Stoffel Vandoorne ist einer der viel versprechendsten Nachwuchsfahrer aller Zeiten. Obwohl die Saison noch gar nicht vorbei ist, hat sich der Belgier vorzeitig die GP2-Meisterschaft gesichert. Damit erfüllt er alle Voraussetzungen für ein F1-Cockpit – aber für Vandoorne bleibt wohl nur eine Ersatzfahrerrolle übrig.
Der Vater von Stoffel Vandoorne ist Architekt. Der Auftrag, der das Leben seiner Familie am meisten veränderte, war der Entwurf einer Kartbahn. Vandoorne Senior nahm seinen Sprössling mit, setzte ihn in ein Kart – und von da an war es um Vandoorne geschehen. Es war der Startpunkt einer bislang beeindruckenden Karriere: 2010 gab er im F4-Eurocup-1,6 sein Debüt im Formel-Sport und wurde auf Anhieb Meister. Es folgte Rang drei in der Formel-Renault-NEC-Meisterschaft, 2012 im Team des Deutschen Josef Kaufmann der Titel im Formel-Renault-Eurocup, 2013 die Vizemeisterschaft in der WSbR, 2014 die Vizemeisterschaft in der GP2, jetzt der Titel in der zweiten Liga des GP-Sports.
Sein Teamchef Frédéric Vasseur ist voll des Lobes über den 23-Jährigen. Er wundert sich, dass kein Team Interesse an Vandoorne zeigt. „Wir können nicht akzeptieren, dass es ein Kerl, der alles gewonnen hat, nicht in die Formel-1 schafft, das führt das Leitersystem ad absurdum.“ Seit 1967 wird in der Liga unterhalb der Formel-1 eine Meisterschaft ausgetragen, erst die europäische Formel-2, dann die internationale Formel-3000, seit 2005 die GP2. Seither wurden 49 Meister gekürt, die meisten davon schafften es bereits im folgenden Jahr in die Formel-1.
Alonso: „Zukünftiger F1-Star“
Vandoorne ist jetzt der vierte Champion in Folge, dem das nicht gelingt. Zu Davide Valsecchi, Fabio Leimer und Jolyon Palmer gibt es aber einen entscheidenden Unterschied: Seine drei Vorgänger fuhren viele Jahre in der GP2, quasi so lange, bis ihre Erfahrung eine unschlagbare Waffe war. Vandoorne brauchte dafür nur zwei Jahre – und war schon letztes Jahr in Schlagdistanz. Wer auf Anhieb vorne mitfährt, der hat zweifelsfrei richtig viel Talent.
Selbst Fernando Alonso, zweimaliger F1-Weltmeister, spricht von einem „zukünftigen F1-Star“ im Zusammenhang mit Vandoorne. Der Spanier muss es wissen: Er arbeitet bei McLaren mit Vandoorne zusammen. Vandoorne ist nämlich McLaren-Junior, testet daher auch immer wieder für McLaren. Die Verbindung zu McLaren stellte übrigens Ex-F1-Fahrer Alexander Wurz her, der sich im Auftrag des Automobilweltverbandes FIA als Nachwuchscoach engagiert.
McLaren ist in der Vergangenheit immer wieder ein Wagnis eingegangen und hat auf junge Fahrer gesetzt. Doch 2016 bleiben die Oldies Fernando Alonso und Jenson Button an Bord – beide haben zusammen mehr als 500 Grand Prix absolviert. Vor allem McLaren-Motorpartner Honda spricht sich offenbar für beide aus.
2016 in der Super-Formula?
Immerhin rückt Vandoorne 2016 in der Hierarchie bei McLaren auf, weil Kevin Magnussen – ein weiteres großes Talent – vor die Tür gesetzt wurde. Um als Ersatzfahrer nicht einzurosten, wird über eine Saison in der japanischen Super-Formula spekuliert. Dort ist Honda engagiert, dort kommen richtig schnelle Formel-Rennwagen zum Einsatz und dort fährt auch Audi-Sportwagenwerksfahrer André Lotterer – und das sehr erfolgreich.
Zuletzt machten sich Vandoorne auch noch Hoffnungen darauf, dass er bei Lotus ein Cockpit ergattert. Das Team soll von Renault geschluckt werden. Schenkt man den neuesten Gerüchten Glauben, dann wird Frédéric Vasseur neuer Teamchef, also jener Mann, der es erst vor wenigen Wochen als inakzeptabel bezeichnete, dass Vandoorne keinen Platz in der Königsklasse des Motorsports findet. Lotus hat aber erst am Wochenende Jolyon Palmer für 2016 befördert. Auch Palmer musste sich 2015 als GP2-Meister zunächst mit der Rolle des Ersatzfahrers zufrieden geben, ist jetzt aber befördert worden. Auf das hofft nun auch Vandoorne.
Alle Zweitligameister und was sie im folgenden Jahr machten
1967 Jacky Ickx (Tyrrell) => Formel-1 mit Ferrari
1968 Jean-Pierre Beltoise (Matra) => Formel-1 mit Matra
1969 Johnny Servoz-Gavin (Matra) => Formel-1 mit Tyrrell
1970 Clay Regazzoni (Tecno) => Formel-1 mit Ferrari
1971 Ronnie Peterson (March) => Formel-1 mit March
1972 Mike Hailwood (Surtees) => Formel-1 mit Surtees
1973 Jean-Pierre Jarier (March) => Formel-1 mit Shadow
1974 Patrick Depailler (March) => Formel-1 mit Tyrrell
1975 Jacques Laffite (Elf) => Formel-1 mit Ligier
1976 Jean-Pierre Jabouille (Elf) ) => Formel-1 mit Renault
1977 René Arnoux (Renault) => Formel-1 mit Renault
1978 Bruno Giacomelli (March) => Formel-1 mit Alfa Romeo
1979 Marc Surer (March) => Formel-1 mit ATS
1980 Brian Henton (Toleman) => Formel-1 mit Toleman
1981 Geoff Lees (Ralt) => Formel-1 mit Lotus
1982 Corrado Fabi (March) => Formel-1 mit Osella
1983 Jonathan Palmer (Ralt) => Formel-1 mit RAM
1984 Mike Thackwell (Ralt) => Formel-3000 mit Ralt
1985 Christian Danner (BS) => Formel-1 mit Osella
1986 Ivan Capelli (Genoa) => Formel-1 mit Leyton House
1987 Stefano Modena (Onyx) => Formel-1 mit EuroBrun
1988 Robert Moreno (Bromley) => Formel-1 mit Coloni
1989 Jean Alesi (Jordan) => Formel-1 mit Tyrrell
1990 Erik Comas (DAMS) => Formel-1 mit Ligier
1991 Christian Fittipaldi (Pacific) => Formel-1 mit Minardi
1992 Luca Badoer (Crypton) => Formel-1 mit Scuderia Italia
1993 Oliver Panis (DAMS) => Formel-1 mit Ligier
1994 Jean-Christophe Boullion (DAMS) => Formel-1 mit Sauber
1995 Vincenzo Sospiri (Super Nova) => IndyCar mit Scandia
1996 Jörg Müller (RSM Marko) => F1-Testfahrer mit Arrows
1997 Ricardo Zonta (Super Nova) => FIA-GT mit Mercedes
1998 Juan-Pablo Montoya (Super Nova) => IndyCar mit Ganassi
1999 Nick Heidfeld (West) => Formel-1 mit Prost
2000 Bruno Juncqueira (Petrobras) => IndyCar mit Ganassi
2001 Justin Wilson (Nordic) => WSbR mit Racing Engineering
2002 Sébastien Bourdais (Super Nova) => IndyCar mit Newman Haas
2003 Björn Wirdheim (Arden) => F1-Testfahrer mit Jaguar
2004 Vitantonio Liuzzi (Arden) => Formel-1 mit Red Buöö
2005 Nico Rosberg (ART) => Formel-1 mit Williams
2006 Lewis Hamilton (ART) => Formel-1 mit McLaren
2007 Timo Glock (iSport) => Formel-1 mit Toyota
2008 Giorgio Pantano (Racing Engineering) => Formel-Superleague mit Azerti
2009 Nico Hülkenberg (ART) => Formel-1 mit Williams
2010 Pastor Maldonado (Rapax) => Formel-1 mit Williams
2011 Romain Grosjean (DAMS) => Formel-1 mit Lotus
2012 Davide Valsecchi (DAMS) => F1-Testfahrer mit Lotus
2013 Fabio Leimer (Racing Engineering) => WEC mit Rebellion
2014 Jolyon Palmer (DAMS) => F1-Testfahrer mit Lotus
2015 Stoffel Vandoorne (ART) => F1-Testfahrer mit McLaren