1. Carlin
Heute sind F1-Teams wie Williams und Sauber schon legendäre Traditionsteams. Doch seit Jahren kommen keine solcher Privatteams mehr in die Formel-1, weil ein Einstieg aufgrund der Kosten und des erforderten Know-Hows fast unmöglich ist. Obwohl der Automobilweltverband FIA eine Ausschreibung für neue Teams gestartet hat, ist es unwahrscheinlich, dass es neue Mannschaft geben wird. Dabei gäbe es so viele Teams, die aufgrund ihrer Erfolge einen Platz in der Formel-1 verdient hätten.
Die Zahlen lügen nicht: In den letzten 15 Jahren, also seit 2000, gab es nur fünf neue F1-Rennställe. Im gleichen Zeitraum 15 Jahre davor (1985 bis 2000) waren es noch 23 Neueinsteiger! Damals stiegen noch Teams wie Jordan oder Sauber aus den Nachwuchsserien in die Formel-1 ein – und wurden zu legendären Traditionsteams. Sauber mischt noch heute mit. Der Aufstieg eines Fahrers aus dem Nachwuchssport in die Formel-1 ist ja schon schwer, der eines Teams aber quasi unmöglich.
Eines der Teams, das eigentlich unbedingt in die Formel-1 müsste, ist das von Trevor Carlin. Mehr als 200 Fahrer standen schon in den Diensten des 52-Jährigen. Fast die Hälfte der aktuellen F1-Fahrer kommen aus seiner Schule: Der Vierfach-Weltmeister Sebastian Vettel, WM-Anwärter Nico Rosberg, GP-Sieger Daniel Ricciardo, dazu Daniil Kvyat, Carlos Sainz jr., Marcus Ericsson, Felipe Nasr und Will Stevens. Auch frühere F1-Fahrer wie Robert Kubica, Bruno Senna, Jaime Alguersuari, Kevin Magnussen, Max Chilton, Narain Karthikeyan, Tiago Monteiro, Takuma Sato und Anthony Davidson erlernten ihr Rennfahr-Handwerk bei Carlin. Genauso wie auch IndyCar-Meister Will Power.
Carlin überall dabei
Carlin engagiert sich auch in diversen Nachwuchsmeisterschaften: Mit der GP2 und der Renault-World-Series ist man in beiden F1-Vorzimmern unterwegs. Mikhail Aleshin 2010 und Robert Wickens 2011 wurden in der WSbR jeweils Meister. In der GP3 stellt man mit Alex Lynn den amtierenden Champion, in der F3-Europameisterschaft kämpft Antonio Giovinazzi dieses Jahr um den Titel, in der MSA-Formula Lando Norris. Carlin ist auch das erfolgreichste Team in der britischen F3-Geschichte, beteiligte sich auch in Serien wie der A1GP-Serie, Formel-BMW und dem Formel-Renault-Eurocup.
Weil trotz solcher Erfolge der Aufstieg in die Formel-1 äußerst schwer ist, suchen sich Teams wie das von Carlin neue Betätigungsfelder. ART zum Beispiel ist neues Mercedes-Einsatzteam in der DTM, Carlin aber wechselt erstens in die Formel-E, wo man die Mahindra-Einsätze leitet, sowie zweitens über den großen Teich nach Amerika, wo man dieses Jahr ein Indy-Lights-Programm gestartet hat, das vielleicht schon nächstes Jahr in die IndyCar führt. Carlin sieht in der IndyCar einen Markt auch für europäische Nachwuchsfahrer, weil viele eben nicht das Geld für einen F1-Aufstieg haben und sich nach Alternativen umsehen müssen.
Trevor Carlin selbst hat schon mehrmals versucht in der Formel-1 Fuß zu fassen. Als er mit Martin Stone 1996 das Team gründete, war man Dienstleister des damaligen Weltmeister-Rennstalls Williams. 2005 wurde Carlin Sportdirektor bei Jordan, dem heutigen Force-India-Team. Die Zusammenarbeit hielt nur kurz. 2006 bewarb sich Carlin erfolglos um einen F1-Platz für die Saison 2008. Die Anforderungen sind einfach zu hoch und selbst für ein solch riesiges Nachwuchsteam wie das von Carlin nicht mehr stemmbar.
Carlin begann wie Ron Dennis
Dabei begann Trevor Carlin wie einst ein Ron Dennis oder Ken Tyrrell, also wie diverse andere legendäre F1-Teamchefs, als Mechaniker. Das war 1980 in der Formel-Ford. Anschließend wurde er bei Bowman und West Surrey Racing F3-Teammanager. 1989 holte sich David Brabham unter seinen Fittichen den Titel in der britischen Formel-3 und gewann auch den klassischen Macau-GP. Sogar eigene F3-Fahrzeuge entwickelte Bowman Racing. Was zur Krönung von Carlins Karriere noch fehlt ist ein F1-Rennwagen, der seinen Namen trägt. Aber darauf gibt es nur dann realistische Chancen, wenn endlich weitreichende Sparmaßnahmen in der Formel-1 umgesetzt werden.