Perez: Die große Unbekannte
McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh prophezeit: Die F1-Welt wird sich für Sergio Perez ab 2013 anders da stellen, denn jetzt fährt der 22-Jährige in einem Topteam. Hier ist Arbeit, Fleiß und bedingungsloser Einsatz gefragt. Und weniger Fehler als in der zweiten Saisonhälfte 2012. Whitmarsh ist sich sicher, dass Perez nicht den blassesten Schimmer davon hat, was auf ihn zukommen wird. Er wird gewaltig unter Druck stehen.
War das schon 2012 zu spüren? Plötzlich reihten sich bei Perez Fehler an Fehler, ausgerechnet, seit der Vertrag mit McLaren bekannt wurde. Noch beim Italien GP gab es die Sensationsfahrt auf Rang zwei, danach aber schmiss er Punkte und Chancen weg, so etwa beim Japan GP. Weil auch Kamui Kobayashi immer wieder patzte und auch noch langsamer als Perez war, wurde Sauber am Ende doch nur WM-Sechster – Mercedes war aber in Reichweite. Spürte Perez da schon den Druck, jetzt ein Topfahrer zu sein? Jetzt mussten die Ergebnisse kommen, denn jetzt erwarten es die Zuschauer, vorher waren starke Resultate Sensationen.
So wie die erste Perez-Sensation 2012: Platz zwei beim Malaysia GP. Mehr noch: Der Mexikaner hätte das Rennen gewinnen müssen. Aber der routinierte Fernando Alonso wehrte die Perez-Angriffe ab, trieb ihn sogar in einen kleinen Fehler. Bei Sauber freute man sich trotzdem über Rang zwei: Peter Sauber, ein Mann mit Stil. Perez gab ihm einen Finger, er nahm nicht gleich die ganze Hand. Rang zwei war für Sauber schon ein Sieg.
Aber Malaysia ist eben auch so ein Beispiel, dass Sergio Perez immer wieder der Fehlerhexe unterliegt. Aber was wäre die bessere Wahl für McLaren gewesen? Paul di Resta? Eher nicht, von Nicolas Hülkenberg 2012 bei Force India klar entzaubert. Nicolas Hülkenberg selber? Vielleicht, aber auch er konnte den Druck vor dem ersten GP-Sieg zu stehen, nicht standhalten. Beim Saisonfinale 2012 in Brasilien glänzte er mit einer überwältigende Fahrt bei schwierigen Misch-Bedingungen. Er überholte die beiden McLaren-Piloten Jenson Button und Lewis Hamilton – aber zwei Fehler, darunter eine Kollision mit Hamilton, sorgten am Ende nur für Rang fünf statt für den Sieg.
McLaren hätte sich natürlich auch einen Routinier holen können: Mark Webber zum Beispiel, aber als klar wurde, dass Hamilton wirklich von McLaren weggeht, hatte der Australier längst bei Red Bull verlängert. Webber versus Button – gewiss ein äußerst reizvolles Duell, bei dem Webber durchaus eine Chance gehabt hätte. Oder Kimi Räikkönen, der schon zwischen 2002 und 2006 bei McLaren um den WM-Titel fuhr und ihn 2003 und 2005 jeweils nur knapp verlor. Räikkönen bei McLaren hätte eigentlich gepasst und der Finne hätte möglicherweise auch von Lotus weggehen können – aber es kam eben nicht zur Verpflichtung des Weltmeisters von 2007.
Sergio Perez hat eben auch seine Vorzüge: Seine Fehler auf der einen Seite, aber meistens gibt es da seine Routine auf der anderen Seite. Routiniert war beispielsweise seine Entscheidung beim Kanada GP 2011, Pedro de La Rosa in den Sauber Ferrari steigen zu lassen. Nach dem Training merkte Perez doch noch Nachwirkungen des schweren Quali-Unfalls in Monaco. Nicht jeder hätte das gemacht, Fahrer steigen immer erst aus, wenn es ja nicht mehr geht. Die Zeiten wie in den 30er Jahren, als Tazio Nuvolari, Rudolf Caracciola und Konsorten noch vergibst und schwach ins Auto zu anstrengenden GP-Rennen gehoben werden mussten, sind längst vorbei: Die Ärzte würden heute keine Startgenehmigung mehr erteilen. Aber bei Perez gaben die Ärzte Grünes Licht…
Routiniert war auch seine erste F1-Ausfahrt in Australien 2011. Von Anfang an fiel sein schonender Umgang mit den Reifen auf. Als einziger kam er mit einer Einstoppstrategie durch, fuhr auch in die Punkte, wurde aber disqualifiziert. Genau wie bei seinem Teamkollegen Kamui Kobayashi gab es technische Unstimmigkeiten am Heckflügel – banal, eine Widrigkeit, die Sauber keine Vorteile gab, aber Reglement ist eben Reglement.
Der schonende Fahrstil ist Perez’ Stärke. Da passt er perfekt zu Jenson Button. Beide haben aber dafür Probleme, die Pneus im Qualifying auf Temperatur zu gewinnen. Die meisten seiner starken Resultate fuhr Perez von recht miesen Startplätzen ein. Mit dem Wissen, dass Button und Perez ähnliche Fahrstile haben, kann McLaren aber auch den Boliden konstruieren: In dem man einen Rennwagen auf Kiel legt, der die Reifen zwar härter ran nimmt (was mit den Fahrstilen kompensiert werden kann), der aber auch schneller Temperatur in die Reifen bringt – um die Quali-Schwächen zu egalisieren. Solche Eigenschaften in die Konstruktion einfließen zu lassen ist durchaus leicht machbar und geschieht vor allem an der Radaufhängung. Aber so was muss auch von Anfang an in die Pläne integriert werden. Sauber hatte beispielsweise einen reifen schonenden Wagen konstruiert – der harmonisierte auch mit Perez. Es ist vor allem dieser Fahrstil, den Perez so stark macht. Weil die Pirelli-Reifen eben schnell verschleißen. In den Nachwuchsserien ist Perez deswegen auch kaum aufgefallen, erst als er 2010 in der GP2 mit Addax Vizemeister wurde.
Jeder fragt sich aber auch: Schielt McLaren mit der Perez-Verpflichtung auch auf die geberfreundlichen Sponsoren aus Mexiko? Whitmarsh schließt nicht aus, dass es in Zukunft Sponsoren aus Mexiko geben wird, stellt aber auch klar, dass Perez regulär bezahlt wird – „und das nicht schlecht.“ Perez – vom Bezahlfahrer zum bezahlten Topfahrer. Jahrelang wurde er von der Telmex-Firma des reichsten Mannes der Welt gefördert: Carlos Slim. Die Telmex-Gelder bleiben aber bei Sauber, weil das schweizer Team als Perez-Ersatz Esteban Gutiérrez angeheuert hat.
Mit dem Wechsel von Perez zu McLaren fliegt er freilich auch aus dem Ferrari-Juniorkader. Ferrari hat lange gezögert, Perez als Ersatz für Felipe Massa an Bord zu holen. Jetzt hat man ihn verloren.
Ferrari ist weg, aber Perez hat noch viele wichtige Männer hinter ihm. Zum Beispiel den Manager Adrián Fernandez: Der ehemalige IndyCar-Meister stand 1997 bei Tyrrell selbst kurz vor einer F1-Karriere, aber Fernandez blieb letztlich in der USA und gewann einige IndyCar-Rennen, auch mit seinem eigenen Rennstall, der angeblich wiederbelebt werden soll – in der IndyCar oder in der amerikanischen Sportwagenszene, die sich nach der Vereinigung von GrandAm und American-Le-Mans-Serie wieder in eine starke Position bringen will.
Unterstützt wird Perez auch von seiner Familie: Bruder Antonio Perez fährt selbst Rennen, gewann 2012 mit einem Chevrolet zwei Läufe der mexikanischen Nascar-Serie. Antonio Perez ist 26 Jahre alt, in der Formel-1 werden wir ihn wohl nicht mehr sehen.
Mexikanische Brüder waren dabei bisher die erfolgreichsten Mexikaner in der Formel-1: Ricardo und Pedro Rodriguez. Beide verstarben den Unfalltod, beide waren extrem talentiert. Pedro gewann zwei GP-Rennen, zuletzt 1970 das Regenrennen in Belgien. Seither wartet Mexiko auf den nächsten F1-Sieg, Perez könnte ihn 2013 mit McLaren bringen. 1967 gewann Pedro Rodriguez das Auftaktrennen in Südafrika – sehr zum Ärgernis von Cooper-Maserati-Teamkollege Jochen Rindt. Das Verhältnis zwischen Rindt und Cooper-Chef Roy Salvadori war nicht besonders gut.
Seine F1-Bilanz
2011 Gesamt-16. im Sauber Ferrari
2012 Gesamt-10. im Sauber Ferrari