Massa: Im Schatten der Größten
Brasilien hat eine Reihe großartiger GP-Piloten hervorgebracht: Die Weltmeister Emerson Fittipaldi und Nelson Piquet, die Legende der Legenden Ayrton Senna – aber auch den kleinen Pipo Felipe Massa. Beinahe hätte er sich zu den brasilianischen F1-Weltmeistern reihen dürfen: 2008 feierte die Ferrari-Box bereits den sicher geglaubten Titel von Massa: Immerhin gewann er gerade das Rennen, während Lewis Hamilton auf Rang sechs lag – ein Platz zu wenig für den Titel. Dann aber doch noch: Hamilton überholte in der letzten Kurve der letzten Runde den damaligen Toyota-Fahrer Timo Glock und schnappte Massa den Titel noch weg!
Es war die wahrscheinlich letzte Chance auf den Titelgewinn. Jetzt steht er im Schatten von Fernando Alonso, sowohl von der Leistung her, als auch vom Stand im Team selbst. Ferrari heißt inzwischen Scuderia Alonso! Dass Massa überhaupt noch einen Ferrari-Vertrag für 2013 ergattern konnte, verdankte er nur einer enormen Leistungssteigerung in der zweiten Saisonhälfte. Immer öfter war er nun nah dran an den Darbietungen von Alonso, im Quali drei Mal schneller, im Rennen auch – aber eben immer wieder zurückgepfiffen. Bitter war der Lauf im Wilden Westen, im US-Bundesstaat Texas: Neue Strecke, schlechte Linie für alle geraden Startplätze, also täuschte Ferrari einen Motorwechsel bei Massa vor – der musste per Reglement fünf Plätze zurück, dadurch rückte Alonso einen auf und stand jetzt auch auf der sauberen Seite. Texas 2012, das war fast so bitter als Hockenheim 2010, als Massa auf Siegeskurs Alonso überholen lassen musste – für die WM, aber gegen die Psyche von Massa: Seit Brasilien 2008 hat Massa keinen Grand Prix mehr gewonnen, erst recht nicht seit seinem schweren Crash in Ungarn 2009. Nach Hockenheim 2010 fuhr Massa fast zwei Jahre lang im Nirgendwo, erst jetzt wurde er wieder stärker.
Texas und Hockenheim belegen aber: Massa wird bei Ferrari wohl nicht mehr Weltmeister. Aber was kommt nach Ferrari? Ein Topteam wird den 31-Jährigen wohl nicht mehr unter Vertrag nehmen. Und selbst für ein Mittelfeld-Team wird es vielleicht gar nicht mehr reichen! Gefragt sind Sponsoren, und die muss Massa erst einmal auftreiben. Sein Landsmann und Vorgänger bei Ferrari, Rubens Barrichello, schaffte das jedenfalls nicht. Selbst die drei bis vier Millionen Euro für eine Saison im amerikanischen F1-Pendant IndyCar nicht! Massas Ende bei Ferrari könnte also auch sein Ende in der Formel-1 sein. Er muss also auf das Pech Alonsos hoffen – und auf einen starken Ferrari-Rennwagen.
Felipe Massa – beim Namen hat man sofort eine Vielzahl an Emotionen im Kopf, ein Wechselbad der Gefühle. Von Hero to Zero in 30 Sekunden 2008 in Brasilien, von Freudentränen zum Tränen der schmerzlichsten Niederlage. Die Angst und Trauer um Massa in Ungarn 2009, als ihm eine nur 600 Gramm schwere Dämpferfeder von Barrichellos Brawn Mercedes aber halt mit Karacho aufs Visier prallte, Massa bewusstlos schlug und fast umbrachte. Millimeter am Tod vorbei – und am Verlust zumindest eines Augenlichtes. Massa musste ein halbes Jahr Pause einlegen – kehrte aber 2009 wieder ins Ferrari-Cockpit zurück. Dann das Wechselbad der Gefühle neben Alonso: Immer wieder schneller, immer wieder zurückgepfiffen, das Ferrari-Cockpit für 2013 eigentlich schon verloren – dann aber eisern und tapfer zurückgekämpft.
Massa war aber nicht immer in der Rolle des Wasserträgers: Er fuhr nach seinen ersten beiden F1-Jahren immer an der Seite der Champions, im Schatten der Größten: Jacques Villeneuve 2005 bei Sauber, Michael Schumacher 2006 bei Ferrari, dann Kimi Räikkönen, der 2007 neben Massa Weltmeister wurde, seit 2010 neben Alonso. Gerade in der Zeit, als er gegen Räikkönen fuhr, war die Unterstützung Massas bei Ferrari noch groß. Sein Manager ist Nicolas Todt, dem zum Teil auch das GP2-Team Lotus (ART Grand Prix) gehört – der aber vor allem Sohn von Jean Todt ist. Damals war Todt noch nicht FIA-Präsident, sondern Ferrari-Rennleiter. 2008, im Jahr eins nach Todt, war Ferrari stark Massa geprägt, Räikkönen jedenfalls nicht die Nummer eins. Immer wieder tauchten sogar Gerüchte über eine Bevorzugung Massas auf.
Die Verbindung zu Todt und zu Ferrari, sie öffneten Massa auch Tür und Tor bis in die Formel-1. Niemand wusste so recht, wie man Massa einschätzen sollte. In den Nachwuchsserien ging er einen eher a-typischen Weg: 1999 Meister in der Formel-Chevrolet, 2000 im Formel-Renault-2.0-Eurocup im Cram-Team, 2001 dann in der heutigen Auto-GP-Meisterschaft für Draco. Nur Felipe Massa und Romain Grosjean kamen als Auto-GP-Meister in die Formel-1, nur Massa auf direktem Wege. Grosjean fuhr zwischendrin noch eine Saison in der GP2.
Keiner wusste daher, was man von Massa so recht halten sollte. Mit sechs Siegen aus acht Rennen fuhr er zwar eine starke Saison 2001 und seine Grundschnelligkeit blitzte auch beim F1-Debüt mit Sauber 2002 auf, aber immer wieder machte Massa auch Fehler, setzte den Sauber Petronas in die Leitplanken, oder kassierte Strafen. 2003 musste er daher als Ferrari-Testfahrer erst einmal reifen. Heute rasten und rosten die Testfahrer, damals aber wurde noch getestet auf Teufel komm raus. Massa kam viel zum Fahren, konnte sich die Hörner abstoßen und kehrte 2004 ins Sauber-Cockpit zurück. Gegen Giancarlo Fisichella tat er sich schwer, 2005 kam dann aber die Wende: Mit Jacques Villeneuve stach Massa den Weltmeister von 1997 klar aus, daher war der Wechsel zu Ferrari nach dem Barrichello-Abgang zu Honda der logische Schritt. Keiner hat aber erwartet, wie stark Massa wirklich ist, manchmal sogar schneller als Schumacher.
Wie stark aber ist Massa wirklich? Eine Diskussion, die kein Ende findet. Gegen Nick Heidfeld 2002 und Giancarlo Fisichella 2004 tat er sich schwer, Villeneuve hatte er voll im Griff, aber der Kanadier fand seit seinem Comeback Ende 2004 einfach nicht mehr in den Rhythmus. Eigentlich war der Ofen schon nach seinem Titelgewinn 1997 aus: Villeneuve ließ keine Gelegenheit aus, die Einführung der Rillenreifen 1998 zu kritisieren. Als die Slicks zurückkamen, versuchte Villeneuve mehrmals ein F1-Comeback – sogar für 2013 brachte er sich bei Force India ins Gespräch!
Schumacher war 2006 sicher auch nicht auf dem Zenit seines Könnens – auch wenn er im WM-Kampf voll involviert war. In manchen Rennen war Massa aber schneller: In der Türkei, in Hockenheim, in Brasilien. Der Kampf mit Kimi Räikkönen war ausgeglichen, aber immer wieder kommen die Vorwürfe, Ferrari hätte für Massa gearbeitet. Kaum fiel Massa 2009 unfallbedingt aus, war Räikkönen plötzlich wieder ein Sieg-Kandidat (Triumph beim Belgien GP). Gegen Alonso war Massa von Anfang an chancenlos – aber schon vor dem ersten Rennen, allein aufgrund der Stellung im Team.
Felipe Massa – immer wieder eine Unbekannte, so auch, wie seine weitere Karriere weitergeht. Vielleicht ein weiteres Jahr Formel-1, vielleicht aber ist Ende 2013 schon Schluss. Dann wird Massa als Fahrer in Erinnerung bleiben, der im Schatten der Größten war, sowohl zuhause in Brasilien, als auch in den Teams gegen seine Teamkollegen.
Seine F1-Bilanz
2002 Gesamt-13. im Sauber Petronas
2004 Gesamt-12. im Sauber Petronas
2005 Gesamt-13. im Sauber Petronas
2006 Gesamt-3. im Ferrari
2007 Gesamt-4. im Ferrari
2008 Gesamt-2. im Ferrari
2009 Gesamt-11. im Ferrari
2010 Gesamt-6. im Ferrari
2011 Gesamt-6. im Ferrari
2012 Gesamt-7. im Ferrari