Coughlan ist nicht gesperrt, sondern Symonds.
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Drei Rennen, null Punkte – so schlecht war die Bilanz von Williams letztmals 1979! Damals aber gab es für die zwei neunten Plätze von Alan Jones und Clay Regazzoni aber auch noch keine Punkte, außerdem kam man zur Saisonmitte richtig in Fahrt und wurde erstmals zum Topteam. Auch 1977 gab es nach drei Rennen unterm Strich keinen Zähler, in Belgien fuhr Patrick Neve damals im March Ford aber auf Rang zehn, dafür hätte es 2011 Punkte gegeben. Und Williams setzte nur einen Wagen ein. 1976 fuhr man sogar nur drei Rennen, ohne zu punkten, aber mit einem achten Platz von Jacky Ickx in Brasilien. Drei Rennen nach Saisonstart 1975: Williams ohne Punkt, aber mit Platz elf durch Jacques Laffite wieder beim GP von Brasilien. Dafür würde es auch heute nichts Zählbares geben, aber es ist besser als Platz 13 durch Rubens Barrichello zuletzt in China, was die bisher beste Platzierung 2011 ist. 1973 wurde Howden Ganley beim Brasilien GP Siebter, Punkte gab es damals nicht, also war Williams nach drei Rennen wieder ohne Punkte, sowie 1971, als Henri Pescarolo in Monaco die Ziellinie aber als Achter überkreuzte. So muss man also bis ins Jahr 1970 zurückblättern im großen F1-Geschichtsbuch, um einen schlechteren Start in eine Saison zu finden. Damals kam Piers Courage mit dem von Williams eingesetzten De Tomaso Ford bei keinem Rennen der Saison ins Ziel!
Der Unterschied: Damals war Williams erst in der zweiten F1-Saison, so wie das Lotus-Team 2011 – und das liegt gegenwärtig vor Williams in der Konstrukteurswertung! 1970 befand sich das Team noch im Aufbau, 2011 im Umbau, denn nach den schlechten Darbietungen bisher zieht das Team aus Grove Konsequenzen: Technikchef Sam Michael und Chefaerodynamiker Jon Tomlinson müssen ihre Posten zum Ende der Saison räumen. Um ihr Gesicht zu wahren, dürfen sie bis Jahresende bei Williams weiterarbeiten, um die Konstruktion 2012 kümmern sich aber bereits deren Nachfolger. Wer das sein wird, ist noch unklar.
Damit aber schon gleich zur ersten Überraschung: Williams hat Mike Coughlan unter Vertrag genommen. Im Sommer kehrt er in die Formel-1 zurück, aus der er nach dem Spionageskandal 2007 als Cheftechniker bei McLaren verstoßen wurde. Coughlan wird zunächst Chefaerodynamiker, ein Aufstieg zum Cheftechniker gilt aber nicht als ausgeschlossen. Einen neuen Chefaerodynamiker will das Team bekannt geben, sobald eine Lösung gefunden wurde. Viele Spitzentechniker sind derzeit nicht zu haben. Pat Symonds darf wegen des Crashskandals 2008 in Singapur derzeit nur als Berater in der Formel-1 arbeiten – und tut das auch für Virgin. Erst 2013 darf er wieder in einer gehobenen Position in einem F1-Team schuften. Zyniker behaupten, Symonds würde Coughlan perfekt ergänzen – zwei Skandal-Männer im Traditionsteam Williams.
Außerdem wäre Symonds nicht die beste Lösung: Bei Toleman und den Nachfolgerteams Benetton und Renault arbeitete er immer unter großartigen Designern und Konstrukteuren wie Rory Byrne oder Ross Brawn. So wie auch Sam Michael bei Williams. Beide sind überaus sympathisch, doch Fakt ist: Die Rolle des Technikchefs war für den erst 39 Jahre alten Sam Michael einfach eine Nummer zu groß. Er dürfte eine Neuanstellung finden, denn er ist noch jung, und hat bisher einen guten Lebenslauf: Während er Maschinenbau studierte, knüpfte der Australier Kontakte zu Gregg Siddle, der damals nicht nur F1-Manager von Nelson Piquet war, sondern in der Formel-Holden, der australischen GP2 so zu sagen, ein eigenes Team unterhielt. In genau diesem machte Michael seine ersten Gehversuche im Motorsport. 1993 kam er bereits zu Lotus in die Formel-1, nach der Pleite des Teams wechselte er zu Jordan, als Renningenieur von Heinz-Harald Frentzen erlangte Michael durch dessen überraschenden Erfolge Ruhm. 2000 kam er zu Williams, seit 2004 ist er Cheftechniker. Es war das letzte Jahr, in dem Williams ein Rennen gewinnen konnte. Die Verantwortung dafür aber nur bei Sam Michael zu finden, ist falsch. Es war auch das letzte Jahr, in dem Williams mit BMW einen wirklich guten und finanzstarken Partner an der Seite hatte.
Am Budget soll die aktuelle Misere aber nicht liegen. Mit dem Gang an die Börse verdiente sich Williams etwas Geld dazu, die Aktie verliert aber an Wert, wohl eine unangenehme Folge des Misserfolgs. Der Teufel wird eher in der Technik gesehen. Mit einem extrem verbauten Getriebe ging Williams 2011 einen riskanten Weg, man verzockte sich. Oder aber man konnte das wirkliche Potenzial nur noch nicht ausschöpfen. Was, wenn das aber im Laufe des Jahres gelingt und Williams wie 1979 zur Mitte der Saison plötzlich wieder GP-Siege einfährt? Wird die Kündigung Michaels dann aufgehoben? Aus Teamkreisen lautet die Antwort nein.
Michael und Jon Tomlinson sind Bauernopfer. Williams-Geschäftsführer Adam Parr bot den drei großen Besitzern Frank Williams, Patrick Head und Toto Wolff ebenfalls seinen Rücktritt an – der wurde aber abgelehnt. Parr leitet inzwischen das Tagesgeschäft, Williams zieht sich immer mehr zurück. Auch Patrick Head will sich zurückziehen. Es waren zum Großteil seine Teamanteile, die nun an der Frankfurter Börse gehandelt werden. In naher Zukunft will der Brite aber in der Fabrik in Grove Williams aus der Miesere helfen.