Einmal mehr wird über die Idee von Kundenfahrzeuge in der Formel-1 nachgedacht. Sofort brodelte die Gerüchteküche: Steigt jetzt etwa das ART-Team als B-Rennstall von McLaren Honda in die Formel-1 auf? ART zeigt sich durchaus interessiert an der Formel-1.
Das Thema Kundenautos kommt wieder auf den Tisch. Es ist zwar keine gute Idee, aber es ist eine realistische Idee. Die Topteams wollen sich von ihren Privilegien nicht trennen, also wird dieser Trend einfach weitergesponnen: Mit Kundenteams werden die Topteams noch mächtiger, weil sie auf ihre Kundenteams politisch Druck ausüben können. Dazu braucht man sich nur die Scuderia Toro Rosso anzuschauen, die schon jetzt alle Argumentationen des Red-Bull-A-Teams mitträgt.
Einen positiven Aspekt könnten Kundenfahrzeuge aber durchaus haben: Sie könnten das Feld wieder auffüllen. Je nachdem wie günstig die Fahrzeuge an Kunden verkauft werden, könnte sich ein F1-Einstieg für neue Teams bald wieder lohnen. Die Hürden für einen F1-Einstieg sind derzeit aus ganz verschiedenen Gründen viel zu hoch: Nachwuchsteams operieren mit einer Mitarbeiterzahl zwischen zehn und 20. F1-Teams brauchen mindestens zehn Mal so viel, eher 20 oder 30 Mal so viel. Die Anforderungen an die technische Infrastruktur sind ganz andere, weil in den Nachwuchsserien meist mit Einheitsfahrzeugen hantiert wird. Ein Nachwuchsteam kann heute nicht mehr einfach so in die Formel-1 einsteigen, sondern müsste dafür ein komplett neues Team gründen. Noch vor 25 Jahren betreuten die Ingenieure halt statt einem F2-Rennwagen einen F1-Boliden. Heute liegen zwischen diesen Fahrzeugen Welten – wenn auch nicht vom Tempo her, was ja das Paradoxe daran ist, das auch zeigt, wie ungesund und vor allem unnötig die Geldvernichtung in der Formel-1 wirklich ist.
ART als McLaren-B-Team?
Kommen jetzt Kundenfahrzeuge, dann wäre der Einstieg wesentlich leichter. Zwar wäre es weiterhin viel schwieriger, einen F1-Rennwagen einzusetzen als etwa einen GP2-Boliden und daher müsste ein Nachwuchsteam freilich auch aufrüsten was Finanzen und Know-How betrifft, aber der Schritt in die Formel-1 wäre wieder wesentlich kleiner, ja sogar bewältigbar.
Logisch, dass jetzt sofort wieder über neue F1-Teams spekuliert wird. Als erster Name in diesem Zusammenhang fällt der von ART Grand Prix. Und das kommt nicht von ungefähr: Das ART-Team ist derzeit in vielen Nachwuchsserien unterwegs – vom Kartsport (wo man auch eigene Karts entwickelt) bis hin zur GP2. Dort ist man Partnerteam von McLaren Honda (die Lackierung ist dieselbe): Als Fahrer sind McLaren-Junior Stoffel Vandoorne und Honda-Nachwuchs Nobuharu Matsushita an Bord.
Honda hat derzeit einen so großen Rückstand auf die Konkurrenz, dass es enorm wichtig wäre, mit einem weiteren Team zusätzliche Kilometer und Daten zu sammeln. Nur so können die Probleme noch genauer analysiert und letztlich behoben werden. Darüber hinaus hat McLaren auch ein Fahrerproblem: Fernando Alonso und Jenson Button haben einen Vertrag bis Ende 2016, mit Kevin Magnussen und GP2-Tabellenführer Stoffel Vandoorne hat man aber auch zwei hauseigene Juwelen in der Hinterhand, die bei ART zwischengeparkt und F1-Erfahrung sammeln könnten.
ART-Bewerbung schon 2010
Das ART-Team ist einem F1-Einstieg prinzipiell nicht abgeneigt. 2010 reichte man beim Automobilweltverband FIA eine Bewerbung für 2011 ein, die man aber später im Jahr wieder zurückzog. ART erkannte, dass in der aktuellen wirtschaftlichen Situation und mit den hohen Kosten in der Formel-1 bei gleichzeitig ungerechter Geldverteilung ein langfristiges F1-Projekt nicht zu stemmen ist.
Inzwischen steht man der Formel-1 aber wieder offen gegenüber, wie Teilhaber Nicolas Todt, Sohn von FIA-Präsident Jean Todt und Manager einiger F1-Piloten wie Felipe Massa und Pastor Maldonado, erklärte. Das hätte auch nicht nur etwas mit Kundenfahrzeuge zu tun. Mit Kundenfahrzeuge ist ein F1-Einstieg von ART jedoch noch wahrscheinlicher geworden.
Die Frage ist aber wann? Das Haas-Team baut seinen F1-Rennstall schon seit über einem Jahr auf. Theoretisch geht es aber schneller: Dr. Colin Kolles hat 2010 das HRT-Team aus den Resten des Campos-Team aus dem Nu aufgebaut, überhaupt haben alle neuen Teams der Saison 2010 die Zusage für das F1-Projekt erst im Sommer 2009 bekommen. Theoretisch ist ein Einstieg von ART also auch 2016 schon denkbar, aber dazu müssten die Kundenfahrzeuge per Reglement auch offiziell erlaubt werden. Bislang wird ja einmal mehr nur wieder darüber diskutiert. Ob und wann eine entsprechende Regelung verabschiedet wird, ist völlig unklar.
Kommen weitere Kundenteams?
Falls es aber dazu kommt, könnte es in Zukunft weitere neue Teams geben? Welche Teams kämen in Frage? In den Nachwuchsserien gibt es durchaus den einen oder anderen Rennstall, der mit einem bestehenden F1-Team zusammenarbeitet. Red Bull parkt die Junioren seit Jahren bei Carlin und neuerdings auch DAMS, aber Red Bull hat mit Toro Rosso bereits einen Juniorrennstall in der Formel-1. Das Arden-Team von Gary Horner, dem Vater von Red-Bull-Teamchef Christian Horner, wäre ebenfalls ein Kandidat, aber auch hier gilt: Es gibt ja bereits Toro Rosso.
Ferrari arbeitet mit Prema Power zusammen. Doch die Scuderia würde die Kundenfahrzeuge vermutlich eher an Sauber, Manor oder vor allem Haas verkaufen. Force India ist Partner des GP2-Rennstalls Hilmer, doch auch hier ist ein F1-Einstieg äußerst unwahrscheinlich. Lotus arbeitet mit dem WSbR-Team Lotus von Antonín Charouz zusammen, doch stellt sich die Frage, ob Lotus im Fall der Kundenfahrzeug-Regelung nicht selbst Chassis etwa von Mercedes kaufen wollen würde.
Trotzdem könnten durch die Kundenfahrzeug-Regelung viele neue Teams in die Formel-1 kommen, die man jetzt noch nicht auf dem Radar hat. Vielleicht auch nur mit Kundenboliden von Teams wie Sauber oder Williams, die damit auch neue Einnahmequellen generieren könnten.