Sutil: Rückkehr in letzter Minute
Es gibt nur sehr wenige Fahrer, die ihre gesamte F1-Karriere für dasselbe Team absolvierten. Am bekanntesten: Jim Clark – der Schotte fuhr immer für Lotus, wurde zwei Mal Weltmeister im Lotus, verstarb aber auch im Lotus. Adrian Sutil hat bisher 90 Rennen gefahren, 19 werden voraussichtlich 2013 drauf gepackt – alle für Force India.
2006 stieß Adrian Sutil ins Team. Der Rennstall, der einst von Eddie Jordan gegründet wurde, war längst im Besitz des Russen Alexander Shnaider und wurde von Colin Kolles geführt, einem Deutschen mit rumänischen Wurzeln. Kolles kannte Sutil aus vergangenen F3-Tagen: 2003 fuhr Sutil in der deutschen Formel-3 für Kolles, ehe der Deutsche in die F3-Euroseries ging. Bei ASM hatte Sutil 2005 keine Chance gegen Lewis Hamilton, wurde aber immerhin Vizemeister. Den Titel holte er 2006 nach, allerdings im japanischen F3-Championat. Es war sein zweiter Titelgewinn nach seiner Premieren-Formel-Saison 2002 in der schweizer Formel-Ford.
Als japanischer F3-Meister kam Sutil zu MF1 Racing und war Freitagstestfahrer. Zuvor fuhr er auch einige Rennen für das A1GP-Team, für das auch sein Force-India-Vorgänger und -Nachfolger Nicolas Hülkenberg fuhr – und Meister wurde. 2007 gab Sutil das F1-Debüt: Inzwischen wurde das Team von der niederländischen Sportwagenmarke Spyker übernommen. Später dann von Vijay Mallya, der daraus Force India formte.
2007 ging alles los, Ende 2011 hörte alles auf: Sutil musste seinem Landsmann Hülkenberg weichen. Der war zuvor Freitagstestfahrer. Mag sein, dass Hülkenberg als Testfahrer schneller war als Sutil, aber Sutil war flotter als Paul di Resta. Vor allem in der zweiten Saisonhälfte. Wieso also musste Sutil überhaupt gehen? Hatte das etwas mit seiner Verurteilung wegen Körperverletzung zu 18 Monaten auf Bewährung zu tun? Sutil hatte in einer Diskothek nach dem China GP 2011 den Lotus-Teamteilhaber Eric Lux mit einem Glas am Hals verletzt. Immer wieder gab es daraufhin Gerüchte, Sutil dürfe in einige Länder, in denen F1-Rennen über die Bühne gehen, nicht einreisen. Sein Manager Manfred Zimmermann versicherte immer wieder: „Die Vorstrafe ist kein Problem!“
Wieso geht’s jetzt mit Sutil und Force India doch wieder weiter? Klar ist: Force-India-Chef Vijay Mallya wollte eigentlich mit Di Resta und Hülkenberg weitermachen. Hülkenberg wechselte dann aber zu Sauber – jetzt brauchte Mallya einen neuen Fahrer. Dabei hat er genug andere Sorgen: Ein paar seiner Firmen wie die Fluglinie Kingfisher steht in Indien das Wasser finanziell bis zum Hals. Vielleicht war das der Grund, wieso es mit der Verpflichtung des zweiten Fahrers so lange dauerte. Ein anderer Grund: Neben Sutil gab es noch einen zweiten viel versprechenden Fahrer: Jules Bianchi, der 2012 schon Freitagstestfahrer bei Force India war.
Das Geld gab nicht den Ausschlag, auch wenn Sutil wohl ein paar Dollar mit ins Team bringen wird. Doch Fahrer wie Bruno Senna oder Vitaly Petrov hätten freilich deutlich mehr Geld bezahlen können. Also sprach am Ende doch die Leistung für Sutil, dem vierten Deutschen im F1-Feld nach Sebastian Vettel (Red Bull), Nico Rosberg (Mercedes) und Nicolas Hülkenberg (Sauber)?
Sutils Vorteil war: Force India kennt die Leistungen, die Vorzüge, wie die Nachteile von Sutil ganz genau. Fünf Jahre fuhr Sutil ja immerhin schon für das Team. Das Jahr 2011 symbolisierte dabei die gesamte bisherige F1-Laufbahn von Sutil: Schwach begonnen, aber stark aufgehört. Der Saisonstart 2011 hätte Sutil fast die Karriere gekostet, weil er langsamer war als Paul di Resta. Der Schotte machte sich zwar mit dem DTM-Titel 2010 einen Namen, war aber nicht nur frisch im Force-India-Team, sondern auch in der Formel-1 ein Neuling!
Je länger die Saison dauerte, desto mehr kam Sutil aber in Fahrt. Am Ende platzierte er sich auf Rang neun und damit erstmals in den Top-10. Das hatte er 2010 als Elfter knapp verpasst. Auf das Treppchen fuhr Sutil bisher nie. Aber genau das könnte 2013 kommen. Viele erwarten einen ähnlichen Saisonverlauf wie 2011: Erst wird Di Resta wohl schneller sein, dann könnte Sutil das Duell drehen. Immerhin fuhr Sutil 2012 gar keine Rennen, Di Resta dagegen ließ in der zweiten Saisonhälfte 2012 gegen Hülkenberg deutlich nach.
Sutil und Di Resta – wieder treffen sie aufeinander. Dass sich zwei Fahrer wieder treffen, das ist nicht ungewöhnlich. Das Mercedes-Duo Nico Rosberg und Lewis Hamilton fuhr schon im Kart gemeinsam im McLaren-Juniorteam, das Caterham-Paar Charles Pic und Giedo van der Garde kennt sich aus der GP2-Saison 2011 bei Addax. Auch in der Formel-1 gibt es genug Beispiele: Niki Lauda und Clay Regazzoni zum Beispiel: 1973 gemeinsam bei BRM, von 1974 bis ’76 bei Ferrari. Oder Lauda und John Watson: 1978 bei Brabham, 1982 und ’83 wieder bei McLaren. Oder Stefan Johansson und Michele Alboreto 1985 bei Ferrari, 1991 wieder bei Footwork. Oder Martin Brundle und Martin Blundell 1991 bei Brabham, 1993 bei Ligier. Oder Christian Fittipaldi und Gianni Morbidelli: 1992 im Minardi Lamborghini, 1994 bei Footwork; oder Gerhard Berger und Jean Alesi: Von 1993 bis 1995 bei Ferrari, 1996 und ’97 bei Benetton. Oder Jarno Trulli und Olivier Panis: 1997 bis ’99 bei Prost, 2004 noch mal für ein Grand Prix bei Toyota. Oder auch Pedro Diniz und Mika Salo: 1998 bei Arrows, 2000 bei Sauber.
Was man in der F1-Geschichte aber kaum findet: Dass zwei Teamkollegen nach einer gewissen Zeit im selben Team wieder aufeinander treffen – so wie jetzt Sutil und Di Resta bei Force India. Marc Surer und Thierry Boutsen fuhren 1984 und ’86 gemeinsam bei Arrows, Jacques Laffite und Jean-Pierre Jarier fallweise 1977 und 1981 bei Ligier, sowie Andrea de Cesaris und Bruno Giacomelli bei Alfa Romeo bei 1980 und ’82.
Die Saison 2011 also als Symbol für die Karriere von Sutil. Wieso? Der 30-Jährige begann in der Formel-1 schwach, wurde vor allem auch immer wieder neben der Piste gesehen. Highlights gab es nur wenig, etwa 2007 in Monaco, als er auf Rang vier liegend von Ferrari-Pilot Kimi Räikkönen abgeschossen wurde. Das führte sogar zu Tränen bei Sutil. Die er sich aber hätte sparen können: Weil er zuvor bei gelben Flaggen überholt hatte, hätte er ohnehin eine Durchfahrtsstrafe kassiert und wäre auch so zurückgefallen.
Den Ruf des Crash-Fahrers verfestigte sich, als Sutil auch noch bei Stefan Raabs TV-Total-Crashchallenge auftauchte – und gewann! Sein damaliger Teamkollege in der Formel-1 war Giancarlo Fisichella: Er fuhr 2009 in Belgien fast zum Sieg, was Sutil nicht einmal ansatzweise schaffte. Ein absoluter Topfahrer ist Sutil also nicht, dafür war auch die F3-Niederlage 2005 gegen Hamilton zu deutlich. Aber Sutil entwickelte sich, wurde immer besser, immer schneller – und immer konstanter. Am Ende seiner F1-Karriere war er ein Punktegarant. Deswegen hat er die zweite Chance jetzt auch absolut verdient.
Dabei wäre Sutil beinahe gar kein Rennfahrer geworden. Sowohl seine Mutter, als auch sein aus Uruguay stammender Vater waren Musiker. Auch Sutil lernte Klavierspielen, beherrscht die Tastatur wohl genauso gut wie einst Elio de Angelis, leider 1986 bei F1-Tests verstorben. Auch Adrians Bruder Daniel fuhr Rennen, aber eher im Kart, kam nicht so weit wie Adrian.
Wie weit kann es Sutil bringen? Mit 30 Jahren ist er nicht mehr der jüngste. Aber wenn er sich jetzt beweist, dann kann es Sutil durchaus noch zu einigen Highlights bringen. Nicht zuletzt deshalb, weil Sutil schon auf den Notizzettel der großen Teams stand: Ferrari, McLaren, Williams. Die Chancen sind jetzt aber kleiner geworden, dafür haben jetzt andere Fahrer wie Nicolas Hülkenberg mehr überzeugen können. Aber Sutil bekommt ja 2013 noch mal eine Chance.
Seine F1-Bilanz
2007 Gesamt-19. im Spyker Ferrari
2008 Gesamt-20. im Force India Ferrari
2009 Gesamt-17. im Force India Mercedes
2010 Gesamt-11. im Force India Mercedes
2011 Gesamt-9. im Force India Mercedes