Bottas: Wieder ein fliegender Finne?
Gab es die erste Niederlage für Valtteri Bottas schon vor der Saison? Sein Förderer Toto Wolff hat das Williams-Team verlassen, bleibt nur noch als Teilhaber an Bord – und übernimmt die Motorsport-Geschicke von Mercedes. Ohne Wolff wäre Bottas vielleicht nie zu Williams gekommen – ohne Antti Aarnio-Wihuri aber auch nicht: Der Finne fördert Bottas finanziell. Im Motorsport ist er kein unbeschriebenes Blatt: Wihuri setzte jahrelang Porsche-Sportwagen bei verschiedenen Rennen ein – mit seinem eigenen, finnischen AAW-Racing-Team. Der Rennstall tauchte 1976 auch in der Formel-1 auf, mit Leo Kinnunen und einem Surtees Ford. Wihuri war im F1-Projekt aber nicht mehr verstrickt.
Kinnunen war der erste Finne, aber auch der erfolgloseste. Die meisten Finnen brachten es in der Formel-1 weit: Keke Rosberg, Mika Häkkinen und Kimi Räikkönen wurden sogar F1-Weltmeister. Mika Salo hätte eigentlich den Deutschland GP 1999 gewonnen, wenn er nicht der Ferrari-Stallorder zugunsten von Eddie Irvine zum Opfer gefallen wäre. Und JJ Lehto war ein etablierter F1-Pilot, unter anderem 1994 Teamkollege von Michael Schumacher bei Benetton.
Immer wieder wird gefragt: Wieso sind die Finnen im Motorsport so gut? Das Land ist groß, die Bevölkerungszahl aber klein. Gemessen an den Einwohnern wuchert es nur so von Finnen in der Formel-1. Letztes Jahr fuhren mit Kimi Räikkönen und Heikki Kovalainen zwei Finnen, jetzt mit Räikkönen und Bottas ebenfalls. In Finnland schneit es viel – deshalb kommen die erfolgreichsten Skispringer aus Finnland, genauso wie andere bedeutende Wintersportler. Aber gibt es deshalb auch so viele talentierte Rallye- und F1-Piloten? Entwickelt man auf den finnischen Winter-Straßen jenen berühmten Popometer, den man für Motorsport-Erfolge so dringend braucht? Es ist jedenfalls die geläufigste Erklärung auf diese Frage.
Eine andere Frage: Wie gut ist Valtteri Bottas? Gegen Pastor Maldonado wird er es schwer haben, denn der Venezuelaner ist besonders im Qualifying besonders schnell. Ein Schlüssel wird der Umgang mit den Pirelli-Reifen sein. Die kennt Bottas schon: Aus den Trainingssitzungen 2012, aber auch aus der GP3, die er 2011 gewonnen hat. Sein Titelgewinn war nicht dominant: In den ersten acht Rennen gab es nur einen Podestplatz, dann aber drehte er die Meisterschaft in der zweiten Hälfte der Saison noch zu seinen Gunsten um. Das erinnert stark an die GP3-Saison 2012 des Deutschen Daniel Abt – nur hat der den Titel knapp verpasst und unterlag Mitch Evans, dem vielleicht nächsten neuseeländischen F1-Piloten. Sowohl Abt als auch Bottas fuhren für das ART-Team.
Bottas kann also Meisterschaften gewinnen. Das zeigte er 2011 in der GP3, das zeigte er aber auch 2008 im in der Regel sehr gut besetzten Formel-Renault-2.0-Eurocup. Hier gab Bottas 2007 im finnischen Koiranen-Team sein internationales Formel-Debüt und gewann 2008 den Titel im deutschen Team von Timo Rumpfkeil. Nur in der F3-Euroseries ging er leer aus: 2009 und 2010 wurde er mit ART zwei Mal in Folge Gesamt-Dritter.
Talent hat Valtteri Bottas also allemal. Aber wie sehr wirkt sich die Saison 2012 aus, in der er ja keine Rennen fuhr? 15 Mal durfte er im ersten Freien Training in den Williams Renault klettern und Trainingsrunden absolvieren. Immer anstelle von Bruno Senna, dessen Leistungen dadurch natürlich auch noch einmal in einem anderen Licht erscheinen. Aber Rennen gefahren ist Bottas 2012 eben keine. Die Chancen dazu gab es: Das Tech-1-Team hätte Bottas wohl in die Formel-World-Series-by-Renault geholt. So wie auch Jules Bianchi, der den Titel knapp verpasste und auch F1-Freitagstestfahrer war, für Force India. Bottas erklärte im Frühling 2012 gegenüber „Autosport“: „Ein Jahr ohne Rennen wird keinen Schaden anrichten. Schließlich fahre ich Rennen, seit ich sechs Jahre alt bin.“
Der Fokus auf die Formel-1 zu richten, war vielleicht auch richtig. Wie schon zuvor Nicolas Hülkenberg wurde Bottas in alle Bereiche des Teams eingearbeitet. Nicht nur an der Rennstrecke, auch im Williams-Werk in Grove. Die Aussagen, die Bottas den Ingenieuren gemacht hat, sollen angeblich äußerst hilfreich gewesen sein.
Privat läuft es für Bottas auch perfekt – da braucht man nur mal nach der bildhübschen Emilia Pikkarainen zu googeln: Die fesche Blondine ist eine erfolgreiche Schwimmerin und mit Bottas seit längerer Zeit liiert. Beide leben miteinander – aber eben vor allem auch für den Sport.
Im Umfeld von Valtteri Bottas ist auch Mika Häkkinen aktiv. Der F1-Weltmeister von 1998 und 1999 kümmert sich wie Wolff um die Management-Firma, die Bottas betreut. Wolffs neue Rolle bei Mercedes könnte für Bottas ein Steigbügelhalter sein. Sollte er bei Mercedes überzeugen, könnte Bottas eines Tages Mercedes-Werkspilot werden. Sollte es in der Formel-1 nicht so laufen, dann könnte Bottas aber auch bei Mercedes in der DTM starten. Doch daran denken Bottas jetzt natürlich noch nicht. Der nächste fliegende Finne zu werden – das ist das ultimative Ziel.
Bei Williams ist man sich sicher: Bottas wird in der ersten Saisonhälfte eine gewisse Eingewöhnungszeit brauchen. Diese Aussagen kamen allerdings von Wolff, als der noch die Rechte Hand von Frank Williams war. Wolff hat als Teilhaber seine Finger bei Williams noch im Spiel, aber andererseits gibt es eben auch die finanzielle Schlinge, die sich immer enger um die einzelnen F1-Teams zieht. Sollte Bottas nicht überzeugen, könnte noch 2013 ein anderer Bezahlfahrer den Platz übernehmen. Wahrscheinlich ist das nicht, aber auch nicht ausgeschlossen.