Ferraris Nachwuchsarbeit ist meines Erachtens eher bescheiden: Hier meine Gedanken dazu, sowie ein historischer Abriss:
Ferrari parkt Raffaele Marciello als Freitagstestfahrer bei Sauber. Der Italiener steht daher zumindest mit einem Bein in der Formel-1. Als Ferrari-Junior hat man dennoch nicht unbedingt die besten Chancen auf eine Beförderung. Anders sah das in der Geschichte des Ferrari-Rennstalls aus: 21 Fahrer gaben für Ferrari ihre WM-Debüt.
Der Wendepunkt war 2009. Felipe Massa fiel nach dem Crash im Quali zum Ungarn-GP für den Rest der Saison verletzungsbedingt aus. Auf der Suche nach einem Ersatz wollte man erst den früheren Rekordweltmeister Michael Schumacher reaktivieren, der dann aber wegen Nackenproblemen absagen musste. Dann durfte Ersatzfahrer Luca Badoer ran, der aber schon zehn Jahre lang keine Rennen mehr bestritt.
Um auf solche Fälle vorbereitet zu sein, gründete Ferrari daraufhin ein Juniorenprogramm. Wäre letztes Jahr ein Ersatzfahrer ausgefallen, wäre mit Jules Bianchi ein starker Fahrer Gewehr bei Fuß gestanden. Doch ist es sinnvoll, nur deswegen einen Nachwuchskader aufzubauen? Es gibt wohl zahlreiche Fahrer, die im Ernstfall ohne mit der Wimper zu zucken für Ferrari an den Start gehen würden. Mit Jean-Eric Vergne und Esteban Gutiérrez hat Ferrari zudem zwei Testfahrer unter Vertrag, die letztes Jahr noch F1-Stammpiloten waren. Sie wären gute Ersatzleute.
Bis zu sechs Ferraris
Ferrari bildet in den Nachwuchsserien zwar junge Fahrer aus, befördert sie aber nicht ins eigene Werksteam. Schon gar nicht als Frischlinge. McLaren zum Beispiel verpflichtete 2014 den Rookie Kevin Magnussen, oder noch bekannter: 2007 Lewis Hamilton. Ohne sie vorher bei Kunden- oder Partnerteams zwischenzuparken, um ihre F1-Tauglichkeit zu analysieren. Das kann man auch schon in den Nachwuchsserien. Red Bull ist bekannt dafür, inzwischen ausschließlich nur noch auf eigene Junioren zu setzen.
Und Ferrari? Sergio Perez wäre vor drei Jahren ein Kandidat gewesen. Aber dann zögerte Ferrari, McLaren bewies wieder mehr Mut und heuerte den Mexikaner an. Jules Bianchi soll zwar für 2016 bei Ferrari im Gespräch gewesen sein, aber für 2014 holte man auch lieber Kimi Räikkönen, für 2015 lieber Sebastian Vettel. Und wer weiß, ob Räikkönen Ende des Jahres wirklich aufhört. Inzwischen ist Bianchi leider Gottes mit schweren Kopfverletzungen außer Gefecht gesetzt. Der neue Ferrari-Junior ist nun Raffaele Marciello.
Ferrari hatte schon andere Zeiten. 21 Fahrer gaben im Rahmen der WM das F1-Debüt mit der Mannschaft aus Maranello. Der letzte Ferrari-Debütant liegt aber schon lange zurück: Arturo Merzario 1973. Nicht alle Debütanten waren aber wirklich Junioren. In den 50er und 60er Jahren durften die Teams noch mehr als zwei Fahrzeuge pro Rennen einsetzen. Regelmäßig tauchte Ferrari beim Italien-GP mit zusätzlichen Autos auf, in denen dann meist Neulinge aus Italien wie Dorino Serafini, Umberto Maglioli, Piero Carini, Ludovico Scarfiotti oder Nino Vaccarella Platz nahmen. Beim Italien-GP 1953 brachte Ferrari zum Beispiel sechs Fahrzeuge an den Start!
Die meisten dieser Fahrer fuhren mit Ferrari im Sportwagenbereich. Das war also so, als würde Ferrari heute beim Heimrennen in Monza den GT-Fahrern wie Gianmaria Bruni, Toni Vilander, James Calado oder Davide Rigon einen Gaststart ermöglichen. Serafini war 1950 beim Italien-GP beispielsweise schon 49 Jahre alt – von einem Junior kann hier also wahrlich nicht mehr die Rede sein.
Ferraris verkauft
Ernsthaftere Bemühungen, sich intensiv auch um den Nachwuchs zu kümmern, zeigte Ferrari in den 70er Jahren, als man sich als Motorenhersteller in der Formel-2 engagierte und bei Nicht-WM-Rennen sogar Junioren einen Ferrari fahren ließ. 1976 wurde Giancarlo Martini bei der BRDC International Trophy in Silverstone mit einem Ferrari Zehnter. Der Einsatz wurde damals von der Scuderia Everest abgewickelt, dem Rennstall von Giancarlo Minardi, der 1985 als Minardi-Team auch in der WM das Debüt gab und seit 2006 Toro Rosso heißt. In der WM fuhr Martini anders als sein Neffe Pierluigi Martini dann aber nie ein F1-Rennen.
Im Fall der Scuderia Everest stellte Ferrari nur einen Wagen zur Verfügung, in den 50er und 60er Jahren verkaufte man auch noch F1-Boliden an Privatfahrer wie dem Schweizer Rudi Fischer. 1961 trat das wohl bekannteste Beispiel ein: Giancarlo Baghetti gab in einem von FISA betreuten Ferrari beim Frankreich-GP sein WM-Debüt und gewann auf Anhieb sein erstes Rennen! Es war übrigens sein dritter F1-Sieg im dritten Rennen, denn davor gewann er mit demselben Ferrari schon zwei Nicht-WM-Rennen!
Fazit: Ferrari zeigte immer wieder Ansätze, sich im Rahmen des Werksteams oder darüber hinaus für Rookies einzusetzen, aber meistens immer nur mit halbem Engagement. Gleiches gilt auch jetzt für das aktuelle Juniorenprogramm. Andere Teams wie McLaren und Red Bull betreiben die Nachwuchsarbeit wesentlich effizienter, effektiver und ergebnisorientierter.