der sich bereits mit raketengetriebenen Rettungsgeräten einen Namen gemacht hat, mit denen Leinen zu gestrandeten Schiffen geschossen werden. Die Zusammenarbeit trägt bald erste Früchte: Am 12. März 1928 findet in Rüsselsheim unter Ausschluss der Öffentlichkeit der erste bemannte Raketenversuch der Welt auf der Opel-Rennbahn statt. Ebenfalls dort erreicht am 11. April 1928 ein RAK1 genannter Prototyp binnen acht Sekunden 100 km/h. Da die Höchstgeschwindigkeit auf der Rüsselsheimer Hausstrecke auf maximal 120 km/h begrenzt war, präsentierte Fritz von Opel den technisch und aerodynamisch verfeinerten RAK2 zu einer spektakulären Rekordfahrt am 23. Mai 1928 auf der Berliner Avus und stellte das neuartige Antriebssystem erstmals einer breiten Öffentlichkeit vor.

Nach dem großen Erfolg setzt Fritz von Opel seine Experimente umgehend fort: Der unbemannte RAK3 – ein Schienenfahrzeug mit zehn Feststoffraketen – erreicht am 23. Juni 1928 auf Eisenbahngleisen bei Burgwedel vor 30.000 Zuschauern mit einem Durchschnittstempo von 180 km/h einen Schienen-Weltrekord mit 256 km/h. Bei einem weiteren Versuch im August 1928 wurde das gleichfalls unbemannte Schienenmobil RAK4, doppelt so schwer, jedoch mit 30 Raketen geladen, zerstört. Versuchsfahrten mit einem Opel-Motorrad, das er – ebenfalls im Jahr 1928 – mit einem 22 PS starken Einzylindermotor auf etwa 120 km/h beschleunigen will, ehe er im Leerlauf rollend nacheinander 6 Pulverraketen mit insgesamt 30 Kilo Sprengstoff zündet, werden aus Sicherheitsgründen behördlich untersagt.

Doch im Jahr darauf wendet sich Fritz von Opel einer weiteren Pioniertat zu: dem raketengetriebenen Flugzeug. Sein Hochdecker mit doppeltem Leitwerk ist das erste speziell für Raketenantrieb konstruierte Flugzeug der Welt. Nach ausführlichen Schlepp-versuchen und Probeflügen zur Entwicklung der erforderlichen Treibsätze steigt der Abenteurer am 30. September 1929 erfolgreich mit dem „RAK I Friedrich“ in die Lüfte. Auf dem Frankfurter Flughafen, damals noch auf dem Rebstock-Gelände gelegen, erreicht er eine Höhe von gut 15 Meter und legt in eineinhalb Minuten knapp zwei Kilometer zurück. Es ist der erste öffentliche Raketenflug in der Geschichte der Luftfahrt. Zum ersten Mal ist es einem Menschen gelungen, ausschließlich mit Raketenkraft zu starten und in einen Steigflug mit anschließendem Streckenflug überzugehen. Doch während des Fluges versagt der mit einem Akku betriebene Zündmechanismus für die Raketen, und Fritz von Opel landet unsanft in „ungeeignetem Gelände“, wie es in Zeitungsberichten heißt. Die „RAK I Friedrich“ ist zerstört, der Pilot unverletzt.

Dies war der letzte Raketenversuch bei Opel. Danach wurden unter dem Eindruck der Weltwirtschaftskrise die Experimente eingestellt und die Entwicklungskapazität des Unternehmens auf die Fahrzeugentwicklung konzentriert.


Das Thema ist wirklich sehr interessant!

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 45772
Und noch was:

Technik des RAK2



Leider gibt es nur wenig gesicherte Kenntnisse über die Konstruktion des RAK2, denn es existieren keine authentisch-detaillierten technischen Aufzeichnungen mehr und die damals beteiligten Personen sind mittlerweile verstorben. Man hatte schon bei der ersten Rekonstruktion für das Deutsche Museum in München 1968 das Problem der fehlenden Unterlagen. Jedoch konnte man damals noch die Beteiligten befragen, die sich allerdings auch nur an sehr wenige Details erinnern konnten, so dass man als wesentlichste Grundlage zum Nachbau die glücklicherweise zahlreich vorhandenen Fotos heranzog.

Als relativ sicher gelten nur wenige Fakten. Das ist zum einen der Aufbau der Karosserie auf einem Fahrwerk eines Opel 10/40 PS, wobei der komplette Antriebsstrang entnommen wurde, weshalb der Raktenwagen vorne sehr leicht wurde. Zum anderen bestand die Antriebseinheit nun aus 24 Feststoffraketen, die Friedrich Sander beisteuerte. Auch sind die Äußerlichkeiten dieses Fahrzeuges gut rekonstruierbar, da es wie schon erwähnt viele Fotos gibt, die darüber Aufschluss geben.


Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 2995
Eine kleinere Page hat Opel auch über den Versuch, mit einem sehr kurzen Mini-Filmchen :wink: .
http://www.rak2.opel.de/

Beitrag Montag, 02. Januar 2006

Beiträge: 0
Super-Thema und Super-Video!!! :D)

Schade, dass wir die damaligen Rekordfahrten nicht miterleben durften... :roll:

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