Lewis is extrem gefrustet:
2007 stieg Lewis Hamilton kometenhaft in die Formel 1 ein: Er beendete seine ersten neun Rennen allesamt auf dem Podium und führte nach seinem Heim-Grand-Prix in Silverstone sogar die Weltmeisterschaft an. Ein Jahr später krönte er sich tatsächlich erstmalig zum Champion. Doch seit 2009 und insbesondere in den vergangenen zehn Monaten hat er viel von seinem Ansehen eingebüßt.
Den etwas unpassenden, aber sicherlich nicht rassistisch motivierten Ali-G-Witz nach dem Rennen in Monte Carlo, der von einigen Medien unverhältnismäßig dramatisiert wurde, mag man dem 26-Jährigen noch verzeihen, doch Tatsache ist, dass er sich auf der Strecke schon lange nicht mehr mit Ruhm bekleckert hat. Schanghai, wo er in den letzten Runden am mit Reifenproblemen strauchelnden Sebastian Vettel vorbeifahren konnte, ist seit Ende August 2010 sein einziger Sieg.
Derzeit viele Feindberührungen
Sympathien eingebüßt hat er auch mit den übermotivierten Kollisionen in Monte Carlo, unter anderem gegen Pastor Maldonado, sowie in Montreal, ausgerechnet gegen seinen eigenen Teamkollegen Jenson Button. Ausgerechnet die britische Presse nimmt ihn dafür derzeit scharf in die Kritik. Das passt so gar nicht in Hamiltons Weltbild, denn der Brite dürstet nach Erfolg und hat seit seinem ersten und bisher einzigen WM-Titel einen unbändigen Siegeswillen entwickelt.
Die derzeitige Durststrecke geht ihm gewaltig gegen den Strich: "Es wäre extrem ätzend, wenn es bei einem WM-Titel bleiben sollte, extrem ätzend", schimpft der McLaren-Pilot eine Woche vor seinem Heimspiel in Silverstone. "Das würde mir wie eine Verschwendung so vieler Jahre vorkommen. Viele sagen, dass es nur ums Dabeisein geht, aber das sehe ich anders. Ich will gewinnen, ich bin hier, um zu gewinnen. Das ist alles, was mich anspornt, dafür lebe ich."
"Ein zweiter Platz fühlt sich nicht ganz so niederschmetternd an, aber Dritter oder Vierter sind nicht gut genug", philosophiert er. Hamilton hat bisher jedes Jahr mindestens zwei Grands Prix gewonnen und ist somit erfolgsverwöhnt. In eine andere Situation will er sich aber auch gar nicht erst hineinversetzen: "Man muss sich vor Augen halten, dass man auch bei HRT sein und 20. oder noch schlechter werden könnte. So könnte ich keine Rennen mehr fahren."
Selbst der aktuelle McLaren, immerhin gut genug für Platz zwei in der Fahrer-WM, wie Jenson Button beweist, kann Hamiltons Ansprüchen nicht mehr genügen. Möglicherweise aus diesem Grund traf er sich in Montreal mit Red-Bull-Teamchef Christian Horner. Hamiltons McLaren-Vertrag läuft Ende 2012 aus und sein Manager Simon Fuller soll den Auftrag haben, noch mehr Gage auszuhandeln als die derzeit kolportierten 16,5 Millionen Euro pro Saison.
Klar ist, dass der Weltmeister von 2008 nur im besten Auto sitzen will: "Ich spüre, dass ich noch ein paar gute Jahre vor mir habe, aber ich befinde mich an einem guten Punkt in meiner Karriere", sagt er. "Jede Entscheidung ist wichtig. Du schaust dir immer alle Optionen an und stellst dir dann die Frage: Gibt es etwas Besseres? Wer weiß, was das Reglement bewirkt, aber wir haben ein sehr starkes Team und Mercedes hat immer die besten Motoren."
Button im Team beliebter?
Dieses Vertrauensvotum in Richtung McLaren war auch längst überfällig, denn aus Berichten verschiedener britischer Sonntagszeitungen geht hervor, dass Hamiltons Ansehen teamintern schon mal besser war. Button verdient um ein paar Millionen Euro weniger, ist derzeit aber (nach Punkten) erfolgreicher als Hamilton. Außerdem hat Hamilton mit seiner subtilen Kritik am eigenen Team zuletzt einiges an Sympathien eingebüßt.
Sebastian Vettel und Lewis Hamilton
Sebastian Vettels Erfolgsserie ist Lewis Hamilton ein Dorn im Auge
Weh scheint ihm aber vor allem zu tun, dass derzeit nicht er der unbestrittene Superstar der Formel 1 ist, sondern Seriensieger Vettel. "Steal the thunder" nennen die Briten das, was Vettel gerade mit Hamilton macht. "Er hat die Weltmeisterschaft in einem jüngeren Alter als ich gewonnen und mich aus den Rekordbüchern verdrängt", steht der McLaren-Pilot zu seiner von Ehrgeiz getriebenen Eifersucht und ergänzt: "Ich hoffe nur, dass er mir an Siegen nicht zu sehr davonzieht."
In Valencia hat Vettel seinen 16. Sieg gefeiert und seinen britischen Konkurrenten (15) überholt. Doch Hamilton führt das nicht zwingend auf fahrerische Klasse zurück, sondern führt vielmehr den überlegenen Red Bull als Grund für die Siegesserie des Deutschen an: "Auf Pole-Position zu starten und dann Rennen zu gewinnen, ist nicht schwierig", stichelt er. "Von weiter hinten zu starten und dich nach vorne durchzukämpfen, ist viel, viel schwieriger."
"Im Moment scheint er einen sehr starken Kopf auf seinen Schultern zu tragen", sagt Hamilton über Vettel. "2007 hatte ich auch einen starken Kopf auf meinen Schultern, weil wir gewonnen haben. Und dann erlebst du härtere Zeiten, in denen du nicht unbedingt gewinnst. Du hast Ausfälle und vielleicht laufen die Dinge nicht nach Wunsch. Damit umzugehen, ist viel schwieriger. Ich kann nicht sagen, wie er damit umgehen würde. Die Zeit wird es zeigen, schätze ich."