Wie schon im Vorjahr machte Mercedes beim Großen Preis von Russland den Sack in der Konstrukteurswertung bereits vorzeitig zu. Derzeit ist der Punktestand mit 617:374 Zähler gegen Ferrari recht eindeutig. Mercedes bekommt durch diesen Erfolg rund 40 Millionen Dollar mehr Preisgeld als 2014!
Die Summe von 701 Punkten aus dem Vorjahr kann man in dieser Saison nur noch mit zwei Doppelsiegen erreichen. Letzte Saison gab es auch 19 Rennen, allerdings auch doppelte Punkte im Finalrennen. Dafür fiel der Mercedes 2015 deutlich seltener aus als 2014. Drei Rennen verlor man sowohl 2014, als auch in diesem Jahr (Stand zwei Rennen vor Saisonende). Die Zahlen, die Dominanz und die Bilanz sind sehr ähnlich – und doch unterscheidet sich 2015 von 2014 durchaus.
Da wäre zum Beispiel der Gegner. Letztes Jahr war das Daniel Ricciardo im Red Bull Renault, dieses Jahr Sebastian Vettel im Ferrari. Ferrari ist wie Mercedes ein Werksteam, bei dem Chassis und Antriebsstrang aus einem Guss entstehen. Für den Einbau des komplexen Antriebsstrangs ins Fahrzeug ist das extrem wichtig. Red Bull ist Kundenteam von Renault, hat auf die Motorleistung daher nur bedingt Einfluss und hat daher konzeptionelle Nachteile gegenüber Ferrari. Die Scuderia ist als Gegner für Ferrari also deutlich ernster zu nehmen als Red Bull.
Ferrari ernsterer Gegner als Red Bull
Da wäre aber auch noch die Art und Weise, wie Mercedes jeweils die drei Rennen verlor. Ricciardo gewann in Kanada, wo beide Mercedes mit Bremsproblemen stark gehandicapt waren, Lewis Hamilton sogar komplett ausschied. Ricciardo gewann in Ungarn, als Hamilton schon im Quali Probleme hatte und Rosberg im Chaosrennen mit Regen und Safety-Car auch auf Platz vier zurückfiel. Und Ricciardo gewann in Belgien, wo Rosberg und Hamilton am Start kollidierten.
Vettel gewann ebenfalls in Ungarn. Beide Mercedes kamen dort schlecht vom Fleck, leisteten sich außerdem einige Fehler, hatten technische Pannen und kamen wegen der engen Streckencharakteristik nicht mehr recht nach vorne. Vettel gewann aber auch in Malaysia aus eigener Kraft – weil die heißen Temperaturen, die weichen Reifen und die Streckencharakteristik dafür sorgten, dass Ferrari an diesem Tag besser war als Mercedes! Red Bull war 2014 an keinem Tag besser als Mercedes, es waren die Umstände, die zu Siege führten. Und Vettel gewann noch in Singapur – aus gleichen Gründen wie im Nachbarland Malaysia.
Mercedes war 2015 also verwundbar. Viel zu selten, um im WM-Kampf einen echten Gegner zu bekommen. Aber oft genug, dass Ferrari-Fans voll der Hoffnung sind, dass sie 2016 noch näher dran sind an Mercedes. Mercedes hat zwei Problemstellen: Zum einen die weichen Reifen, zum anderen der enge Streckentyp wie in Ungarn oder Singapur.
Die Problemfelder des Mercedes Wß6 Hybrid
Die Reifenprobleme liegen in der DNA des Mercedes-Teams. Von 2010 bis ’12 war dies der hauptsächliche Hemmschuh bei Mercedes. 2013 wurde es besser, ausgerechnet nach dem nicht regelkonformen Pirelli-Reifentest. 2014 spielten die Reifen schlicht keine Rolle, weil Pirelli auf Nummer sicher ging: Die Italiener wussten nicht, wie stark das Drehmoment der Turbomotoren wirklich wird. Auch in diesem Jahr sind die Reifen verhältnismäßig konservativ, aber schon aggressiver – weshalb Mercedes speziell mit den beiden weichsten Mischungen ins Straucheln kommt. 2016 will Pirelli noch eine Spur weicher gehen – und damit könnten die Mercedes-Schwierigkeiten durchaus zunehmen.
Das zweite Grundproblem, die Performance auf engen Strecken, liegt an der Charakteristik des Mercedes W06 Hybrid. Mercedes hat die Boliden entsprechend der Position konstruiert: Man weiß, dass man die meiste Zeit ohne verwirbelte Luft an der Front fährt. Darauf ist die Charakteristik des Wagens getrimmt. Sobald man sich aber Mitten im Feld vorfindet, gibt es Probleme. Es fehlt an Abtrieb – und genau den braucht es auf Strecken wie Singapur und Ungarn.
Doch Mercedes hat auch viele Gründe, zuversichtlich in die Zukunft zu blicken: Der Vorsprung auf Ferrari ist noch immer riesig. Schwer vorstellbar, dass die Italiener den schon über den kommenden Winter ganz aufholen können. Aufholen ist in der Formel-1 schwieriger denn je, weil die Entwicklungsmöglichkeiten im Motorenbereich stark begrenzt sind – die Motoren aber eine wichtige Rolle spielen.
Mercedes mit großen Vorteilen
Mercedes wird aber auch an den Problemen arbeiten. Da wäre zum Beispiel das Startproblem. Das derzeitige Kupplungssystem ist nicht das Beste, kann aber erst für 2016 überarbeitet und verbessert werden. Mercedes reagiert aber auch ansonsten trickreich: So packt man vor dem Start die Hinterradbremsen in Wärmedecken, denn so strahlt Wärme auf die Reifen ab und die Pneus heizen sich schneller auf, sind also so schneller auf Betriebstemperatur.
Und Mercedes ist nach wie vor attraktiv für Neuzugänge. Zuletzt konnte Phil Prew gewonnen werden, der seit 1997 bei McLaren arbeitete, zuletzt als Chefingenieur. Alles in allem stehen die Chancen also gut, dass Mercedes 2016 den Titel zum dritten Mal in Folge nach Hause fährt.
Alle Konstrukteurs-Weltmeister
1958 Vanwall (Stirling Moss, Tony Brooks, Stuart Lewis-Evans)
1959 Cooper-Climax (Jack Brabham, Maurice Trintignant, Bruce McLaren, Masten Gregory)
1960 Cooper-Climax (Bruce McLaren, Maurice Trintignant, Stirling Moss, Tony Brooks, Olivier Gendebien, Lucien Bianchi, Henry Taylor, Phil Hill)
1961 Ferrari (Phil Hill, Wolfgang Graf Berghe von Trips, Richie Ginther, Giancarlo Baghetti, Olivier Gendebien)
1962 BRM (Graham Hill, Richie Ginther)
1963 Lotus-Climax (Jim Clark, Trevor Taylor)
1964 Ferrari (John Surtees, Lorenzo Bandini, Pedro Rodríguez)
1965 Lotus-Climax (Jim Clark, Mike Spence)
1966 Brabham-Repco (Jack Brabham, Denny Hulme)
1967 Brabham-Repco (Denny Hulme, Jack Brabham, Guy Ligier)
1968 Lotus-Ford (Graham Hill, Jo Siffert, Jim Clark, Jackie Oliver)
1969 Matra-Ford (Jackie Stewart, Jean-Pierre Beltoise, Johnny Servoz-Gavin)
1970 Lotus-Ford (Jochen Rindt, Emerson Fittipaldi, Graham Hill, Reine Wisell, John Miles)
1971 Tyrrell-Ford (Jackie Stewart, François Cevert)
1972 Lotus-Ford (Emerson Fittipaldi)
1973 Lotus-Ford (Emerson Fittipaldi, Ronnie Peterson)
1974 McLaren-Ford (Enerson Fittipaldi, Denny Hulme, Mike Hailwood)
1975 Ferrari (Niki Lauda, Clay Regazzoni)
1976 Ferrari (Niki Lauda, Clay Regazzoni)
1977 Ferrari (Niki Lauda, Carlos Reutemann)
1978 Lotus-Ford (Mario Andretti, Ronnie Peterson, Hector Rebaque)
1979 Ferrari (Jody Scheckter, Gilles Villeneuve)
1980 Williams-Ford (Alan Jones, Carlos Reutemann)
1981 Williams-Ford (Carlos Reutemann, Alan Jones)
1982 Ferrari (Didier Pironi, Patrick Tambay, Gilles Villeneuve, Mario Andretti)
1983 Ferrari (René Arnoux, Patrick Tambay)
1984 McLaren-Porsche (Niki Lauda, Alain Prost)
1985 McLaren-Porsche (Alain Prost, Niki Lauda)
1986 Williams Honda (Nigel Mansell, Nelson Piquet)
1987 Williams-Honda (Nelson Piquet, Nigel Mansell)
1988 McLaren-Honda (Ayrton Senna, Alain Prost)
1989 McLaren-Honda (Alain Prost, Ayrton Senna)
1990 McLaren-Honda (Ayrton Senna, Gerhard Berger)
1991 McLaren-Honda (Ayrton Senna, Gerhard Berger)
1992 Williams-Renault (Nigel Mansell, Riccardo Patrese)
1993 Williams-Renault (Alain Prost, Damon Hill)
1994 Williams-Renault (Damon Hill, David Coulthard, Nigel Mansell)
1995 Benetton-Renault (Michael Schumacher, Johnny Herbert)
1996 Williams-Renault (Damon Hill, Jacques Villeneuve)
1997 Williams-Renault (Jacques Villeneuve, Heinz-Harald Frentzen)
1998 McLaren-Mercedes (Mika Häkkinen, David Coulthard)
1999 Ferrari (Eddie Irvine, Michael Schumacher, Mika Salo)
2000 Ferrari (Michael Schumacher, Rubens Barrichello)
2001 Ferrari (Michael Schumacher, Rubens Barrichello)
2002 Ferrari (Michael Schumacher, Rubens Barrichello)
2003 Ferrari (Michael Schumacher, Rubens Barrichello)
2004 Ferrari (Michael Schumacher, Rubens Barrichello)
2005 Renault (Fernando Alonso, Giancarlo Fisichella)
2006 Renault (Fernando Alonso, Giancarlo Fisichella)
2007 Ferrari (Kimi Räikkönen, Felipe Massa)
2008 Ferrari (Felipe Massa, Kimi Räikkönen)
2009 Brawn-Mercedes (Jenson Button, Rubens Barrichello)
2010 Red-Bull-Renault (Sebastian Vettel, Mark Webber)
2011 Red-Bull-Renault (Sebastian Vettel, Mark Webber)
2012 Red-Bull-Renault (Sebastian Vettel, Mark Webber)
2013 Red-Bull-Renault (Sebastian Vettel, Mark Webber)
2014 Mercedes (Lewis Hamilton, Nico Rosberg)
2015 Mercedes (Lewis Hamilton, Nico Rosberg)