Di Resta: Besser als Vettel?
Ist Paul di Resta der Verlierer des Transferkarussells? Natürlich hätte es für den Schotten auch noch ärger kommen können: Im Zuge eines angeblichen Force-India-Teamverkaufs hätte auch Di Resta ausgewechselt werden können – gegen einen Bezahlfahrer. Aber der Schotte durfte zumindest bei Force India bleiben.
Aber er arbeitete mit Hochdruck daran, ein Topcockpit zu ergattern. Dafür wechselte er sogar sein Management aus. Bisher wurde er ja von Anthony Hamilton gemanagt, dem Vater von Ex-Weltmeister Lewis Hamilton. Jetzt wird er vom selben Manager betreut, wie auch Jenson Button. Mindestens das sollte Di Resta nahe zum McLaren-Cockpit bringen. Aber McLaren entschied sich für Sergio Perez! Kritiker finden: Perez macht mehr Fehler als Di Resta, der Schotte wäre die logischere Wahl gewesen.
Andere geben McLaren recht: Perez hat mehr Potenzial gezeigt. Di Resta hatte in seiner F1-Karriere bisher zwei Highlights: Seine starke Debütphase 2011, als er aus dem Stand heraus schneller war als Adrian Sutil, der seit 2007 Stammfahrer bei Force India war. Sowie die Fahrt auf Rang vier beim Singapur GP 2012. Besser war Di Resta noch nie in einem F1-Rennen platziert. Ein Treppchen blieb ihm also bisher verwehrt. Überhaupt scheint ihm die Strecke in Singapur perfekt zu liegen: In beiden Jahren holte er sich beim Nachtrennen die beste Platzierung: 2011 wurde er auf dem anstrengenden Tropen-Stadtkurs Sechster, 2012 Vierter.
Di Resta fährt konstant. 2011 absolvierte er 1105 von 1133 Rennrunden – mehr wie jeder andere im F1-Feld. Und das als Rookie! Keine Fehler, keine Unfälle – aber eben auch farblos. Di Resta gilt als schüchterner Charakter, smart, sympathisch, aber für die Fans irgendwie unnahbar. Heute ist der Marketingwert aber einer, der selbst in Topteams so wichtig ist wie der Wert des Blutdrucks. Fahrer müssen sich verkaufen können, man muss mit den Topfahrern Geld machen können. Aus seinem Umfeld ist zu hören: Alles Quatsch, Di Restas Bild ist ein Konstrukt der Medien. Die Briten haben mit Lewis Hamilton und Jenson Button eben schon zwei Stars.
Di Resta ist aber auch Schotte. Die erfolgreichsten Briten kamen aus Schottland: Jim Clark natürlich, oder auch Jackie Stewart. Der war immer stolz auf seine Herkunft. Als er 1997 sein eigenes F1-Team gründete, wurden die weißen Stewart-Renner mit einem schottischen Karo-Streifen versehen. Schotten sind immer wieder schnell: Der letzte war David Coulthard, der bei Williams und McLaren mehrere GP-Rennen, aber nie den WM-Titel gewann. 2001 wurde er im McLaren Mercedes Vizemeister, 2008 bestritt er für Red Bull sein letztes F1-Rennen.
Spitzenteams suchen Fahrer mit dem gewissen Etwas. Konstanz in allen Ehren – aber konstant waren auch Fahrer wie Giancarlo Fisichella, Rubens Barrichello und Konsorten. Man muss Highlights setzen wie die zweiten Plätze von Perez 2012 in Malaysia und Italien. Nur so drängt man sich auf. Nicolas Hülkenberg hat in Brasilien außerdem gezeigt, dass der Force India Mercedes von 2012 durchaus auch Überraschungen hergab. Zwar machte der Deutsche zwei Fehler, die ihn den Sensations-Sieg kosteten, aber am Ende landete er als Fünfter eben immer noch vor Di Resta – und es war eben Hülkenberg, der das Highlight des Jahres für Force India setzte.
Bei drei Spitzenteams wurde der Name Di Resta gehandelt. Neben McLaren war das bei Ferrari und bei Mercedes. Bei Ferrari war er sogar während der Saison als Ersatz für den in der Kritik stehenden Felipe Massa im Gespräch. Aber auch bei Mercedes rechnete sich Di Reste große Chancen aus. Immerhin hat Di Resta mit Mercedes sein bisheriges Karrierehighlight gefeiert: Den DTM-Titel 2010. Nur die wenigsten schaffen den Weg in die Formel-1 über die DTM.
Di Resta will unbedingt ein F1-Stammcockpit. Er glaubt: Er ist besser als Weltmeister Sebastian Vettel! Natürlich hat jeder F1-Fahrer ein gesundes Selbstvertrauen, aber Di Resta argumentiert mit Fakten: Er hat 2006 in der F3-Euroseries gewonnen, vor Vettel – und das im selben Team (ASM)! Freilich gab es damals auch Verschwörungstheorien: ASM war damals ein Juniorteam von Mercedes, Di Resta auch Mercedes-Junior, Vettel aber vom deutschen Konkurrenzhersteller BMW. Doch von solchen Theorien will Di Resta nichts wissen.
Kampfgeist ist außerdem ein DNA-Bestandteil von Di Restas Familie. Viele Sportler sind im familiären Umkreis zu finden. Der bekannteste ist Dario Franchitti. Er testete seit den 90er Jahren immer wieder für verschiedene F1-Teams, wie Footwork, McLaren und Jaguar. F1-Rennen bestritt Franchitti zwar nie, aber dafür gewann er mehrmals die IndyCar-Meisterschaft, die amerikanische Formel-1. Zuletzt 2011 im Team von Chip Ganassi. Darios Bruder Mario Franchitti fährt in den Staaten Sportwagenrennen. Und auch Paul di Restas Vater war Rennfahrer, gewann vier Mal die schottische Formel-Ford-Meisterschaft. Pauls Bruder Stefan di Resta fährt Kartrennen.
Und dann gab es auch noch den Stiefvater Dougie McCracken. Er war Profi-Fußballer, starb aber 2011 erst 46-jährig! Gerade um den Türkei GP herum. Es war wohl das schwierigste Rennwochenende von Paul di Resta in seiner gesamten Karriere.
Auffallend: Immer ist die erste Saisonhälfte die starke von Paul di Resta. Oder haben seine Teamkollegen in der zweiten Saisonhälfte immer nachgezogen. Bei Hülkenberg würde das Sinn machen. Der Deutsche hatte 2011 ein Jahr Pause einlegen müssen, kam bei Force India nur als Freitagstestfahrer zum Zug. Aber was war dann anfangs 2011 mit Adrian Sutil los? Er fuhr seit 2007 im Force-India-Team, während Di Resta neu ins Team und neu in die Formel-1 stieß.
Seit 2002 ist Paul di Resta im internationalen Motorsport aktiv (außer Kartrennen). Seit 2011 ist er in der Formel-1. Nach seiner F1-Karriere wird er wohl wieder in die DTM zurückgehen und seinen zweiten Titel holen werden. Aber bis dahin hat er noch in der Formel-1 offene Rechnung. Zum Beispiel eine gegen Sebastian Vettel. Di Resta will zeigen: Er kann den Deutschen auch in der Königsklasse des Motorsports schlagen. Aber ob es dazu kommt, ist höchst fraglich. Di Resta wurde schon dieses Jahr von vielen Topteams abgelehnt. Aber nächstes Jahr könnte sich eine neue Chance auftun. Wieder laufen Verträge von Topfahrern aus, zum Beispiel der von Mark Webber bei Red Bull oder der von Felipe Massa bei Ferrari.
Seine F1-Bilanz
2011 Gesamt-13. im Force India Mercedes
2012 Gesamt-14. im Force India Mercedes