Vor ein paar Jahren wäre das undenkbar gewesen: Kein Italiener in der Formel-1. Nun scheint es zum Dauerzustand zu werden. Oder kommt bald der nächste Italiener? Ich hab mich anlässlich des Italien-GP durch die Nachwuchsserien gearbeitet und die dort antretenden Italiener analysiert. Was denkt ihr?
Es gab Zeiten gerade zu Beginn der 90er Jahre, da reichten zwei Hände nicht, um die italienischen Fahrer in der Formel-1 abzuzählen. Und es gab Zeiten, gerade in den 30er Jahren, da gehörten die italienischen GP-Piloten wie Tazio Nuvolari und Achille Varzi zu den besten ihrer Zeit, vielleicht sogar aller Zeiten. Aber seit rund drei Jahren gibt es keinen Italiener mehr im Fahrerfeld. Ändert sich das bald? Wie stehen die Chancen der italienischen Nachwuchshoffnungen?
Antonio Giovinazzi
Derzeit führt Antonio Giovinazzi die Tabelle der F3-Europameisterschaft an – eine der besten Nachwuchsserien überhaupt. Wer dort den Titel abräumt, der hat zweifelsfrei Talent. Und so ist Giovinazzi derzeit vielleicht sogar der talentierteste italienische Nachwuchsfahrer. Auch finanziell sieht es für den 21-Jährigen gar nicht so schlecht aus: Er wird von Sean-GP unterstützt, den indonesischen Geldgebern von Sean Gelael. Zunächst wird Giovinazzi aber noch mindestens ein bis zwei Jahre in der GP2 oder der Renault-World-Series fahren müssen, wahrscheinlich mit Carlin. Ein Aufstieg in die DTM ist trotz des Gastspiels für Audi für den gesperrten Timo Scheider in Moskau 2016 wohl keine Option: Audi will den Fahrerkader so lassen, wie er ist.
Luca Ghiotto
Mit einer so überzeugenden Leistung hätte man vor der Saison nicht gerechnet: Luca Ghiotto führt aktuell aber souverän die GP3-Tabelle an. Bisher hat er in F1-Kreisen aber keine publik gemachten Kontakte. Als nächstes dürfte wohl ein Aufstieg in die GP2-Meisterschaft anstehen, denn in der Konkurrenzserie, der Renault-World-Series, war er 2014 ja schon aktiv. Sein weiterer Weg wird freilich auch von seiner finanziellen Situation abhängen.
Raffaele Marciello
Er steht mit einem Bein schon in der Formel-1, aber ob er wirklich das zweite auch reinbekommt? Für Sauber trainiert er manchmal sogar im Freien Training eines GP-Rennwochenendes, aber in der GP2 fährt er derzeit den eigenen Ansprüchen hinterher. Und Sauber hat für 2016 mit Felipe Nasr und Marcus Ericsson auch schon zwei Fahrer als Stammkräfte unter Vertrag genommen. Zudem spricht Ferrari, in deren Nachwuchskader Marciello ist, von Veränderungen im Juniorenprogramm. Nicht auszuschließen, dass Marciello aus dem Kader fliegt. Spätestens dann dürfte er seine Augen Richtung GT-Sport öffnen.
Antonio Fuoco
Auch Antonio Fuoco ist Teil des Ferrari-Kaders, aber auch bei ihm gilt: Er überzeugt nicht richtig. Letztes Jahr in der F3-Europameisterschaft war er stark, in der GP3 bleiben nun nicht nur die Resultate aus, sondern er verursacht mit waghalsigen Aktionen auch immer wieder jede Menge Kleinholz. Auch seine weitere Zukunft unter anderem im Ferrari-Kader steht daher in den Sternen.
Alessio Lorandi
Er wollte dem Beispiel Max Verstappen folgen, aber möglicherweise war der Schritt vom Kart direkt in die F3-Europameisterschaft für Alessio Lorandi doch eine Nummer zu groß. Derzeit rangiert er in Diensten von Van Amersfoort nämlich nur auf Tabellenplatz 17. Doch Lorandi, dessen Bruder Leonardo nächstes Jahr vielleicht auch in den Formel-Sport folgen könnte, hat im Kart bewiesen, dass er viel mehr kann. Höchst wahrscheinlich wird er es nächstes Jahr in der Formel-3 nochmal versuchen.
Kevin Ceccon
Er wird zwar in diesem Monat erst 22 Jahre alt, aber er hängt trotzdem schon zulange im Formel-Sport fest: Es ist bereits seine dritte GP3-Saison, auch in der Auto-GP und sogar in der GP2-Serie war Kevin Ceccon zwischenzeitlich unterwegs. Immer wieder bewies er, dass er gut Rennen fahren kann, aber die ganz großen Sprünge bleiben aus. Ceccon dürfte daher bald zur Erkenntnis gelangen, dass es nach ganz oben in die Formel-1 wohl nie reichen wird. Das letzte Quäntchen fehlt einfach. Trotzdem dürfte er es 2016 noch einmal in der GP2 oder der WSbR versuchen.
Ignazio D’Agosto
Die Zweiliterklasse der Formel-Renault gilt im Vergleich mit den nationalen F4-Serien noch immer als die bessere Nachwuchsserie – einfach, weil sie eben nicht national ist, sondern sich die Fahrer gerade im Eurocup auf internationalem Terrain gegen Fahrer aus diversen Nationen beweisen müssen. Wer also hier eine gute Figur macht, der hat zweifelsohne Talent. Ignazio D’Agosto ist ein solcher Fahrer. Das Problem: Der Italiener fährt schon im vierten Jahr in der Zweiliterklasse und seine Formkurve zeigt eher nach unten als nach oben. Derzeit rangiert er auf Platz zehn in der Tabelle, 2013 war er schon Gesamt-Achter. 2016 muss der Aufstieg in die Renault-World-Series kommen, vielleicht ist auch die GP3 oder die F3-Europameisterschaft eine Alternative.