Hülkenberg: Saubere Entscheidung?
Der Wechsel von Nicolas Hülkenberg galt lange als „win-win-Situation“ für beide Beteiligten: Fahrer und Team. Dann kam der Brasilien GP: Hülkenberg trotzte den schwierigen Mischbedingungen beim Saisonfinale. Während alle Augen auf das WM-Duell zwischen Sebastian Vettel und Fernando Alonso gerichtet war, fuhr Hülkenberg in deren Schatten das Rennen seines Lebens: Vorbei an Jenson Button und Lewis Hamilton, zwei McLaren-Topfahrer überholt – und damit auf an die Spitze des Feldes! Nicht nur zwischendurch einmal, sondern einen Großteil des Rennens lang. Dass es am Ende nicht für den Sieg reichte, lag an zwei Fahrfehlern des Deutschen.
Jedenfalls hat Hülkenberg gezeigt: Wenn alles nach Plan läuft, dann kann man auch im Force India Mercedes ein F1-Rennen gewinnen. Die Saison 2012 hätte noch zwei weitere Teams als Sieger sehen müssen: Sauber (Sergio Perez in Malaysia) und Force India (Nikolas Hülkenberg in Brasilien). Beide Fahrer hatten es in ihrer Hand, beide versagten letztlich. Am Ende wurde es zwischen Force India und Sauber im Kampf um Rang sechs in der Konstrukteurswertung sogar noch mal eng. Die Force-India-Tendenz positiv, die Sauber-Tendenz negativ.
Hat Hülkenberg wirklich die bessere Wahl getroffen? Natürlich: Force India werden finanzielle Probleme nachgesagt, aber solche Gerüchte kennt auch das Sauber-Team nur zu genüge. Kann Sauber wirklich auch 2013 an die starken Leistungen 2012 anknüpfen? Das F1-Feld dürfte aufgrund des stabilen Reglements relativ eng beisammen bleiben. Sauber hat außerdem ein grundsolides Auto gebaut, auch das spielt der schweizer Mannschaft in die Hände.
Jetzt kommen die Abers: Sauber muss auch ohne den genialen Technikchef James Key auskommen. Der Brite gilt als einer der besten F1-Techniker im Schatten von Adrian Newey. Inzwischen arbeitet er bei Toro Rosso. Key weiß, wie man mit geringen Ressourcen das Beste macht – und die Ressourcen von kleineren Teams wie Sauber sind nun mal beschränkt. Bei Force India hat Key einen äußerst windschlüpfigen Wagen auf Kiel gelegt. Der war nicht besonders schnell auf engen Kursen, aber umso flotter, wenn es auf Hochgeschwindigkeitskurse wie Monza oder Spa ging. Giancarlo Fisichella hätte um ein Haar den Belgien GP 2009 gewonnen!
Bei Sauber achtete Key penibel darauf, die Aufhängungen auf die schnell verschleißenden Reifen einzustellen. Nur durch ein perfekt umgängliches Auto konnte Sergio Perez der Reifenflüsterer werden, nur so konnte er beim Italien GP auf Rang zwei rasen. Ein schonender Umgang mit den Reifen ist auch 2013 wichtig: Pirelli hat angekündigt, wieder aggressivere Mischungen konstruieren zu wollen. Einer der Pirelli-Testfahrer war einst Nick Heidfeld. Viele glauben: Das Comeback des Deutschen 2011 bei Sauber diente nur dem Zweck, Kenntnisse über das Verhalten der Pirelli-Reifen zu ermitteln.
Das Wissen, wie man reifenschonende Fahrzeuge baut, kann dem Sauber-Team niemand nehmen. Man betont immer wieder, dass nicht einzelne Techniker das Auto konstruieren, sondern ein gesamtes Team. Deswegen hat man die Position des Technikchefs auch nicht mehr nach besetzt, auch wenn Philip Morris als Chefdesigner nun den Technikern vorsteht. Key hat das Sauber-Team mit der modernen Anlage in Hinwill nicht freiwillig verlassen: Sauber trennte sich von Key. In den Medien war zu lesen: Er hatte Führungsschwächen.
Der Abgang von Key auf der einen Seite, aber was spricht noch gegen eine ähnlich starke Sauber-Saison 2013? Die Topteams haben den Verlust des angeblasenen Diffusors überwunden, wieder wettgemacht – und sich von den kleineren Teams wieder abgesetzt. Rennställe wie Sauber konnten keinen angeblasenen Diffusor entwickeln, dazu fehlten ihnen das Geld und das Know-How. Als das Reglement diese Konstruktion verbot, rückten Teams wie Sauber auf. „Was mal da gewesen ist, vergisst man nicht“, werden Techniker aus den Top-Teams zitiert. Durch physikalische Tricks haben sie zumindest einen Teil des durch das Verbot verloren gegangenen Abtriebs wieder kompensiert. Damit sahen Teams wie Sauber gegen Saisonende wieder schwächer aus.
Und zum Schluss bleibt noch die Fahrerfrage. Hülkenberg hat Talent, keine Frage. Aber sein Teamkollege Esteban Gutiérrez kommt bei Experten nicht ganz so gut an. Hülkenberg ist trotz seiner erst zwei Jahren F1-Erfahrung routiniert um zu wissen: Er wähnt sich im Duell mit dem mexikanischen F1-Frischling noch lange nicht in Sicherheit.
Dabei werden Hülkenberg schon jetzt Star-Qualitäten nachgesagt. Eigentlich sollte der 25-Jährige deutscher Nachfolger von Michael Schumacher werden, nicht Sebastian Vettel. Immerhin wurde Hülkenberg wie Schumacher von Super-F1-Manager Willi Weber betreut. Mit Weber wurde Hülkenberg 2006/2007 A1GP-Meister für Deutschland – eine Serie mit hübschen Formel-Boliden und einem tollen Nationenkonzept. Leider wurde diese Meisterschaft inzwischen eingestellt.
Weber soll immer davon geträumt haben, Hülkenberg als nächsten deutschen F1-Weltmeister bei Ferrari aufzubauen. Inzwischen haben sich die Wege getrennt, nicht aber die Gerüchte um einen Wechsel des Deutschen zu Ferrari. Da passt es perfekt, dass Sauber ein Ferrari-Kundenteam ist. Jetzt fragt sich jeder: Benutzt Hülkenberg Sauber nur als Sprungbrett zu Ferrari? Sitzt er 2014 schon im Ferrari, den jetzt noch Felipe Massa kutschiert? Hätte sich Massa in der zweiten Saisonhälfte 2012 nicht ordentlich gesteigert, vielleicht säße Hülkenberg schon 2013 im Ferrari.
Jetzt wird er außerdem mit Red Bull in Verbindung gebracht – also neuer Red-Bull-Star nach Sebastian Vettel. Red Bull war schon mal daran interessiert, Hülkenberg ins Förderprogramm aufzunehmen. Hülkenberg lehnte damals ab – ein Luxus, den nur wenige Rennfahrer bisher machen konnten (GP2-Pilot Felipe Nasr zum Beispiel, oder WSbR-Meister und Sauber-Testfahrer Robin Frijns), der aber auch nur dann möglich ist, wenn man Erfolge liefert. Und das schaffte Hülkenberg in den Nachwuchsserien allemal: 2005 wurde er im Team des Deutschen Josef Kaufmann Meister der deutschen Formel-BMW, 2006/2007 der bereits erwähnte A1GP-Titel, 2008 wurde er mit ART F3-Euroseries-Meister, 2009 dann GP2-Meister.
Das besondere am GP2-Titel 2009: Er holte ihn im ersten Anlauf! Das schafften bisher erst neun Fahrer (rechnet man die GP2-Vorgängerserien internationale Formel-3000 und F2-Europameisterschaft dazu), die letzten drei Mal immer Fahrer aus dem ART-Team von Frédéric Vasseur und Jean-Todt-Sprössling Nicolas Todt: Nico Rosberg 2005, Lewis Hamilton 2006 und Nicolas Hülkenberg 2009. Von den letzten vier Fahrern, denen dieses Kunststück gelang, waren drei deutsch: Rosberg, Hülkenberg – und Jörg Müller 1996 im RSM-Marko-Team von Dr. Helmut Marko, jetzt Red-Bull-Konsulent. Ebenfalls schafften das: Jacky Ickx in der Premierensaison 1967 für Tyrrell, Mike Hailwood 1972 für Surtees, Stefano Modena 1987 für Onyx, Christian Fittipaldi 1991 für Pacific und 1992 Luca Badoer für Crypton.
Nach dem Titelgewinn 2009 gab Hülkenberg bei Williams das F1-Debüt. Hier schaute er 2009 auch den Technikern und Mechanikern bei einem Praktikum (!) über die Schulter. Trotz einer Pole-Position in Brasilien 2010 musste Hülkenberg am Ende der Saison aber das Cockpit für Pastor Maldonado räumen. Das Comeback kam 2012 bei Force India – und war stark.
Seine F1-Bilanz
2010 Gesamt-14. im Williams Cosworth
2012 Gesamt-11. im Force India Mercedes