Zum zweiten Mal saß Nico Rosberg in diesem Jahr in einem dominierenden Fahrzeug. Zum zweiten Mal wurde der Teamkollege Weltmeister – und dieses Jahr viel deutlicher als 2014. Dementsprechend sauer war er. Muss Rosberg jetzt das Team wechseln? Oder gibt es doch Chancen, den britischen Stallgefährten zu schlagen?
Statistiken sind Zahlen. Aber dahinter verbergen sich oft die ungewöhnlichsten Geschichten. Manchmal auch an Sarkasmus nicht zu übertreffen. Der letzte Fahrer, der auf US-amerikanischen Boden die Weltmeisterschaft gewinnen konnte war ausgerechnet Keke Rosberg 1982 in Las Vegas. Jetzt sicherte sich Lewis Hamilton in Austin den Titel und Rosberg-Sprössling Nico steht mit leeren Händen da – zum zweiten Mal in Folge.
So niedergeschlagen hat man einen Verlierer selten gesehen. Ein paar Stunden später sah das Bild schon wieder anders aus: Da gab Rosberg auf Hamiltons WM-Feier den Partykönig. Charakter hat er – aber einen zu weichen? Gibt er zu oft nach? Ist er zu wenig kompromisslos und kaltschnäuzig?
Malaysia 2013 als Schlüssel?
Es begann alles in Malaysia 2013. Sebastian Vettel ignorierte die Teamorder, seinen Teamkollegen Mark Webber nicht anzugreifen. Nico Rosberg hielt sich dran. Erkennt man hier den Unterschied zwischen Weltmeister und Wasserträger? Der zweite Rückschlag war Spa-Francorchamps 2014: Nachdem er mit Lewis Hamilton aneinander geriet, bekam er einen Einlauf von seinen Teamchefs Paddy Lowe, Toto Wolff und Niki Lauda. Mercedes gab neue Anweisungen heraus, Rosberg hält sich dran. Hamilton nicht, wie in Austin gesehen.
Vielleicht war Austin nun ein drittes Momentum, das alles ändert: Vielleicht hat Rosberg jetzt erkannt mit welchen Mitteln Hamilton Champion wird und wie Rosberg den Titel verliert. Wer nicht in jedem Moment alles tut um zu gewinnen, der hat in der Formel-1 keine Chance. Es scheint fast, als hätte Rosberg das in Texas begriffen. Hamilton sollte gewarnt sein.
Der Deutsche hat ohnehin die Form von 2014 wieder gefunden. In Mexiko fuhr Rosberg zum vierten Mal in Folge auf die Pole-Position. Im letzten Jahr war er Sieger des Quali-Duells, in dieser Saison schien Hamilton auch in dieser Disziplin Rosberg zu überflügeln, aber bei der Serie von vier Poles in Folge darf man durchaus von einer Wende sprechen.
Wende bei Rosberg?
Jetzt muss Rosberg die Poles aber auch in Siege verwandeln. Nur sieben seiner 20 Starts von der besten Startposition setzte er auch in Triumphe um – das ist gerade Mal eine Quote von 35 Prozent – wahrlich keine WM-Quote. Seine Schwäche sind die Starts, spätestens seit im Sommer die Regel eingeführt wurde, dass die Fahrer ohne Ingenieur am Funk losbrausen müssen. Mercedes hat beim Losfahren Probleme, Rosberg mehr als Hamilton – das entscheidet oft über den Ausgang des Rennens, weil Überholen in der Formel-1 bei gleichem Material quasi unmöglich ist. Würde Rosberg gut loskommen, dann wäre Hamilton in Austin gar nicht in die Position gekommen, den 30-Jährigen von der Strecke zu drängen. Wenn sich Rosberg also über den Start ärgert, dann mehr darüber, als über die Aktion von Lewis.
In Austin war der Start gar nicht rennentscheidend. Rosberg war so schnell, dass er sich wieder an Hamilton vorbeidrückte. Doch dann machte er einen Fahrfehler und Hamilton schlüpfte wieder durch – der zweite Grund für die miese Laune Rosbergs nach dem USA-GP. Denn die WM war für ihn schon nach Russland verloren, nicht mathematisch, aber doch realistisch. Aber Rosberg ging es längst um 2016: Er wollte Selbstvertrauen tanken und Hamilton vorwarnen, was ihm 2016 blühen könnte. Und dann verliert er doch wieder. Inzwischen hat die Auswertung der Telemetriedaten gezeigt: Rosberg wurde von einem Windstoß überrascht, deswegen der Fahrfehler.
Kann Rosberg die Wende schaffen? Andere Fahrer haben unterschiedliche Meinungen. Der Indy-500-Sieger Juan-Pablo Montoya findet: „Nico kann eines Tages Weltmeister werden, davon bin ich überzeugt. Aber er muss sich ändern und positiver denken. Er hat in diesem Jahr noch drei Rennen Zeit, Schwung für die kommende Saison zu holen. Die sollte er nutzen.“ Mexiko hat er schon genutzt, mit einem Sieg vor Hamilton.
Teamwechsel nicht sinnvoll
Felipe Massa sieht es anders. Er weiß, was es heißt jahrelang neben einem Weltmeister zu fahren: Bei Ferrari wurde er zunächst von Kimi Räikkönen, dann von Fernando Alonso besiegt. Er legt Rosberg einen Teamwechsel nahe: „Ich denke für Nico wird es im nächsten Jahr noch schlechter laufen, denn Lewis wird weiterhin Siege einfahren. Er gewinnt nicht nur die Rennen, sondern auch das Team für sich.“
Ins gleiche Horn stößt auch Ex-Teamchef Eddie Jordan: „Solange Hamilton bei Mercedes ist, wird Rosberg nie einen Titel gewinnen. Was Nico gegen Lewis tun kann? Nichts! Er hat im Moment weder Lewis’ Tempo noch das Selbstvertrauen. Wenn du zwei Titel in der Tasche hast, hast du einfach größere Eier, da fährst du automatisch schneller.“
Rosberg hat Chancen: Er konnte Hamilton 2014 Paroli bieten und er konnte es auch zuletzt wieder, in Mexiko auch in Vollendung. Und Hamilton ist nicht jedes Jahr gleich gut: In seinem ersten WM-Jahr 2008 machte er viele Fehler, genauso 2010 und ’11, als er bei McLaren von Jenson Button besiegt wurde.
Bald Teamorder bei Mercedes?
Darauf muss Rosberg wieder hoffen – und dann muss er zur Stelle sein. Ein Teamwechsel ist nicht sinnvoll: Man verlässt nicht das Team, das dominiert und Sieg für Sieg an Land zieht. Und wo soll er auch hin? Bei Ferrari kommt er vom Regen in die Taufe, bei Red Bull hat man die eigenen Nachwuchsfahrer und daher wohl wenig Interesse an Nico. Der Rest der Feldes ist nicht konkurrenzfähig, könnte es höchstens werden, wenn 2017 wirklich ein Alternativmotor kommt, aber das ist längst noch nicht sicher. Bis dahin weiß er wohl auch, ob er 2016 endlich gegen Hamilton einen Strich setzen kann.
Rosberg hat aber auch ein Problem: Holt Ferrari noch mehr auf, kann Vettel im WM-Kampf noch mehr mitmischen als schon 2015, dann könnte Mercedes voll auf Hamilton setzen. Dann wäre es schlecht für das Stern-Team, wenn sich die Fahrer gegenseitig Punkte wegnehmen. Dann werden die Chancengleichheiten der Fahrer möglicherweise aufgehoben. Und spätestens dann hat Rosberg wirklich keine Chance mehr.
Fahrer mit den meisten Poles ohne WM-Titel
1. Nico Rosberg (GER) 20
2. René Arnoux (FRA) 18
3. Felipe Massa (BRA) 16
3. Stirling Moss (GBR) 16
5. Rubens Barrichello (BRA) 14
5. Ronnie Peterson (SWR) 14
7. Jacky Ickx (BEL) 13
7. Juan-Pablo Montoya (COL) 13
7. Mark Webber (AUS) 13
10. Gerhard Berger (AUT) 12