Nochmal zum Auslegen eines Rennwagens:
Es gibt technisch gesehen ein Optimum was das Fahrverhalten eines Fahrzeugs betrifft. Dieses wird man aber in der Realität nie erreichen. Zum einen, weil Werkstoffe nicht beliebig steif sind und man einfach sehr viele Zielkonflikte hat, zum anderen weil die Simulationen die Realität eben auch nicht perfekt abbilden können.
Letztlich wird ein Auto konstruiert und im Verlauf sowie nach der Fertigstellung geschaut, wo die Unzulänglichkeiten sind. Dann kann man daran noch weiter rumoptimieren. Meist geht aber mit der Verbesserung in einem Bereich eine Verschlechterung in einem anderen einher. Oft genug führt auch eine vermeintliche Verbesserung zu einer Verschlechterung in allen Bereichen.
Wenn man jetzt festgestellt hat, dass sowohl Kimi als auch Seb auf nicht optimales Fahrzeugverhalten in einer bestimmten Situation besonders allergisch reagieren bzw. aus optimalem Fahrverhalten an der Stelle überdurchschnittlich viel Zeit rausholen, dann kann man bei den Optimierungen einen Fokus darauf legen.
Das bedeutet aber meist, dass der Bereich eh schon echt richtig schlecht war (was beim F14-T jetzt niemanden wundern sollte) und man daran generell arbeiten sollte.
Mit das wichtigste bei einem Rennwagen ist das vorhersehbare und konsistente Verhalten. Selbst wenn das Auto in einem Bereich schlecht ist, ist es für den Fahrer halbwegs zu managen, wenn das ganze vorhersehbar ist. Wenn man wiederum nicht weiß, was das Fahrzeug bei einem gegebenen Fahrzustand und Fahrerinput macht, dann ist's vorbei. Genau das hat ja auch Seb am RedBull, insbesondere am BBW, letztes Jahr bemängelt.
Fakt ist also, dass man grundsätzlich versucht ein optimales Fahrzeug zu bauen und, wenn überhaupt, nur die Optimierungen eines eher schlechten Chassis zuerst an den Stellen angreifen lässt, die fahrerspezifisch wichtig sind. Das würde ich aber mehr unter der Saison sehen als bei einem neuen Fahrzeug für die nächste Saison. Da kann man dann die großen Schritte machen die das Fahrzeug insgesamt verbessern. Auswirkungen der quick fixes fließen dabei natürlich in die Entwicklung mit rein.
Zu den aktuellen Problemen bei McLaren Honda:
Der Bereich des Thermomanagements ist in meinen Augen nicht kritisch. Ob man Volllast oder nur höhere Teillast fährt ist für das Validieren der Simulationen total egal. Der gesamte Raum unter der Verkleidung wird bei so einem Test, insbesondere nach Renaults Erfahrungen im letzten Jahr, einfach mit Thermoelementen vollgepflanzt und dann sieht man ganz genau, wie sich das ganze verhält. Die Unterschiede zwischen Teil- und Volllast sind auch sehr sehr leicht zu skalieren. Interessant ist vor allem, ob das ganze grundsätzlich so funktioniert, wie man sich das vorgestellt hat und ob man irgendwo eine Wärmequelle oder -senke übersehen hat und das zu Problemen führt. Genau das war ja bei RedBull im letzten Jahr der Fall.
Ließe sich das ganze nicht sinnvoll skalieren, wären die Tests im kalten Jerez für das Thermomanagement ja komplett hinfällig.
Die Zeiten halte ich beim jetzigen Stand für vollkommen irrelevant. Selbst wenn sie 50 Sekunden daneben hingen wäre es unter den gegebenen Umständen egal. Man kann zur Zeit noch nicht das Potential der PU ausschöpfen und genau das ist jetzt einfach das Ziel. Wenn man mal eine Runde am Anschlag fahren kann, dann wird's interessant.
Die meisten Probleme die unter Volllast auftreten können, kann man übrigens auf Prüfständen wunderbar nachfahren. Interessant wird es im hochdynamischen Bereich und bei "ungewöhnlichen" Fahrzuständen bzw. Input-Kombinationen. Man kann als Ingenieur einfach nicht alles Testen, was die blöden Fahrer in der Karre auf der Strecke machen
Wie schon gesagt, würde ich Honda noch nicht abschreiben. Bislang sehen die Probleme nach den üblichen "teething troubles" aus, nicht mehr und nicht weniger. Jetzt kommt es darauf an, dass man diese schnell und nachhaltig beheben kann. Und genau das ist von außen relativ schwer zu beurteilen. Alles was offiziell bekannt gegeben wurde, hört sich nach vergleichsweise simplen Problemen an. Wobei zB das Wasserleck durchaus auch komplexe Ursachen haben könnte. Dann wäre es aber wahrscheinlich nicht so schnell behoben gewesen.