Wie oft haben wir dieses Thema schon versucht zu verstehen, aber der Iceman macht es einem wirklich nicht leicht. Und so vertröstet man sich immer von einem zum nächsten GP und hofft, denn die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Ich gebe zu, dass ich eher Massa-file bin und trotztdem bewundere ich diesen wortkargen, introvertierten und einzigartigen Rennpiloten. Ich mag es, dass er wenig Allüren hat, mit wenigen Worten, dafür um so mehr Taten seiner Arbeit für sich selbst sprechen lässt. Felipe hat sich da vom amtierenden WMer bestimmt eine gute Scheibe von abgeschaut, denn auch der sonst eher als heissblütiger oder übermotivierte hingestellte Brasilianer Massa hat im Rekordtempo dazugelernt und ist jetzt eine echte Bedrohung für den Amtierenden WMer geworden. Die Zeit spielt auch nicht für Kimi.
Ich verstehe nicht, warum sich ein Piloten-ass wie der Iceman sich jetzt nicht zusammenreisst? Das muss & hat andere Gründe. Könnte es wirklich an FA wieder einmal liegen? Nicht umsonst unterstellt man Kimi Räikkönen gerne, er wäre den F1-Zirkustrubel müde, zerstreut, lustlos, ja fast schon demotiviert.
Weiß wohl selbst nicht so genau wie seine Zukunft aussieht: Kimi Räikkönen. Aber noch lange kein Grund sich zu verstecken, auch wenn seine Performance heute wiedermal zu wünschen übrig ließ. SPA. Dass er so farbig wirkt wie eine Kopfschmerztablette, gibt bei Kimi Räikkönen keineswegs Anlass zur Sorge. Es ist sein Image. Mit gesteigertem Desinteresse an allem außer Rennfahren will der Weltmeister beim Start in das entscheidende Drittel der Formel-1-Saison am Wochenende beim Großen Preis von Belgien aus der Krise fahren. Keiner braucht ein Erfolgserlebnis so dringend wie der Titelverteidiger.
Zuletzt in Valencia ging ihm der Motor im Ferrari hoch, der Tiefpunkt eines verhunzten Rennens, das symptomatisch war für die vergangenen Monate des Titelverteidigers - beim Tankstopp hatte der Finne auch noch einen Mechaniker mitgerissen. Die Krise ist nicht bloß gefühlt, sie lässt sich an Fakten ablesen: Räikkönen, 28, hat seit April keinen Grand Prix mehr gewonnen. Er hat 13 Punkte Rückstand auf WM-Tabellenführer Lewis Hamilton, sieben Zähler liegt er hinter seinem Ferrari-Kollegen Felipe Massa. Nur 14 Pünktchen in den vergangenen vier Rennen, das bringt sogar einen Schweiger zu deutlichen Worten: "Für gewöhnlich fahre ich in Belgien gute Resultate ein. Nach den letzten Rennen brauche ich das diesmal mehr denn je." Das Gesetz der Serie spricht in den Ardennen für ihn: Er hat die letzten drei Rennen auf der anspruchsvollsten Strecke im WM-Kalender gewonnen.
Räikkönens Dilemma fängt immer wieder sonnabends an: Er kommt, ähnlich wie BMW-Pilot Nick Heidfeld, nicht mit den Reifen seines Dienstwagens klar, der Fahrstil bringt die Pneus nicht auf die richtige Temperatur. Wer aus der ersten Startreihe ins Rennen geht, hat in diesem Jahr eine 90-prozentige Siegchance. Wer es nicht schafft, kommt nur nach vorn, wenn etwas Unvorhergesehenes bei den anderen passiert. Sonst steckt er fest.
Ferrari und die Preisfrage
Die italienischen Gazetten fordern, dass sich Ferrari auf den eher als Beifahrer eingestellten Felipe Massa als Titelhoffnung konzentrieren möge. Doch zum Wechsel von Nummer eins und zwei ist man in Maranello noch nicht bereit, auch wenn die Schlagzeilen besagen: "Der Iceman schmilzt." Die Pferdchen zu wechseln ist auch eine Preisfrage: 25 Millionen Dollar, mehr als das Doppelte von Massa, soll Räikkönen als Jahresgage kassieren. Doch die Situation bei der Scuderia wirkt, als seien die Charaktere über Nacht vertauscht worden: Der Brasilianer erscheint unbeirrbar und dominant, der Finne zerstreut und lustlos. Kein Wunder, dass die Gerüchte nicht verstummen wollen, Räikkönen werde zum Saisonende aufhören und durch Fernando Alonso ersetzt - da kann Ferrari-Chef Luca di Montezemolo noch so leidenschaftlich dementieren. Es ist wenig hilfreich, dass Räikkönen wiederholt, er habe "keine Idee", wie lange er noch in der Formel 1 sei. Sein Vertrag läuft bis Ende 2009. Vermarkter Bernie Ecclestone bezweifelt, ob der Titelverteidiger die Formel 1 je geliebt hat. Aber mit seiner Gleichgültigkeit ist Räikkönen erst das geworden, was er ist: der schnellste Formel-1-Pilot - wenn alles um ihn herum stimmt.
Haug und die Nerven
Für Miesmacher gibt es von Räikkönen bestenfalls ein mitleidiges Lächeln: "Aufgeben, das entspricht nicht meinem Charakter." Man erinnere sich an den vorigen Herbst: Mit einer ähnlichen Einstellung hat er aus der unmöglichen Situation mit 18 Zählern Rückstand vor den letzten beiden Rennen seinen ersten WM-Titel noch möglich gemacht. "Ich traue Kimi speziell in Spa alles zu, in diesem Jahr ist es für ihn eine Art letzte Chance", sagt Mercedes-Sportchef Norbert Haug, der zu Räikkönens Freunden gezählt werden kann. Dass der Fahrer Nerven zeigt, glaubt Haug nicht: "Ich weiß gar nicht, ob Kimi überhaupt welche hat." Gefühle immerhin sind da, wie Räikkönen bestätigt: "Eine perfekte Runde in der Formel 1 ist besser als Sex." Daraus spricht die Gier, endlich wieder Befriedigung zu spüren. Auch deshalb wäre es zu früh, ihn abzuschreiben.
Auch 2007 war das Auto, mit dem er Champion wurde, nicht nach seinem Geschmack. Die Traktionskontrolle hat manches kaschiert. In diesem Sommer aber ist der Durchhänger so, dass der Durchbruch folgen muss. Dass Massa mit mehr Schwung in die Kurven geht als er, ist im doppelten Sinn wörtlich zu nehmen. Gedanklich schaltet der Weltmeister kurz in den Rückwärtsgang: "Wenn ich früher mit schlechten Noten nach Hause kam, konnte ich nur eins tun: noch härter arbeiten. Das ist auch in der Formel 1 das Einzige, um mich aus der negativen Situation zu befreien." Das Desinteresse an seiner öffentlichen Wirkung ist sein Schutz: "Schlechte Stimmung verfliegt bei mir so schnell, wie sie kommt."
Gut drauf sein, das heißt für Räikkönen Freiheit. Ferrari gibt sie ihm, das ist der Unterschied zum dominanten McLaren-Chef Ron Dennis. Räikkönen darf seinen Hund mit zur Strecke bringen, seine Kumpels, nur den Wodka nicht. Und wenn er eines Morgens dann doch auf einem aufblasbaren Schwimmtier mitten in einem Pool treibend aufwacht? Privatsache, so lange die Leistung stimmt. Es geht um die Frage: Was kann Kimi Räikkönen aus seinen Freiräumen machen?
In Belgien wird er auf Sieg fahren wie kein anderer, das ist sein einziger Zwang. Ansonsten wird er abwesend wirken. Keine Sorge, dann ist er ganz bei sich.
(Quelle)PS: Glaubt jemand wirklich, dass FA sich ernsthaft für Honda entscheiden würde?