Ahem...
Ich bin ja Inschenör...
Allerdings wiederum kein Reifenfachmann.
Ich habe aber mal so ne Vorlesung zur Längsdynamik von Kraftfahrzeugen gehört. Und auch zur gesamten Fahrdynamik von Zweirädern. Und als Antriebsstrangleiter und Verantwortlicher für die Motorabstimmung durfte mich recht häufig mit den Performance Jungs in unserem Formula Student Team unterhalten. Insbesondere mit den Reifen-Menschen natürlich.
Eins vorweg: Mav liegt nicht falsch. Auch formelchen nicht komplett. Ihr beachtet aber beide nur eure eigenen Ausschnitte und vergesst ein paar Punkte. Ich versuche mal das ganze ein wenig aufzudröseln.
Grundsätzlich kann man mit einem Reifen nur Drehmoment übertragen, wenn man Schlupf hat, also die Umfangsgeschwindigkeit des Reifens größer ist als die Geschwindigkeit des Fahrzeugs. Bei Straßenreifen sind das meist so 10-15% meines Wissens nach und bei Rennreifen bis zu 30%, abhängig von einer nahezu beliebigen Anzahl an Rahmenbedingungen, wie zB: Aufstandskraft des Reifens, Slip angle, Sturz, Verhältnis aus Quer- und Längsbeschleunigung usw.
Der Begriff Haftreibung ist also in sich schonmal Murks bei Reifen. Haftreibung hat man wenn das Auto am Hang STEHT. Sobald man voran kommen möchte, hat man Schlupf. Immer. Und wenn man Kurven fahren möchte hat man auch seitlich Schlupf. Immer. Überall.
Wenn man jetzt an einen Rennreifen bzw. ein Rennfahrzeug rangeht, gibt es ein paar Sachen die anders sind als bei Straßenreifen. Rennreifen werden bei sehr hohen Temperaturen betrieben. Es gibt dabei dann ein Temperaturfenster, in dem die optimal funktionieren. Drunter ist schlecht und drüber auch. Drunter bedeutet wenig Grip und wenn man sich nicht beim Fahren drauf einstellt auch mehr Verschleiß, da man bei der Kurvengeschwindigkeit oder bei gleich viel Gas natürlich zu viel Schlupf hat. (Wenn man sich den Verlauf des Reibwerts über dem Schlupf anschaut, fällt das nach dem optimalen Wert sehr steil ab) Letztlich fährt man dann deutlich langsamer, da die Reifen das Drehmoment nicht übertragen können (und nochmal weniger, wenn man zu schnell fährt, da zu stark schlupfende Reifen nochmal weniger Drehmoment übertragen können) und man verschleißt die Reifen auch noch schneller.
Wenn die Reifen zu heiß werden, nimmt der Reibwert auch ab, man bekommt also wieder weniger übertragbares Drehmoment und das gleiche Problem mit dem "Überfahren" der Reifen. Überfahren bedeutet dabei, dass man mehr von den Reifen fordert als sie können und damit über das Reibwertmaximum kommt. Dann sinkt der Reibwert wieder ab und man kann noch weniger Drehmoment übertragen und rutscht nur noch rum. Wenn man dann etwas langsamer wird, so dass man wieder genau am Reibwertmaximum des Reifens ist, fährt man definitiv schneller und mit erheblich weniger Verschleiß.
Bei einem zu heißen Reifen kommt aber noch die thermische Beschädigung des Reifens hinzu. Die kann den Reifen innerhalb von kürzester Zeit komplett zerstören.
Grundsätzlich führt zuviel Schlupf immer zu lokal starkem Erhitzen des Reifens. Beim Aufwärmen der Reifen nutzt man das. Wenn man aber am Kurvenausgang im Rennen konsequent zu viel Schlupf hat, werden die Reifen meist nicht nur durch den größeren Verschleiß beschädigt, sondern nehmen auch thermisch Schaden und verschleißen dann noch schneller. Ja, das ist ein Teufelskreis.
Vom rein mechanischen her sorgt natürlich mehr Schlupf für mehr Verschleiß. Damit ist also das Fahren am Limit für die Haltbarkeit des Reifens nicht so toll wie das Fahren hinter dem Safety Car, kennt man ja. Wenn man sich mal eine Reibwertkurve für einen Straßenreifen anschaut:
Sieht man, dass man beim Schlupf auch in einen Teufelskreis reinläuft. Wenn man zuviel Drehmoment an den Reifen bringt, geht der Schlupf über das Reibwertmaximum hinaus und der Reibwert sinkt. Damit steigt die Differenz zwischen Drehmoment dass die Reifen absetzen können und dem was ankommt und somit der Schlupf. Und dann sinkt wieder der Reibwert, der Schlupf nimmt zu usw. Das ganze läuft also weg, außer man geht vom Gas.
Das mal Grundsätzlich zum Verschleiß von Reifen.
Interessant wird es dann beim Thema Aerodynamik. Unabhängig davon, wie sie erreicht wird, sorgt eine größere Normalkraft auf der Reifenaufstandsfläche für mehr übertragbares Drehmoment (der Reibwert aus dem obigen Diagramm ist das Verhältnis aus Längskraft und Normalkraft (mit dem Radius des Reifens haben wir dann ein Drehmoment)). Also mehr Normalkraft = mehr Längskraft. Darum drehen Fronttrieblern beim Beschleunigen die Räder so leicht durch, weil über die dynamische Radlastverteilung einfach wenig Normalkraft überbleibt. Man kann das ganze mit mehr Gewicht kompensieren, das ist aber irgendwie kontraproduktiv. Deswegen macht man das ganze mit Aerodynamik. Grundsätzlich kann man also dann sagen, dass man mit mehr Downforce mit den Reifen mehr Längskraft (Querkraft auch, da muss man hier nicht unterscheiden) und damit mehr Drehmoment übertragen kann. Soweit sollte das alles noch ganz normal verständlich sein.
Wie schon richtig geschrieben, walkt der Reifen bei größerer Belastung mehr. Damit entsteht im Reifen selber auch mehr Wärme. Wenn das alles optimal passt, dann ist der Reifen im optimalen Temperaturbereich und alles ist herrlich. Wenn der Reifen zu heiß wird, läuft man aber in die beschriebenen Probleme rein. Und genau da kann mehr Downforce eben auch zu mehr Reifenverschleiß führen und im Extremfall wird der Reifen so heiß, dass es Probleme mit graining oder blistering gibt. Dann sinkt die Lebensdauer recht rapide ab.
Außerdem geht die gleiche Verlustwärme (Schlupf, keine Haftung) in kürzerer Zeit in den Reifen und dieser wird damit wärmer. Einfaches Experiment: Reibt mit der Hand an eurer Jeans 30 mal hin und her. Einmal so schnell wie es geht, einmal ganz langsam. Wann wird die Hand wärmer?
Jetzt ist die Aerodynamik bei weitem nicht das einzige, was einen Einfluss auf das Verhalten der Reifen hat. Die ließe sich ja auch von Kurs zu Kurs recht zügig ändern. Vielmehr ist das grundsätzliche Verhalten über die Fahrwerkskinematik gegeben. Da kommen dann so Sachen wie roll center, Sturz über Einfederweg, Sturz über Lenkwinkel usw. rein und ich verstehe nur noch sehr wenig
. Fakt ist aber, dass ein Auto das vom Fahrwerk her weniger aggressiv ist, mehr Reserven in der Hinsicht bietet. Es ist wie gesagt recht leicht, Temperatur in die Reifen reinzubekommen, Reifen kühlen ist wiederum schwierig.
Was da neben der Aerodynamik und der Fahrwerkskinematik noch mit reinspielt ist natürlich die Streckentemperatur, der Asphalt und auch das Design der Bremskühlung und der Felgen.