Maldonado: Ein ganzes Land hinter sich
Seit Belgien 2012 ist Pastor Maldonado nicht mehr der große Crash-Pilot der Formel-1. Der Startcrash, den Romain Grosjean da auslöste, übertraf die Rempeleien, die sich Maldonado zuvor geleistet hat. Wie in Valencia, als er auf dem Weg zu einem Treppchen mit Lewis Hamilton zusammenstieß. Der Massencrash in Spa stellte das alles aber im Schatten – und auch Maldonados weniger ruhmreiche erste Runde, die ebenfalls mit einer Kollision endete. Und die spektakulär angefangen hat: Sein furioser Frühstart, sowie der rauchende Sauber Ferrari von Kamui Kobayashi führte zu einem der kuriosesten Startwirrungen. Einen solchen Start erlebt die Formel-1 nicht oft.
Maldonado und Grosjean waren die Crashpiloten 2012. Schon beim Auftakt in Melbourne, als Maldonado und Grosjean sogar miteinander kollidiert sind! Spa 2012 führte zu einer Rennsperre von Grosjean. Das kann Maldonado aber noch übertreffen: In Monaco 2005 war er und ein weiterer Pilot in einen Unfall in Monaco verstrickt, der eine Sperre von vier Rennen zur Folge hatten. Damals missachteten sie die gelben Flaggen und fuhren einen Streckenposten über den Haufen, der sich daraufhin verletzte. Maldonado entschuldigte sich.
Damals fuhr er für das DAMS-Team in der Formel-World-Series-by-Renault. Maldonado kam als Renault-Junior zu DAMS in die WSbR. Die Aufnahme in den Juniorenkader von Renault hat vielleicht verhindert, dass Maldonado schon 2005 das F1-Debüt gegeben hat. Im November 2004 absolvierte er seine erste F1-Testfahrt im Minardi Ford und überzeugte Teambesitzer Giancarlo Minardi bis aufs Mark – aber eben auch die Renault-Nachwuchsspäher. Die Rundenzeiten sind auch deshalb so stark einzuschätzen, weil Maldonado bis dato nur in der Zweiliterklasse der Formel-Renault unterwegs war: 2004 wurde er für Cram Meister der italienischen Formel-Renault.
Das ist eben die andere Seite von Maldonado: Der unglaubliche Speed. Den stellt er auch in der Formel-1 immer wieder unter Beweis. Maldonado gilt als herausragender Qualifier, Startplatz zwei in Singapur ist der beste Beleg. Auch in Barcelona raste er in die Erste Startreihe, stand nach der Rückversetzung von Lewis Hamilton sogar auf der Pole-Position! Und das war der Grundstein zum sensationellsten GP-Sieg seit Jahren: Maldonado führte das britische Traditionsteam zurück auf die Siegesstraße – nach acht Jahren! Der letzte Williams-Sieger: Juan-Pablo Montoya 2004 im BMW Williams in Interlagos. Der Kolumbianer Montoya und der Venezuelaner Maldonado sind sich durchaus ähnlich, beide haben den Killer-Instinkt, beide aber auch eine enorme Grundschnelligkeit. Montoya war wahrscheinlich talentierte – und atemberaubend gut im Überholen.
Williams konnte den Sieg nicht wirklich feiern: Nach dem Rennen brach in der Williams-Box ein riesen Feuer aus! Ein Mechaniker wurde schwer, ein paar weitere leicht verletzt – und einiges an Equipment war völlig zerstört. Die knallharte Formel-1 rückte wieder zusammen: Andere Teams halfen nicht nur beim Löschen des Feuers (was ja eigentlich auch eine Selbstverständlichkeit ist), sondern auch darin, Williams für die nächsten Rennen mit Ersatz-Equipment auszustatten. Immerhin war der finanzielle Schaden für das Team gering: Alles war versichert.
Apropos Finanzen: Natürlich ist Pastor Maldonado ein Bezahlfahrer. Deshalb hätte er auch durchaus gute Karten gehabt, 2005 den F1-Platz bei Minardi zu ergattern. Einen schnellen Bezahlfahrer findet man nicht an jeder Ecke. Maldonado war noch etwas unerfahren, die Jahre in der WSbR, der Auto-GP (den Vorläufern), sowie der GP2 (Titel erst in der vierten Saison!) folgten ja erst noch. Die ganze Nation steht hinter Maldonado: Die staatliche Mineralölgesellschaft PDVSA schießt einen zweistelligen Millionen-Betrag dem Williams-Team zu. Damit wird Maldonados Platz gesichert. Okay, nicht die ganze Nation steht hinter Maldonado: Aus Reihen der Opposition wird das Sponsoring kritisiert. Deswegen schaut Maldonado derzeit wohl gespannt auf die Genesung von Staatschef Hugo Chávez, ein ausgesprochener Maldonado-Fan und Förderer des Venezuelaners.
Das Geld von PDVSA macht Maldonado auch für andere F1-Teams interessant. Nach dem Sieg in Barcelona wurde er sogar mit Ferrari in Verbindung gebracht! Felipe Massa war im Formtief und einen zahlungsfähigen Fahrer, der für Fernando Alonso den Wasserträger spielt, kann Ferrari immer gebrauchen. Der Sieg in Barcelona war vor allem ein Sieg gegen Alonso: Der Spanier schaffte es nicht, Maldonado zu überholen. Immer wieder holte sich der 27-Jährige genügend Vorsprung im Rechtsbogen vor Start-und-Ziel – so kam Alonso auf der Geraden auch mit dem DRS-System nicht an Maldonado vorbei. Mit dem Cosworth-Motor, den Williams bis Ende 2011 benutzte, hätte es Alonso wohl leichter gehabt – der ist nicht so leistungsstark wie der Renault-Motor, der jetzt im Williams-Heck heult. Wäre Maldonado wirklich zu Ferrari gewechselt, dann hätte er zumindest nicht umziehen müssen: Er lebt bereits in Italien.
Maldonado fuhr ja auch immer wieder in der Auto-GP-Vorgängerserie europäische Formel-3000, stationiert in Italien. 2006 verpasste Maldonado in der WSbR nur wegen einer Disqualifikation in Misano wegen technischen Ungereimtheiten den Titel – für das italienische Draco-Team. In der GP2 fuhr er fast ausschließlich für italienische Teams: 2007 für Trident, 2008 für Piquet, 2010 im Meister-Jahr mit Rapax. Nur 2009 fuhr er für das französische ART-Team. Meister wurde Maldonado erst in der vierten GP2-Saison, doch eine gewisse Erfahrenheit ist heute fast schon Voraussetzung für den Titel in der zweiten Klasse des GP-Sports. Außerdem hat Maldonado in jeder Saison mindestens ein Rennen gewonnen. Insgesamt deren zehn!
Woher kommt die Schnelligkeit von Pastor Maldonado? Schon sein Vater Pastor Maldonado Senior und sein Onkel Johnny Maldonado fuhren Rennen. In Seifenkisten in den Bergen (Ávila-Massiv) um die venezuelanischen Hauptstadt Caracas, wo auch der vor Maldonado letzter F1-Pilot geboren wurde: Johnny Cecotto.
Das Rennen um die Nachfolge von Johnny Cecotto war spannend: Eigentlich sollte sein eigener Sohn Johnny Cecotto jr. der nächste venezuelanischen F1-Pilot werden. Aber jetzt ist es doch Maldonado geworden. Cecotto jr. fährt 2013 für das Arden-Team der Familie Horner in der GP2. Die venezuelanischen Nachwuchsfahrer haben es jetzt aber schwer: Die staatlichen Förderungen konzentrieren sich auf Maldonado. Rodolfo Gonzalez, Giancarlo Serenelli, Johnny Cecotto jr. und andere venezuelanische Hoffnungsträger haben es jetzt sogar schwerer. Die Hoffnung aber besteht, dass die steigende F1-Begeisterung in Valencia weitere Geldgeber generiert, die dann auch auf die anderen Fahrer abfallen. In der GP2 fährt seit 2012 schon das Lazarus-Team, das Teilhaber und Investoren aus Venezuela hat.
Mit seinem Sieg in Barcelona hat Maldonado übrigens einen neuen Rekord aufgestellt: Noch nie war jemand in der Weltmeisterschaft schlechter platziert, der ein Rennen gewonnen hat! Maldonado wurde am Ende Gesamt-15., auf die Plätze 13 kamen Jimmy Bryan und Jean-Pierre Jabouille. Bryan 1958 mit seinem Epperly Offenhauser, er trat aber nur zum Indy-500 an. Jabouille 1979 im Renault.
Seine F1-Bilanz
2011 Gesamt-18. im Williams Cosworth
2012 Gesamt-15. im Williams Renault