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BCN: Liegen die F1-Pläne auf Eis?

Diskussionsforum über Teams und Motoren in der Formel 1.
Beitrag Sonntag, 13. Juli 2008

Beiträge: 45834
2006 hat sich BCN Competicion für die Formel-1-Weltmeisterschaft 2008 eingetragen. Dafür heuerte man extra Frank Coppuck an. Der Sohn des berühmten F1-Designers Gordon Coppuck wurde engagiert, weil er jahrelang Erfahrung in der Formel-1 hatte: Er begann seine F1-Karriere im Team von Carl Haas 1985, ging dann zu Tyrrell, dann zu Lotus, dann zu Pacific, schließlich noch zu Benetton. Das spanische F1-Team von Enrique Scalabroni wurde aber übergangen. Stattdessen gab der Automobilweltverband FIA dem Prodrive-Team von David Richards den 12. Slot. Der Brite tauchte mit seinem Team zum Saisonauftakt in Australien 2008 aber gar nicht auf. Richards wollte mit Kundenfahrzeuge von McLaren Mercedes fahren. Der Deal war schon unter Dach und Fach, das nötige Kleingeld für den F1-Einstieg hatte der ehemalige Benetton- und BAR-Teamchef bereits bei der FIA hinterlegt. Dann aber hieß es überraschend, dass Kundenfahrzeuge verboten werden – das brach Richards das Genick. Der Brite sarkastisch: „Die Auswirkungen sieht man doch: Prodrive kam gar nicht, Super Aguri musste zusperren, Toro Rosso steht zum Verkauf.“

Einer dieser Kaufinteressenten von Toro Rosso – so wurde spekuliert – soll BCN sein. Bereits im Winter soll Scalabroni an Red Bull herangetreten sein, um das Kaufinteresse zu bekräftigen. Doch Red Bull, 50%-Teilhaber bei Toro Rosso, hat das Angebot nicht überzeugt. Für die F1-Pläne hat BCN extra Raphael Carafel als Sportlichen Leiter verpflichtet. Dass die Kaufinteresse von Scalabroni und seinem GP2-Team BCN nicht ernst genommen wird, liegt auch daran, dass Scalabroni praktisch der Meister aller F1-Projekte ist, die noch vor dem ersten Grand Prix überhaupt scheiterten: 1992 ging er zum italienischen F3000-Team Barone Rampante, das einen F1-Einstieg als Benetton-B-Team plante. 1994 wollte er das Ikuzawa-Team gemeinsam mit dem japanischen Rennfahrer Tetsu Ikuzawa in die Formel-1 hieven. Die aufregende Konstruktion konnte aber nie umgesetzt werden, auch des Geldes wegen. Durango heuerte Scalabroni Mitte 90er Jahre an um die Leitung für ein F1-Projekt zu übernehmen. Das Projekt verlief im Sand. Konkret wurden die Pläne Scalabronis mit Asiatech 2002. Zunächst kaufte Scalabroni mit dem Japaner Hideo Morita, der auch im Ikuzawa-F1-Projekt involviert war, die alten Peugeot-Motoren und belieferten diese an Minardi und Arrows. Mark Webber und Jos Verstappen sorgten für 3 WM-Punkte. Scalabroni designete einen eigenen F1-Renner, aber nachdem der Prototyp der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, hörte man von Asiatech nichts mehr.

Damit kein falscher Eindruck von Scalabroni entsteht: Der Argentinier ist einer der einfallsreichsten und kreativsten Designer in der Formel-1 gewesen. Bereits bei Williams sorgte er mit einem querliegendem Getriebe und einer neuen Hinterradsgeometrie für Wirbel. Bei Ferrari, wo er im Oktober 1989 unterkam trat er in die großen Fußstapfen von John Barnard, der zu Benetton wechselte und für Scalabroni mächtig Arbeit schaffte: Barnard ging nämlich nur mit der Klausel zu Ferrari, weiter in England zu arbeiten. Neben dem Ferrari-Werk in Maranello baute Barnard noch eines in England. Das System funktionierte jedoch nicht, es ging alles drunter und drüber. Scalabroni brachte lieber seine extravaganten Ideen zur Zeichnung, anstatt sich um das Chaos mit den 2 Designabteilungen zu kümmern. Scalabroni geriet intern unter Druck und wechselte Ende 1990 zu Lotus, wo er jedoch erfolglos zu Gange war. Dennoch, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Scalabroni arbeitete in 6 Jahren für 3 der 4 erfolgreichsten Rennställe der Welt! Nachdem er bei Peugeot das Sportwagenprogramm geleitet hat und bei De Tomaso Nachwuchsboliden baute, übernahm er gemeinsam mit Jaime Pintanel das F3000-Team Nordic. Pintanel ist nun Teammanager beim in BCN Competicion umgetauftem Team.

Enrique Scalabroni aber hat Stil. Der 58-Jährige müsste sich nur einen Vollbartstehen lassen, dann würde er aussehen wie im berühmten Kinderfilm Heidis Großvater. Scalabroni ist gut genährt, nicht ein bisschen sieht er aus, wie jemand, der ein Rennteam führt. Als der Schreiber dieser Zeilen BCN per E-Mail ein paar Fragen gestellt hat, wurden diese Fragen nicht vom BCN-Pressechef Franco Panariti, oder gar dessen rechte Hand Lucy Nell beantwortet, sondern von Enrique Scalabroni. Vielleicht liegt es daran, dass die Fragen mit dem heiklen Thema Formel-1 zu tun haben. Bei diesem Thema gilt Alarmstufe rot. Noch nie hat jemand zu viel ausgeplaudert, wenn es um das Thema Formel-1 ging, vielleicht will Scalabroni solche Fragen selbst in die Hand nehmen, nicht dass Informationen an die Öffentlichkeit dringen, die da nicht hingehören – noch nicht.

Frage 1: Was steckt denn hinter den Gerüchten von BCN und Toro Rosso. Scalabroni: „Du weiß ja, dass es in der Formel-1 viele Gerüchte gibt und das macht die Formel-1 ja auch so attraktiv. Aber derzeit habe ich nichts, was ich bezüglich deiner Frage sagen kann.“ Dementis klingen anders und Scalabroni machte aus seinen F1-Ambitionen ja nie einen Hehl: „Ja, ich zusammen mit einer Gruppe, die BCN unterstützt, an einem F1-Einstieg interessiert.“ Einschränkungen schickt er aber gleich hinterher: „Aber nur wenn es wirklich realistische Möglichkeiten gibt, werden wir diese Option prüfen.“

Logische Überlegungen ergeben: Diese realistischen Möglichkeiten dürften sich erst ergeben, wenn BCN bewiesen hat, wie stark das spanische Team wirklich ist. Bisher kam man vom Status des Hinterbänklerteams in der GP2 nie weg. Die Saison 2008 ist charakteristisch: Nach 6 bestrittenen Rennwochenenden, hat das Team mit Paolo Maria Nocera, Adrian Valles, Milos Pavlovic und Carlos Iaconelli bereits 4 Fahrer eingesetzt. Keine Kontinuität, nur Fahrer, die Gelder mitbringen und im Motorsport eine so rosige Zukunft haben wie die Ölscheichs, wenn die Ölquellen der Erde ausgelaugt sind. Seit BCN das Team besitzt, gab es nur ein einziges Jahr, das gut war, nämlich das Jahr 2004, als Enrico Toccacelo Vizemeister wurde und am Nürburgring vor Arden-Pilot Robert Doornbos den letzten von 7 Siegen des Teams einfuhr. Der erste Sieg wurde noch unter Nordic-Banner durch Marc Goossens herausgefahren, ebenfalls in Deutschland. In Hockenheim 1995 siegte er vor Kenny Bräck, der für das Magdwick-Team fuhr. Ansonsten ist die BCN-Bilanz bescheiden: Ein 11. Gesamtplatz von Ernesto Viso 2005 lässt sich noch einigermaßen anschauen. Von alter Stärke des Nordic-Teams, das 1993 gegründet wurde, ist nichts mehr zu sehen: Justin Wilson wurde 2001 für das Team Meister, Tomas Enge im gleichen Jahr Gesamt-3., Goossens wurde 1995 Gesamt-3. und Wilson 2000 Gesamt-5.

Hinter dem Nordic-Team steckten Männer, die von ihrer Arbeit was verstanden: Derek Mower stampfte das Team gemeinsam mit seinem Team Chris Mower 1993 aus dem Boden gestampft. Derek, der in der Formel-1 und der IndyCar schon mit Rennlegenden wie Jochen Rindt, Jim Clark, Emerson Fittipaldi oder Mario Andretti zusammenarbeitete, war Teamchef. Chris, der 1992 noch für Lotus in der Formel-1 arbeitete, wurde Teammanager. In gleicher Funktion ist Chris mittlerweile bei Conquest in der IndyCar-Serie beschäftigt, das 2008 mit Jaime Camara und Ex-F1-Pilot Enrique Bernoldi, der jedoch durch IndyCar-Routinier Alex Tagliani ersetzt werden soll, an den Start geht. Weil das Team von Eric Bachelart, das 1997 gegründet wurde, 2004 eng mit dem FDR-Team kooperierte (das Team von Ex-F1-Weltmeister Emerson Fittipaldi und James Dingman), war Mower auch Manager des FDR-Teams.

Scalabroni ist nicht der Meinung, dass BCN erst einmal in der GP2 Siege einfahren sollte, bevor man in die Formel-1 geht. Und holt zur Gegenfrage aus: „Wie viele Teams in der Formel-1 haben nie ein Rennen gewonnen und werden vielleicht in Zukunft nie ein Rennen gewinnen?“ Er erklärt: „Formel-1 und GP2 sind 2 völlig verschiedene Operationen und Gewinnen ist was, was nur mit einem guten Budget, einem guten Fahrer und einem guten Auto geht.“ Außerdem ist auch das BCN-Team nicht ganz ohne Mitglieder mit F1-Erfahrung, nämlich einen Manager, einen Ingenieur, 3 Mechaniker, einen finanziellen Direktor und einen Direktor für Kommunikation.

Auch an Unterstützung für ein F1-Projekt mangelt es bei BCN nicht. Es gäbe jedes Jahr mindestens 5 Gruppen, die mit BCN in die Formel-1 einsteigen wollen. „Aber nicht alle wissen, was Formel-1 wirklich ist, nämlich ein sehr professioneller Sport. Man muss ein System aufbauen, das finanziell und technologisch spitzenklassig funktioniert.“

Um es auf den Punkt zu bringen: BCN will in die Formel-1, aber derzeit ergeben sich nicht wirklich realistische Möglichkeiten. Untätig wird BCN deswegen in den nächsten 3 bis 5 Jahren nicht sein. Scalabroni zum Abschluss: „Wir arbeiten weiter in der GP2 und der GP2 Asia. Wir entwickeln außerdem spezielle Projekte im Rennsport und Sportstraßenautodesign, sowie für die Design-Fabrik. Ferner beraten wir amerikanische und asiatische Investoren, die interessiert sind, Motorsport zu machen.“

Beitrag Dienstag, 15. Juli 2008

Beiträge: 903
Red Bull / Toro Rosso hat das Angebot von BCN nie überzeugt.
Eines der schlechtesten GP2 Team will in die F1. Die Ergebnisse in der GP2 sprechen dagegen. Didi M. und auch G. Berger wollten das Team in eine "sichere Zukunft" verkauften. Das Team sollte nicht so enden wie z.B. Super Aguri.

Das größte Problem ist allerdings für BCN, aber auch für andere Neueinsteiger, daß die Kunden-Chassis weiterhin verboten bleiben.

Beitrag Dienstag, 15. Juli 2008

Beiträge: 45834
Wie Scalabroni selbst sagt, hat Erfolg in der GP2 nichts mit Erfolg in der Formel-1 zu tun. GP2 und F1 seien 2 völlig verschiedene paar Stiefel. Ich weiß auch nicht, wieso BCN in der GP2 so viele Probleme hat, es arbeiten schon ganz brauchbare Leute dort. Und 2004 hatte man auch Erfolg. Die Fahrer sind nicht die besten, aber daran alleine wird es nicht liegen. Schade irgendwie. Weitere Antworten bekomme ich leider (noch) nicht.

Beitrag Samstag, 09. August 2008

Beiträge: 1867
MichaelZ hat geschrieben:
Wie Scalabroni selbst sagt, hat Erfolg in der GP2 nichts mit Erfolg in der Formel-1 zu tun. GP2 und F1 seien 2 völlig verschiedene paar Stiefel. Ich weiß auch nicht, wieso BCN in der GP2 so viele Probleme hat, es arbeiten schon ganz brauchbare Leute dort. Und 2004 hatte man auch Erfolg. Die Fahrer sind nicht die besten, aber daran alleine wird es nicht liegen. Schade irgendwie. Weitere Antworten bekomme ich leider (noch) nicht.


Ihr glaubt doch nicht ernsthaft dass ein Mittelfeld-Team der GP2 einen F1 Rennstall übernehmt, und dann, wo sie auch noch eigene Chassis bauen müssen. Mit was für Geld?

Da wär ich aber lieber mal für ART, iSport oder RacingEngineering.
[color=red:a7e5e85e22]Scuderia Ferrari Marlboro 2008[/color:a7e5e85e22]

[b:a7e5e85e22]#1 - Kimi Raikkönen - #2 Felipe Massa

FIA F1 Konstrukteursweltmeister [/b:a7e5e85e22]


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